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E-Book

INDOCHINA. Der lange Weg nach Dien Bien Phu

AutorThomas GAST
Verlagneobooks Self-Publishing
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl385 Seiten
ISBN9783742774422
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis5,49 EUR
Von tiefer Freundschaft. Vom Überleben und vom Sterben. Von der Mutter aller Schlachten. Von DIEN BIEN PHU ! Das vorliegende Buch erzählt den Gefechtsverlauf dieser ´Mutter aller Schlachten´ indem es den langen Weg, von der Entstehungsgeschichte bis zur totalen Vernichtung einer Einheit der Fallschirmjäger der Fremdenlegion nachvollzieht.

Thomas Gast, selbst ehemaliger Hauptfeldwebel der Fallschirmjäger der Fremdenlegion, beschreibt die Gründung seiner Legionärsvorgänger, deren Einsätze, Operationen und Gefechte bis hin zur Kapitulation des französischen Expeditionskorps am 07. Mai 1954.

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Leseprobe

Plaine des Joncs



Die Ebene der Binsen

´... diese Angelegenheit kann in drei Monaten geregelt werden oder in dreißig Jahren. Wenn ihr uns zum Krieg zwingt und ihr tötet zehn meiner Männer und ich töte einen von euch ... zu diesem Preis bleibe ich immer noch der Gewinner. ` Ho Chi Minh, September 1946.


Cochinchina, Kambodscha. 07. Juni, 1949. Es gab mehr als ein Dutzend Anzeichen dafür, dass das auf einem aufgeschütteten Hügel gelegene Dorf bewohnt war. Aus jeder der mit Stroh bedeckten Canhas (Bauernhütten), stieg Qualm empor, Schweine rekelten sich in den Schlammkuhlen, ein Hund kläffte und eine Obstplantage wartete nur darauf, dass man sich um sie kümmerte. Es war ein idyllischer Ort, in dem es nach Reis, Kaffee, Bohnen und gegarten Süßkartoffeln roch.

»Eine Falle. Die verdammten Schweine planen einen Hinterhalt.«

Sergent Bouger rief sich den Auftrag in Erinnerung den er aus dem Mund des Leutnant Caillaud persönlich erhalten hatte. Er war einfach, eine Interpretation kaum denkbar: Aufklären, aufstöbern, vernichten! Karlheinz Montag suchte vergeblich nach Anzeichen der Vietminh, doch alles war erstarrt. Alles war ruhig. Der sergent, der hinter Montag kniete und der angestrengt durch das Fernglas starrte, nickte.

»Die Einwohner verkrümeln sich, wenn Vietminh in der Nähe sind. Entweder das oder man zwingt sie, sich normal zu verhalten, als ob nichts wäre. Doch man sieht es ihnen an. Die Augen. Es sind die, gehetzter Tiere.«

Bouger war derselbe sergent, den Karlheinz Montag schon im Foyer in Sidi Bel-Abbès kennengelernt hatte. Und Bouger wusste, von was er sprach. Er war ein alter Hase, dies hier bereits sein zweiter Aufenthalt in Indochina. Man konnte ihn nicht so einfach hinters Licht führen. Mit leiser Stimme gab er seine Befehle an die Gruppe. Er hatte beschlossen, zwei Scharfschützen unter der Obhut Montags zu lassen. Sie sollten den Angriff decken. Der Rest bereitete sich still darauf vor, das Dorf zu stürmen.

Er legte Montag seine Hand auf die Schulter.

»Siehst du die Blende aus Bambus? Links von der ersten Hütte?«

Montag sah hinüber und bekam eine Gänsehaut. Er wusste sofort, was der sergent meinte. Es handelte sich um eine Art Pferch, hinter dem die Nhà Quês, die Bauern, normalerweise ihre Vorräte aufbewahrten. Auf Bodenhöhe und etwa in der Mitte konnte Montag einen Schatten, eine dunkle Stelle ausmachen, in der man, wenn auch nur mit Mühe, die Mündung eines Maschinengewehres erkennen konnte. Hätte Montag einen Blick durch das Fernglas getan, so hätte er bemerkt, dass die Stelle vor der vermeintlichen Mündung des feindlichen Maschinengewehrs feucht schimmerte.

Jemand hatte den Boden unmittelbar um die Mündung herum mit Wasser besprengt. Bei der Schussabgabe würde so der aufwirbelnde Staub die Position nicht verraten und dem Schützen wurde dadurch nicht die Sicht genommen.

Da waren erfahrene Guerilla am Werk!

Unmittelbar neben der Blende erhob sich die Fassade mehrerer abgelegener Hütten aus Bambus. Genau dort, so vermutete der sergent, hatte sich der Rest der feindlichen Guerilla, von deren Präsenz es außer dem vermeintlichen MG keinerlei Anzeichen gab, verschanzt.

»Gesehen«, sagte Montag und nickte.

»Gut. Wenn ich es dir sage, schießt du eine Gewehrgranate genau mitten rein. Wechsel danach sofort die Stellung und vergiss das Nachladen nicht, denn ich verspreche dir, es wird nach dem ersten Zusammenstoß richtig losfetzen.«

Zum Zeichen, dass er verstanden hatte, streckte Montag seinen Daumen in die Höhe und zielte zwei Handbreit über dem Boden genau in die Mitte des Pferches. Dann wartete er mit angehaltenem Atem auf das Zeichen. Doch noch zögerte der sergent. Irgendetwas stimmte hier nicht. Er schob sich den chapeau de brousse, den von der Sonne ausgebleichten Dschungelhut tief in den Nacken und wirkte recht unentschlossen. Am liebsten hätte er sich eine Zigarette angesteckt, doch aus Erfahrung wusste er, dass dies seine Letzte hätte sein können. Ein feindlicher Scharfschütze konnte überall stecken. Der Qualm hätte nur seine Position verraten und vielleicht den ganzen Auftrag infrage gestellt. Normalerweise hätte er nicht gezögert, das Dorf einfach anzugreifen, doch an seinen Unterarmen sträubten sich die Haare, was für ihn ein deutliches Zeichen war, dass dieser Tag noch einige Überraschungen bergen sollte. Nguyen Van Day, ein freiwilliger vietnamesischer Fallschirmjäger, ging lautlos neben den beiden in Stellung. Montag hatte ihn weder kommen hören, noch hatte er eine Bewegung gesehen. Sein khakifarbenes Beret saß schief auf dem quadratischen Kopf.

»Was denkst du, Nguyen?«

Der kleine Vietnamese zuckte nur mit der Schulter.

»Sie sind da! Sie beobachten uns!«

»Und was werden sie tun?«

Nguyen grinste.

»Wenn wir uns nicht beeilen, werden sie das tun, was sie bisher immer getan haben. Sie liefern ein kurzes Feuergefecht und weichen dann aus. Sie nehmen den Kampf nicht an, weiß der Teufel warum, aber ...!«

»Aber was? Sag schon!«

»Irgendwie hab ich das Gefühl, dass etwas geschieht. Heute. Hier. Kann ich nicht weiter erklären.«

Der sergent schaute irritiert auf seine Uhr. Es war genau Mittag, Zeit also, an die leeren Bäuche seiner Legionäre zu denken. Er dachte daran, wie alles begonnen hatte. Sie waren am 02. Juni, 1949 in der Plaine des Joncs südöstlich von Phnom-Penh abgesprungen. Es war der erste Gefechtssprung einer Kompanie des 2. BEP im Extrem Orient überhaupt. Die Plaine des Joncs, die Ebene der Riedgräser oder Ebene der Binse, lag teils trocken, teils schwammig in der rasch untergehenden Sonne. Nur einigen wachsamen Legionären fiel auf, dass ein Schwarm Saruskraniche sie beobachtete und immer wieder scheinbar belustigte Blicke in ihre Richtung warf. Ihre blutroten Köpfe verhießen nichts Gutes.

Symbol für Glück und Langlebigkeit?

Sicher, aber nur für die Vietnamesen!

Fremdenlegionäre wurden in diesem Land scheinbar nicht alt. Nach dem Sprung war alles schnell gegangen. Man sammelte sich am Boden: die eigentliche Operation, die darauf abzielte Ausbildungslager und Waffen- und Munitionsdepots ausfindig zu machen und die Basiscamps der Vietminh im zugewiesenen Sektor zu zerschlagen, konnte beginnen! Das Gebiet, in dem der Feind lauerte, jede Ihrer Bewegungen beobachtete, lag etwa 35 Kilometer südwestlich von Saigon und war nur einen Katzensprung von Kambodscha entfernt.



Vorbereitung für einen Hinterhalt.


So marschierten sie die ganze Nacht und den Morgen darauf. Die Nerven gespannte wie Drahtseile, hatten die Legionäre nichts oder nur ganz wenig zu sich genommen, denn die Rationen, die man ihnen gegeben hatte, waren verfallen. Das ganze Zeug war verdorben, ungenießbar. Bis zum 07. Juni war es jeden Tag dasselbe Spiel. Abmarsch weit vor Sonnenaufgang. Signalisierten ihnen die vietnamesischen Fallschirmjäger ein Dorf, schwärmte die Kompanie sofort aus. Ein Zug umging im Laufschritt weitläufig den Ort und sicherte Zufahrtswege und Pisten, die dem Feind dazu dienen könnten, sich zu lösen. Innerhalb von Minuten wurden in diesen Abschnitten Hinterhalte angelegt. Ein weiterer Zug brachte sich in Schussweite zum Dorf in Stellung und der Rest der Kompanie drang in dieses ein. Alles geschah ohne Hektik, schnell und lautlos. Die Kompanie funktionierte wie ein Mann, wie eine gut geölte Maschine. Aber der Vietminh wusste Bescheid, war, wie so oft, über ihr Kommen informiert, spielte Verstecken. Da, wo gerade eben noch ganze Banden von Viéts gemeldet waren, fanden sich nur noch vage Spuren. Der Feind löste sich jedes Mal in Luft auf, sobald man sich den Dörfern näherte. Man fand Karten, schwere Waffen und ganze Kisten mit Munition, Material also, dass den Vietminh auf seiner Flucht nur behindert hätte, doch bis dato war die Operation ein Schlag ins Wasser. Erst spät, als die Nacht längst fortgeschritten war, kamen die Legionäre Ruhe.



Legionäre des 2. BEP bei Kämpfen an der RC 6, (Kolonialstraße 6).


Des Nachts wurden rund um das Biwak Sonettes, vorgezogene Alarmposten ausgelegt, die gespannt in die Dunkelheit lauschten. Es war eine nervenaufreibende Angelegenheit, weil der Feind immer und zu jeder Zeit plötzlich vor einem stehen konnte und weil nachts sich alles zu bewegen schien. Nur man selbst durfte sich kaum von der Stelle rühren. Dann plötzlich änderte der Vietminh seine Taktik, fiel Tag und Nacht wie ein gereizter Wasserbüffel über die Kolonnen der Legion her, nur um dann doch wieder auszuweichen. Bereits bei den ersten Kämpfen in der Gegend um Cay-Vong gab es Tote und Verwundete. Die Toten wurden noch vor Ort begraben, jedoch mussten für die Verwundeten Tragbahren angefertigt werden. Das Vorankommen in den Sumpfgebieten erwies sich als extrem schwierig. Teilweise reichten das Wasser und der braune Schlamm den Legionären bis über die Hüften. Im Nachhinein konnte niemand sagen, für wen die Strapazen größer waren, für die Träger die mühsam das Letzte aus sich heraus holten um keinen Kameraden zurückzulassen oder für die Verwundeten, die mit dem Schmerz, hervorgerufen durch die teils schrecklichen Verletzungen zu kämpfen hatten. Hinzu kam die Ausrüstung. Die musetten, die kleinen Sturmgepäcke, vollgepackt mit Munition, Gewehr- und Handgranaten, die Waffen, Stahlhelm und Wasserflaschen, Verbandszeug, Zeltplanen, Funkgeräte und, und, und. Alles musste getragen werden. Dazu war es drückend heiß und die Moskitos waren Tag und Nacht eine Plage. Ganze Kolonnen roter bissiger Ameisen fielen über die Legionäre her...

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