B Rechtliche Rahmenbedingungen der Innovationsförderung
Neben der ordnungspolitischen und wirtschaftspolitischen gibt es auch eine juristische Ausprägung der Innovationsförderung.[28] In diesem Kapitel wird diese Ausprägung näher begutachtet und auf die Rechtsgrundlagen des Subventionsrechts näher eingegangen. Nicht näher eingegangen wird auf die WTO-Abkommen. Diese berühren zwar nationales und europäisches Recht, allerdings beschränken sich diese Subventionsregeln weitgehend auf den Handelssektor und sind weniger streng ausgebildet als das Subventionsrecht der EU.[29]
Die Wirtschaftsförderung wird geprägt durch das EU-Recht, welches die nationalen Regelungen überlagert und mitgliedsstaatliche sowie kommunale Kompetenzen einschränkt.[30]
I. Europäische Rechtsgrundlagen für die Gewährung von Subventionen
Die Europäische Union beruht auf dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb (Art. 119 I AEUV). Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt, etwa durch Subventionierungen einzelner Unternehmen, sollen daher durch sog. Beihilfevorschriften (Art. 107 ff. AEUV) verhindert werden. In Art. 107 AEUV ist das materielle Beihilfenrecht geregelt, wohingegen Art. 108 AEUV das Verfahren der Beihilfekontrolle durch die Kommission festlegt und Art. 109 AEUV den Rat ermächtigt, zweckdienliche Durchführungsverordnungen zu erlassen.
1. Beihilfen i. S. d. Artikel 107 Abs. I AEUV (vorher Art. 87 EGV)
Auf europäischer Ebene wird die Wirtschaftsförderung durch den unionsrechtlichen Begriff der Beihilfe definiert, welcher erheblich weiter reicht als der Subventionsbegriff des deutschen Verwaltungsrechts.[31] Bei dem europäischen Beihilfebegriff handelt es sich um einen unbestimmten und allgemein gehaltenen Rechtsbegriff („Beihilfen gleich welcher Art“, Art. 107 AEUV). Dem Begriff der Beihilfe unterliegen demzufolge auch „alle Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, welche ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat und somit zwar keine Subventionen im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen aber nach Art und Wirkung gleichstehen“.[32] Entscheidend ist damit die begünstigende Wirkung für das Unternehmen und das Fehlen einer adäquaten Gegenleistung.[33]
Die europäische Kommission hat zur Orientierung der Beurteilung der Beihilfepraxis Leitfäden, Leitlinien und Gemeinschaftsrahmen zur Prüfung einzelstaatlicher Beihilfen erlassen die als sog. „Durchführungsakte“ auf Art. 291 AEUV beruhen.[34]
Grundsätzlich sind gemäß Art. 107 AEUV Beihilfen, welche hinsichtlich ihrer Wirkung den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen.
Folgende Tatbestandsmerkmale ergeben sich aus Art. 107 I AEUV:
staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfe
Es muss sich um eine staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Förderung handeln. Staatliche Mittel sind Vergünstigungen, die unmittelbar aus dem Haushalt von Bund und Ländern stammen.[35] Aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen sind Vorteile, die über eine vom Staat benannte oder errichtete öffentliche oder private Einrichtung gewährt und dem Staat zugerechnet werden.[36] Es genügt allerdings nicht, dass diese Einrichtung unter staatlicher Kontrolle steht. Erforderlich ist vielmehr, dass der Staat einen tatsächlichen Einfluss hat.
Begünstigung bestimmter Unternehmen
Die Förderung gem. Art. 107 AEUV erfasst nur die Begünstigung bestimmter Unternehmen und Produktionszweige. Diese Voraussetzung liegt vor, wenn die staatliche Maßnahme geeignet ist, bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige gegenüber anderen, die sich im Hinblick auf das mit der betreffenden Maßnahme verfolgte Ziel in einer vergleichbaren tatsächlichen oder rechtlichen Situation befinden, begünstigen.[37] Die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige ist demzufolge nicht gegeben, wenn diese wettbewerbsneutral allen Wirtschaftsteilnehmern zukommt.[38] Ferner fallen Beihilfen aus allgemeinen Infrastrukturförderungen, die wirtschaftspolitisch motiviert sind, nicht unter die Voraussetzungen des Art. 107 AEUV.[39]
Wettbewerbsverfälschung
Die Beihilfe muss des Weiteren den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen. Eine Wettbewerbsverfälschung ist dann anzunehmen, wenn die Wettbewerbsfähigkeit des begünstigten Unternehmens gegenüber anderen Unternehmen, welche keine Beihilfen erhalten haben, verbessert wird.[40] Voraussetzung dafür ist, dass ein relevanter Markt vorhanden ist und eine Maßnahme einzelnen Wettbewerbern einen Vorteil bringt, den sie unter marktkonformen Voraussetzungen nicht erhalten hätten. Die Maßnahme muss dadurch die Marktbedingungen der Wettbewerber beeinflussen.[41] Ausreichend ist, dass die Stellung des Empfängers der Begünstigung durch die Maßnahme tatsächlich oder potentiell verbessert wird.[42]
Handelsbeeinträchtigung
Schließlich müssen die Beihilfen den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten beeinträchtigen. Handelsbeeinträchtigungen ergeben sich oft aus einer vorliegenden Wettbewerbsverfälschung. Die Tatbestandsmerkmale sind daher nicht immer klar voneinander abgrenzbar. Voraussetzung ist aber, dass die Begünstigung nicht nur innerhalb eines Staates den Wettbewerb verfälscht und den Handel beeinträchtigt, sondern grenzüberschreitende Auswirkungen möglich sind.
Sind die vorgenannten Tatbestandsmerkmale des Art. 107 I AEUV gegeben, greift das Beihilfeverbot.
Allerdings sind in Art. 107 Abs. II AEUV Legalausnahmen zum Beihilfeverbot des Absatz I normiert, welche aber für den Bereich der Innovationsförderung nicht relevant sind und daher nicht näher erläutert werden.
2 Ausnahme Artikel 107 Abs. III AEUV
Art. 107 II AEUV erklärt bestimmte Beihilfen kraft Primärrecht für zulässig. Dagegen enthält Art. 107 III AEUV eine Reihe von Ausnahme- und Befreiungstatbeständen, die durch Leitlinien konkretisiert werden.[43]
Im Einzelnen handelt es sich um folgende Subventionstypen:
Befreiung nach Art. 107 III lit. a-d AEUV durch Ermessensentscheidung der Kommission,
Befreiung nach Art. 107 III lit. e AEUV durch Ratsentscheidung auf Vorschlag der Kommission und
Befreiung nach Art. 108 II AEUV durch Ratsentscheidung auf Antrag des Mitgliedstaates.
Nach der Rechtsprechung des EuGH steht der Kommission für Ausnahme- und Befreiungstatbestände ein erheblicher Ermessensspielraum zu.[44] Zur Überprüfung der Beihilfen auf ihre Vereinbarkeit mit einem der in Art. 107 III AEUV genannten Tatbestände hat die Kommission drei allgemeine Kriterien aufgestellt:[45] Die Beihilfe muss der Verwirklichung eines der in den Ausnahmeregeln angesprochenen Ziele dienen (Zielverwirklichung). Sie muss ferner notwendig sein, um die gewünschte Entwicklung herbeizuführen (Notwendigkeit). Die Modalitäten der Beihilfe müssen in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit der Beihilfe verfolgten Ziel stehen (Angemessenheit). In der Praxis hat sich Art. 107 III lit. c AEUV als bedeutsamster Ausnahmetatbestand erwiesen. Diese Bestimmung erlaubt es der Kommission, die Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete zu fördern, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft. Unter diese Bestimmung fallen auch die relevanten Förderprogramme für die Innovationsförderung auf nationaler und europäischer Ebene.
3. EU-Beihilfeverfahren
Die Kommission überprüft fortlaufend die bestehenden Beihilferegelungen (sog. repressives Verfahren) und kontrolliert die Vereinbarkeit neuer Beihilfen (sog. präventives Verfahren) nach Art. 108 I und III AEUV.[46] Im Interesse von mehr Rechtsstaatlichkeit (Gesetzesvorbehalt), Rechtssicherheit, Transparenz und Effizienz ermächtigt zudem Art. 109 AEUV zum Erlass von Subventionsdurchführungsverordnungen sowie Harmonisierungsrichtlinien.[47]
Die Regelungen nach Art. 108 I und III AEUV dienen der Kontrolle der mitgliedstaatlichen...