1.2 Kill your ideals: Mythos und Wahrheit in der internen Kommunikation
Von Jeanette Wygoda
Sind tradierte Leitlinien eherne Gesetze? Oder entpuppen sie sich bei näherem Hinsehen als fragwürdige Mythen? Eine gedruckte Mitarbeiterzeitschrift ist die Basis jeder guten internen Kommunikation. Und heute wünschen sich die Mitarbeiter nichts anderes als Social Media. Eine interne Kommunikation muss wandelbar sein, wenn sie Erfolg bei ihren Zielgruppen haben soll. Das Beispiel von Gruner + Jahr zeigt, wie eine mediale Transformation erfolgreich gelingen kann.
1. Blick zurück nach vorn
Interne Kommunikation entstand beim Druck- und Verlagshaus Gruner + Jahr AG vor mehr als 40 Jahren. 1971 erschien die erste Ausgabe der wöchentlichen Mitarbeiterzeitung „Zeitschriften Intern“. Später wurde „ZI“ zu einem grün-weißen Leporello unter dem Titel „Der Grüne Dienst“. Der Erscheinungstag der Mitarbeiterzeitung wurde damit auch zu dem „Kommunikationstag“. Die Neueinführung von Zeitschriften, Beförderungen oder andere wichtige Ereignisse fanden somit nach Möglichkeit immer an einem Donnerstag statt, damit „Der Grüne Dienst“ aktuell und als Erster darüber berichten konnte. Dass ein Zeitschriftenhaus mit seinen Mitarbeitern über ein gedrucktes Medium kommunizierte, verstand sich auch nach der Verbreitung des Internets von selbst. Das gedruckte Wort war Teil der Identität des Unternehmens.
Obwohl bereits 1998 die wichtigen Marken von Gruner + Jahr wie STERN.de oder BRIGITTE.de erfolgreich im Netz gestartet waren, wurde intern immer noch weiter gedruckt kommuniziert. Erst 2004 entwickelte die verantwortliche Redakteurin der Mitarbeiterzeitschrift in Zusammenarbeit mit der IT einen ersten Online-Newsbereich auf der Startseite des Intranets. Die Integration von Inhalten der Mitarbeiterkommunikation auf der internen Homepage kam damals einem Kulturwandel gleich: Die IT sah das Intranet zu diesem Zeitpunkt noch als ureigene Domäne an, als technischen Service, den man dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern zur Verfügung stellte. Mit der Integration eines News-Bereichs wurden die Fronten durchlässiger: Das Intranet hatte nun viele Väter und Mütter. Erste Schritte zu einer Aneignung der technischen Kommunikationsmittel durch mehrere Stakeholder im Unternehmen waren getan.
2007 erfolgte die Einführung eines neuen Intranets mit einem Content Management System, das als Eigenentwicklung passgenau auf die Kommunikationsbedürfnisse von Gruner + Jahr zugeschnitten wurde: Bildstark, journalistisch geprägt und dezentral bespielbar. Herzstück ist eine News-Datenbank, die ein Ausspielen der Nachrichten auf unterschiedlichen Seiten und Templates erlaubt. Effizienter Kommunikations- und Publizierungsworkflow waren bereits während der Entwicklung eine Leitlinie. Eine weitere Besonderheit stellt auch das modulare Layout der Startseite dar. Über eine Vielzahl von Layoutvorlagen kann die Optik der Startseite täglich der Nachrichten- und Bildlage angepasst werden.
Der crossmediale Workflow, der mit der neuen Plattform entstand, sah auf der Startseite den Newsbereich als dominierendem Element vor. Die Redaktion der Internen Medien entscheidet täglich, wo welche Inhalte in welchem Format publiziert werden sollten. Nachrichtliche Schwerpunkte fanden im Intranet statt, Hintergrundinformationen, Interviews, Personality-Stories zu Mitarbeitern hingegen im „Grünen Dienst“.
„Hinter“ der Startseite jedoch wird konsequent das Prinzip der Dezentralität gewahrt. Dezentralität und Eigenverantwortung sind wichtige Elemente der Unternehmenskultur bei Gruner + Jahr. Akzeptanzprobleme gab es deshalb nicht. Die Seiten der Fachbereiche können von den jeweiligen Redakteuren selbständig und eigenverantwortlich bearbeitet werden. Das Corporate Design wurde im Rahmen von Formatvorlagen für die Seitengestaltung eingebaut. Die Mitarbeiter in den Bereichen sind frei, ihre Seiten zu gestalten. Die Interne Kommunikation ist nicht Kontrolleur oder Gestalter, vielmehr Sparringspartner und bestenfalls Coach, wenn es um die Präsenz der Abteilungen im Internet geht. Nicht jeder Auftritt wirkt aus Sicht der Unternehmenskommunikation optisch und inhaltlich gelungen. Doch ist das ein Preis, der im Interesse allgemeiner Akzeptanz und einer aktiven Mitarbeit gern gezahlt wird. Nur wenn die einzelnen Ressorts ihre Inhalte selbst verantworten und nach ihrem Gusto gestalten, können sie sich auch mit den Kommunikationsmaßnahmen identifizieren.
Im Zuge der Wirtschaftskrise 2008/2009 fanden auch bei Gruner + Jahr tiefe Einschnitte in der Organisation statt. Um ein deutliches Zeichen zu setzen, entschied der Vorstand Ende des Jahres 2009, die Mitarbeiterzeitung aus Kostengründen einzustellen. Diese Entscheidung kam einem Kulturbruch gleich, hatte aber erstaunlicher Weise nicht die Wirkungen, die anfangs befürchtet wurden.
2. Ein Zeitschriftenhaus kommuniziert intern „online only“
Seit 2010 kommuniziert das Medienhaus intern „online only“. Der befürchtete Protest unter den Mitarbeitern blieb aus. Vielmehr zeigte sich, dass sich die neue Intranetplattform „Greenport“ erfolgreich etabliert hatte. Die konzernweite Mitarbeiterbefragung im Juni wies darüber hinaus sogar höhere Zustimmungswerte zur Internen Kommunikation aus als in der Befragung vier Jahre zuvor. (2010: 83 Prozent positive Antworten, 2006: 79 Prozent positive Antworten). Innerhalb weniger Jahre war die Interne Kommunikation des Medienhauses von reiner Print-Kommunikation über crossmediale Komunikation zu „Online Only“ transformiert worden.
Abbildung 1 | 90 Prozent sind im Allgemeinen sehr zufrieden bzw. zufrieden mit dem Greenport
Die Akzeptanz der Internen Kommunikation durch die Mitarbeiter ist medien-unabhängig. Die Bindung der Leser und User erfolgt in erster Linie über Inhalte und erst in zweiter Linie über Kanäle. Trotzdem ist eine mediale Transformation nicht über Nacht zu erreichen. Für ein neues Medium, das perspektivisch eine Leuchtturmfunktion einnehmen soll, müssen Macher und Verantwortliche eine langfristige Perspektive entwickeln.
Schnelle Erfolge lassen sich nicht garantieren. Neuen digitalen Tools sollte man Zeit geben. Nach einem Jahr lässt sich erstmals seriös ein Fazit ziehen, wie die Kanäle von den Usern angenommen werden. Nach einem weiteren Jahr kann ein Kanal als etabliert bezeichnet werden. Dies ist für Verantwortliche in den Kommunikationsabteilungen keine bequeme Nachricht. Die Erwartungshaltung ist verständlicherweise höher: Mit einem neuen Kanal sollen bitte auch schnell Ergebnisse her. Aber auch hier gilt: Kill your ideals – vergiss Deine Ideale und hinterfrage vermeintlich leichte Lösungen.
3. Ausblick
Die mediale Transformation der Internen Kommunikation bei Gruner + Jahr zeigte auch, dass bei der Einführung neuer Features eine sensible Balance gefragt ist, um den richtigen Zeitpunkt für die Einführung eines neuen Mediums zu finden. Für Web-2.0-Funktionen wie interne Chats, Blogs oder Instant Messaging gilt das umso mehr. Die unterschiedlichen Nutzergruppen wie Digital Natives und Printliebhaber sind in einem Medienhaus wie Gruner + Jahr besonders zahlreich anzutreffen, und entsprechend kontrovers fallen auch die Diskussionen aus, welche neuen Features gebraucht werden und welche überflüssig sind.
Abbildung 2 | Der Wunsch nach einem Blog, einem Instant Messenger sowie einer Kommentar-Funktion unter Greenport-Artikeln ist am größten.
Um für die Beantwortung dieser Frage eine empirische Basis zu erhalten, führte die Interne Kommunikation im Mai 2012 mit der G+J-Marktforschung eine unabhängige und anonyme Mitarbeiterbefragung durch. Dabei zeigte sich, dass der Wunsch der Belegschaft nach Web 2.0 eher verhalten war. Nur 40 Prozent wünschten sich Blogs, 56 Prozent waren dagegen. Einen Instant Messenger bewerteten nur 34 Prozent positiv, 60 Prozent nicht. Kommentarfunktionen wünschten sich 33 Prozent gegenüber 63 Prozent.
Persönliche Profilseiten und Chats erhielten mit 19 Prozent bzw. 17 Prozent die geringste Zustimmung. Bei diesen Ergebnissen ist bemerkenswert, dass Blogs, die von der Mehrzahl passiv gelesen werden, noch die meiste Zustimmung erhielten. Die Funktionen, die eine höhere Interaktion erfordern, wie Profilseiten oder Chats, stießen auf das geringste Interesse.
Abbildung 3 | Ein Chat/Chatroom sowie eine persönliche Profilseite stoßen auf das geringste Interesse.
Bei Social-Media-Funktionen muss in der Bewertung auch zwischen (Arbeits-)Tools und (Kommunikations-)Medien unterschieden werden. Wenn Mitarbeiter sich über Instant Messaging zu aktuellen Projekten austauschen, ist der Bezug zu den Erfordernissen des Arbeitsalltags sofort klar zu erkennen und der „outcome“ in kurzer Zeit positiv. Funktionen der sozialen Medien erfordern jedoch auch ein stärkeres Engagement des Einzelnen, wodurch der Nutzer sichtbarer wird - eine Konsequenz, die nicht jeder Mitarbeiter tragen...