Mit dem vorliegenden Heft setzen wir unser Anliegen fort, die Literaturgeschichtsschreibung der deutschsprachigen KJL nach 1945 noch einmal neu in den Blick zu nehmen, Entwicklungen aus heutiger Perspektive zu beleuchten. Begonnen haben wir diese Arbeit mit dem Heft 3/2013, das unter dem Titel Was gibt’s Neues? Otfried Preußler und die KJL der 1950er-Jahre erschien. Die Fortsetzung erfolgte mit Heft 2/2014, das den Titel Bewegung, Aufbruch, Wendepunkte! trägt. Im Mittelpunkt steht nun die KJL in den 1970er-Jahren, eine Phase, die sich mit Innovationen auf allen Ebenen gut beschreiben lässt. Und da Literatur nicht an das Medium Buch gebunden ist, geht es im Folgenden auch um Theater, Film, Fernsehen und Rundfunk. Was wäre die Kinder-und Jugendliteratur ohne ihre wissenschaftliche Betrachtung? Klaus Doderer berichtet eindrucksvoll, wie die KJL-Forschung in jenen Jahren einen festen Platz in der akademischen Welt findet, wie sie sich der literaturhistorischen Aufarbeitung, der ideologiekritischen Analyse, aber auch didaktischen Fragen zuwendet und sich in nationale sowie internationale Netzwerke integriert. Was wäre, so ist außerdem zu fragen, die Kinder- und Jugendliteratur ohne mutige Verleger? Hans-Joachim Gelberg ist einer der großen Vorreiter, der aus jener Zeit erzählt und von dem Malte Dahrendorf sagte, er habe im wahrsten Sinne des Wortes KJL-Geschichte gemacht. Andrea Weinmann konzentriert sich in ihrer Darstellung auf jene erzählende Kinderliteratur, die in der zeitgenössischen Terminologie als progressiv bezeichnet wurde, weil es ihr um die Gleichstellung von Kindern und Erwachsenen ging, und die sich im Kontext eines übergreifenden, gesamtgesellschaftlichen Modernisierungsprozesses herausbildete. Im Mittelpunkt von Gina Weinkauffs Beitrag steht Ursula Wölfel, deren Werke schon in den 1960er-Jahren formale und inhaltliche Elemente des kinderliterarischen Wandels vorwegnahmen, der sich erst in den 1970er-Jahren durchsetzte. Gerd Taubes Beitrag zeigt auf, wie entscheidend die zur Diskussion stehende Dekade für das Kinder- und Jugendtheater in beiden deutschen Staaten war. Sodann beschäftigt sich Horst Schäfer mit dem sozialkritischen Realismus im Jugendfilm der 1970er-Jahre, den es bis dahin in dieser Form nicht gegeben hatte und auch später nicht mehr geben sollte. Um Angebote des Kindermedienmarktes in der BRD und DDR geht es in den Ausführungen von Gudrun Stenzel, die nachweist, dass die heutige Allgegenwart und permanente Verfügbarkeit damals ebenso schon angelegt war wie die Kommerzialisierung. In den beiden sich anschließenden Aufsätzen steht noch einmal die KJL der DDR im Fokus. Während Sebastian Schmideler unter Rückgriff auf den Forschungsansatz Kulturtransfer vier Paradigmenwechsel für die DDR-KJL der 1970er- Jahre nachweist, widmet sich Michael Ritter Kontinuitäten und Brüchen der kinderliterarischen Darstellungskonzeption von Franz Fühmann (Teil I: H. 2/2014). Abgerundet wird der Thementeil mit einem Beitrag von Ernst Seibert zur österreichischen KJL. Im Spektrum begeben wir uns mit Hansjörg Droll und Michael Staiger auf eine Erkundungsreise des lesedidaktischen Potenzials von digitalen Audiostiften und gratulieren zusammen mit Hans-Joachim Gelberg ganz herzlich Klaus Doderer zum 90. Geburtstag!
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