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Innsbrucker Alltagsleben 1830-1880

AutorLukas Morscher
VerlagHaymon
Erscheinungsjahr2014
ReiheVeröffentlichungen des Innsbrucker Stadtarchivs, Neue Folge 51
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783709935729
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Ein einzigartiger Einblick in das Leben vor rund 150 Jahren: Drei eigene und viele fremde Kaiser, Cholera-Epidemien, Überschwemmungen und Feuersnöte, der Einzug der Eisenbahn und der Straßenbeleuchtung haben die Innsbrucker bewegt - ein buntes Panoptikum für jeden, der am Leben, Lieben und Leiden unserer Vorfahren teilhaben will.

Lukas Morscher, geboren 1969, Historiker und Jurist, Leiter des Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck. Zahlreiche Publikationen insbesondere zu unterschiedlichen Aspekten der Regionalgeschichte Innsbrucks. 2011 erschien bei Haymon der erste Teil seiner Reihe 'Innsbrucker Alltagsleben 1880-1930', 2012 der zweite 'Innsbrucker Alltagsleben 1930-1980'.

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Leseprobe

1855


Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wird die Medienlandschaft zunehmend bunter. Vor allem die Innsbrucker Nachrichten waren eine große Bereicherung.

4. JÄNNER

Seit gestern Vormittag sind in der Kohlstadt,


den beiden Sillgassen und in der Universitätsstraße sämmtliche Brunnen ohne Wasser, da die Leitung auf dem Berge ober Mühlau durch einen Lawine zerstört wurde. An der Herstellung dieser Wasserleitung wird rastlos gearbeitet. Auch der Mühlbach ist verschüttet, und die Mühlauer Mühlen und Fabriken mußten einstweilen ihre Arbeit einstellen. IN, Nr. 3, S. 14.

23. JÄNNER

Alle heiratslustigen Herren unserer Stadt


machen wir, da eben Fasching ist, auf eine Parthie aufmerksam, die jeden Freier vermöge ihrer vielseitigen Vorzüge beglücken müßte. Ein Mädchen in San Francisco, das sich zu verheiraten wünscht, kündigt sich in einem hydropathischen Blatte so an: „Ich bin 20 Jahre alt, will mich aber erst nach 2 Jahren verheiraten. Ich verstehe jene Arbeiten, die meinem Alter zukommen, kann Brod und Kuchen backen und Hemden waschen. Ich kann sticken, aber auch Beinkleider nähen. Ich kann Schlittschuh laufen, reiten, tanzen, Klavier spielen, kurz Alles, was man von einer Person meines Geschlechts verlangen kann. Das Reiten verstehe ich so, daß ich folgende Wette eingehen kann: Der Nächstbeste hat zwei Pferde vorzuführen, von denen ich eines auswähle; ich beanspruche 10 Fuß Vorsprung; wenn er mich mit dem andern Pferde auf einer Meile Weges einholt, gehöre ich ihm an; im andern Falle wird das Pferd mein Eigenthum. Ich bin Hydropathin, nehme nicht Thee und Kaffee und trage kein Schnürleibchen; mein Mann mag es in diesen Stücken nach Willkür halten. Ich glaube an die Rechte der Frauen, finde es aber nicht nötig, daß sie sich mit Politik abgeben. Ich bin weder groß noch klein, weder zu voll noch zu mager; ich bin, wie ich eben gewachsen bin. Ich trage weder rothe noch weiße Schminke auf. Ich verlange, daß mein Mann nicht Branntwein trinke und Tabak rauche. Er mag jung oder alt, reich oder arm, er darf aber keines von diesen in zu hohem Maße sein. Er muß gut erzogen, thätig sein und mich frei gewähren lassen.“ IN, Nr. 18, S. 108.

5. FEBRUAR

Vorgestern Abend gegen 7 Uhr


wurde ein in der Klosterkaserne entstandenes Kaminfeuer signalisirt. Die allsogleich getroffenen Vorkehrungen machten dasselbe in Bälde erstikken, und jede weitere Gefahr war beseitigt. Unter den Ersten, die sich, mit Rath und That nützend, am Orte der Gefahr eingefunden, war wieder, wie stets bei ähnlichen Anlässen, unserer wackerer Mitbürger, Hr. Tischlermeister J. Geyer. Bei dieser Veranlassung glauben wir, die Vorschrift der Brandwehrordnung in Erinnerung bringen zu sollen, laut welcher bei einem Abends oder nächtlicher Weise entstehenden Feuerlärm sämmtliche Hausbesitzer und Einwohner verpflichtet sind, ihre Fenster auf den Gassenseiten augenblicklich zu beleuchten. IN, Nr. 28. S. 180f.

9. FEBRUAR

Wie bekannt, werden gleich nach dem Eintreffen der telegraphischen Nachricht


von der erfolgten Entbindung Ihrer Majestät der Kaiserin mit einem Prinzen 101, mit einer Prinzessin hingegen 21 Kanonenschüsse gelöst werden. Sollte die Nachricht zur Nachtzeit einlangen, so erfolgt die Lösung der Geschütze um 8 Uhr früh des folgenden Tages. IN, Nr. 32, S. 203.

20. FEBRUAR

Heute Morgens wurde eine Milchverkäuferin


vom Lande auf der That ertappt, als sie eben ihren Milch-Vorrath mit Brunnenwasser multiplizirte. Dieselbe wurde nun von ihren eigenen Kolleginnen dem Marktaufseher angegeben und zur wohlverdienten Strafe gezogen. IN, Nr. 41, S. 263.

10. APRIL

Gestern wurde im benachbarten Wilten


die Leiche des wegen seiner Einsicht und Rechtlichkeit allgemein geschätzten Herrn Gemeindeausschusses und Oekonoms Josef Alt (Hausname Platzer) unter sehr zahlreicher Begleitung zu Grabe getragen. Der Verewigte hatte noch vor seinem Ende mehrere namhafte wohlthätige Bestimmungen zu Gunsten der Hausarmen und der Schuljugend getroffen, wofür ihm deren Dank ins Jenseits nachfolgt. IN, Nr. 81, S. 527.

11. JUNI

Ungeachtet des hohen Wasserstandes,


in Folge dessen die Straße vom Strafhause bis herauf zum Marmorbrunnen in der Hälfte der Allee überschwemmt war, wurde in der Vorstadt-Pfarre St. Nikolaus gestern die Prozession doch in aller Feierlichkeit abgehalten, da durch zweckmäßige Anordnungen mit Treppenlegung und Veränderung zweier Altarplätze jede Störung vermieden werden konnte. Von den städt. uniform. Standschützen war gestern nur die glänzend equipirte Musikbanda zur Prozession ausgerückt. Dagegen ist im benachbarten Pfarrdorfe Hötting die Prozession gleichzeitig und mit voller Festlichkeit abgehalten worden, wozu die complette Schützenkompagnie und Musik dieser Gemeinde, die Feier verschönernd, ausmarschirt war, und erstere bei den heil. Evangelien die üblichen Salven mit Präcision gegeben hat. […] IN, Nr. 131, S. 855f.

12. JUNI

Eine herkulische Grödnerin


hat gestern Nachmittag mit den Müllern in Mühlau gewettet, sie wolle in Zeit von drei Viertelstunden einen mit fünf Staar Roggen gefüllten Sack vom Korethwirthshause in Mühlau bis zur Franziskanerkirche hier auf der Achsel tragen. Die Müller, eine solche Achselträgerei nicht für möglich haltend, bestimmten den Roggen (192 Pfund im Gewicht) als Preis der Wette und – verloren, denn die Grödnerin hielt Wort und gewann die Wette, nachdem sie unterwegs zwar einigemale rastete, aber doch vor Ablauf der bestimmten Zeit mit dem fünfstarigen Sacke bei der Franziskanerkirche anlangte. IN, Nr. 132, S. 862.

Kurz vor dem Ziel: Die letzten Meter für die starke Grödnerin.

Der ehemalige Schießstand in Mariahilf. Heute befindet sich dort eine große Wohnanlage.

6. SEPTEMBER

Gestern Nachmittags 1 Uhr entstand


(der seit 24 Stunden dritte) Feuerlärm, da eine Feuersgefahr in einem Hause in der Au nächst der Schießstätte entstanden war, aber glücklich schnell unterdrückt wurde, und weitere sogleich herbeigeeilte Spritzenhilfe unnöthig machte. IN, Nr. 204, S. 1313.

13. OKTOBER

Die Herren Mitglieder der Liedertafel


werden ersucht, behufs der Begleitung der Leiche des Herrn Professor Schöpfer sich vor 3 Uhr vor dem goldenen Dachlgebäude zu versammeln. IN, Nr. 235, S. 1510.

12. NOVEMBER

Die Straße, welche die Fortsetzung der Museumsstraße


von der kl. Sill bis zur Spinnfabrik bildet, wird dermal bedeutend abgegraben, um Raum für die Durchfahrt des dort diese Straße übersetzenden dreifachen Eisenbahn-Viadukt-Bogens zu gewinnen. IN, Nr. 259, S. 1668.

26. NOVEMBER

Von Seite der wohllöbl. k. k. Post-Direktion


wird dieser Tage einem hier längst gehegten allgemeinen Wunsche durch Aufstellung von Brief-Sammlungskästen, vorerst an vier verschiedenen Punkten Innsbrucks, entsprochen, deren einer außer der Brücke nächst dem Malfatti-Hause, der zweite nächst dem goldenen Dachel am Stadtplatz, der dritte am Wisiol’schen Hause in der Museums-(Bürger-)Straße und der vierte nächst der großen Kaserne am Ecke der obern Sillgasse angebracht wird. […] IN, Nr. 271, S. 1747.

Der Stadtplatz hat in den Jahrhunderten seines unveränderten Bestehens Vieles gesehen. Aber vor allem die vorweihnachtlichen Veranstaltungen scheinen immer schon sehr konsumorientiert gewesen zu sein.

3. DEZEMBER

Gestern fiel unterhalb der Kohlstadt ein Knabe,


welcher mit anderen Kindern über die große Sill auf einem Balken der dortigen Holztriftrechen gehen wollte, in die Sill, wurde aber glücklich dem Wellentode entrissen. IN, Nr. 277, S. 1794.

5. DEZEMBER

Dermal bietet unser Stadtplatz


ein belebtes interessantes Schauspiel – es wird für...

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