Einführung
Deutschland ist ein Einwanderungsland.
In der BRD haben knapp 20% der Einwohner einen Migrationshintergrund. Sie sind Einwanderer oder Kinder von Einwanderern („Die Welt“, 03.08.2006).
Von „Migrationshintergrund“ spricht man, wenn eine Person selbst eingewandert ist oder die Eltern/ein Elternteil Migranten waren. Dies gilt auch, wenn die Person in Deutschland geboren ist oder einen deutschen Pass hat (http://www.uni-bremen.de/campus/campuspress/unipress/06-197.php3, Stand 03.08.2006).
Die relativ neue Bezeichnung Kinder oder Jugendliche mit „Migrationshintergrund“ soll deutlich machen, dass die Jugendlichen selbst oder ihre Familien zugewandert sein können. Jugendliche mit Migrationshintergrund können in der BRD aufgewachsen und geboren sein und die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Dies trifft auf die Gruppe der Aussiedler ebenfalls zu (Krüger-Potratz 2003, S. 34).
Ein Fünftel der deutschen Bevölkerung hat lt. Statistischem Bundesamt Migrationserfahrung:
„Bei Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen null und unter 25 Jahren ist der Anteil mit 27,2 Prozent sogar noch größer. Das heißt: Mehr als jedes vierte Kind und jeder vierte Jugendliche in Deutschland hat einen Migrationshintergrund.“ („Die Welt“, 30.05.2006)
Die Schwierigkeiten, die von den einzelnen Migrantengruppen bewältigt werden müssen, sind so vielfältig wie deren Herkunft. EU-Bürger brauchen beispielsweise keine Aufenthaltserlaubnis und keine Arbeitsgenehmigung. In den Art. 23 - 60 EGV sind ihnen Grundrechte zugesichert, die Migranten aus Drittstaaten nicht haben. Illegale Einwanderer haben gar keine Rechte, nicht einmal das auf gesundheitliche Versorgung.
Allen gemeinsam sind allerdings unterschiedliche kulturelle Hintergründe und große Sprachbarrieren, sowie vielerorts Vorurteile und Stigmatisierung. Probleme, die angesprochen, bearbeitet und überwunden werden müssen.
Mit dem sich daraus ergebenden kulturellen und religiösen Pluralismus umzugehen ist eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft und ihre Institutionen (Kindergärten, Schulen, Arbeitsmarkt, Ausbildungsstellenmarkt u.a.).
Wir benötigen soziale und gesellschaftliche Integration, für die insbesondere unser Bildungssystem den Umgang mit wachsender gesellschaftlicher Vielfalt lernen muss.
Integration ist nicht nur für den sozialen Zusammenhalt in den Kommunen eine Zukunftsfrage. Zunehmend wird sie, vor dem Hintergrund demografischen Wandels und dem daraus resultierenden Mangel an Facharbeitskräften, auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in Städten, Kreisen und Gemeinden.
Arbeit ist die Grundlage der Existenzsicherung.
Sie verschafft Einkommen, soziale Beziehungen und gesellschaftliche Anerkennung.
In wieweit können nun junge Migranten durch berufliche Ausbildung, Beruf und Bildung in die Arbeitswelt und somit in die Gesellschaft Deutschlands integriert werden? Welche Hindernisse und Vorurteile müssen sie bei dem Versuch, eine Ausbildungsstelle zu erhalten, überwinden?
Berufstätigkeit hat für Menschen mit Migrationshintergrund eine große Bedeutung, denn sie stellt die Basis für ihre gesellschaftliche und soziale Integration in einem fremden Land dar.
Um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu erhalten, ist der internationale Austausch von Wissen notwendig. Dies erfordert neue Problemlösungen, Denk- und Arbeitsweisen.
Obwohl in Deutschland hohe Arbeitslosigkeit herrscht, können viele Stellen nicht besetzt werden, weil bereits jetzt qualifizierte Arbeitskräfte in bestimmten Branchen fehlen.
Die deutsche Gesellschaft altert aufgrund immer geringerer Geburtenzahlen und zunehmender Lebenserwartung der Menschen.
Laut einer Prognose von 2001 (Bericht der unabhängigen Kommission „Zuwanderung“ – Zusammenfassung 2001, S. 3) würde die Bevölkerungszahl bis 2050 von 82 Millionen auf 60 Millionen schrumpfen, bliebe die Kinderzahl pro Frau so wie sie zum Zeitpunkt des o.g. Berichtes war unverändert. Somit ginge die Zahl der Erwerbspersonen von 41 auf 26 Millionen zurück.
Bevölkerungsrückgang und Alterung haben unerwünschte Folgen für wirtschaftliche Entwicklung, Innovationsfähigkeit, Arbeitsmarkt, Staatshaushalt und Pro-Kopf-Verschuldung.
Die absehbare Bevölkerungsabnahme wird die gesamtwirtschaftliche Nachfrage schwächen. Abgeschwächtes Wachstum bremst wiederum Investitionen und Produktivitätssteigerungen der Unternehmen (ebd.). Dies führt zu einem Abbau von Ausbildungsplätzen.
Trotz steigender Ausbildungs- und Schulbesuchsdauer Jugendlicher mit Migrationshintergrund kann die „Ausbildungsnot“ dieser Personengruppe in der BRD nicht abgebaut werden.
Mangelndes Interesse ausländischer Jugendlicher, Ablehnung der Qualifikation durch die Eltern oder durch betroffene Jugendliche selbst, mögliche Rückkehrwünsche, utopische Berufswünsche – dies und noch viel mehr wird Migranten vorurteilhaft häufig vorgehalten. Hier fehlen fundierte Information und ein allgemein gesellschaftliches Umdenken.
Trotz nachgewiesener hoher Bildungs- und Ausbildungsmotivation bleiben viele junge Migranten ohne qualifizierenden Berufsabschluss. Die Folge sind schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, ein höheres Risiko der Arbeitslosigkeit und somit Abhängigkeit von staatlichen Transferleistungen (Beck Mai 2005, S. 5).
Schwierig ist es jedoch, Betriebe dahingehend zu motivieren, junge Ausländer oder Jugendliche mit Migrationshintergrund auszubilden.
Als qualifizierter Arbeitnehmer in das Beschäftigungssystem aufgenommen zu werden, kann durchaus eine Basis auch für soziale Integrationsprozesse sein; entscheidend dafür sind jedoch die Integrationschancen, die die Aufnahmegesellschaft den in ihr lebenden ethnischen Minoritäten bietet (Beer-Kern 1992, S.2).
Migrationshintergründe sind in vielfacher Weise mit sozialer Ausgrenzung verbunden. Geht man nicht vom Kriterium „Staatsangehörigkeit“, sondern vom „Migrationshintergrund“ aus, so kommt mittlerweile fast jedes dritte Kind bzw. fast jeder dritte Jugendliche in Westdeutschland aus Migrantenfamilien.
Ihnen den Zugang zu einer qualifizierten Berufsausbildung zu ermöglichen
„…ist entscheidend für die erfolgreiche Einmündung in den Arbeitsmarkt, für den beruflichen und gesellschaftlichen Aufstieg und damit für eine dauerhafte und stabile Integration“ (Beck Oktober 2005, S. 5).
Hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und der Zukunftsfähigkeit unserer Betriebe ist es erforderlich, das gesamte Ausbildungspotential auszuschöpfen. Dies gilt nicht zuletzt für Betriebe mit ausländischen Inhabern: Auch deren Ausbildungsbereitschaft muss erhöht werden, um die Chancen auf berufliche Qualifizierung und somit Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu erhöhen (Beck Oktober 2005, S. 5).
Wenn es um die Ausbildung Jugendlicher mit Migrationshintergrund geht, sind immer wieder Vorurteile und Barrieren von Seiten der Betriebe festzustellen. Das besondere Potential dieser Jugendlichen, zweisprachige und interkulturelle Kompetenz, wird bei Personalentscheidungen nach wie vor stark vernachlässigt (ebd., S. 7).
Die PISA-Studie (”Programme for International Student Assessment“) ist ein Programm der OECD[1], in dem die Kompetenzen 15-jähriger Schüler international verglichen werden. Sie zeigt, dass in keinem anderen Vergleichsland die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen so deutlich vom sozialen Status der Eltern abhängen wie in Deutschland.
Diese Abhängigkeit des Bildungserfolges vom Sozialstatus der Eltern trifft Jugendliche mit Migrationshintergrund besonders stark.
Nach Klärung der mit dem Thema zusammenhängenden Begriffe (Kapitel 1 und 2) beleuchte ich schulische Bildungsvoraussetzungen und die aktuelle Situation jugendlicher Migranten auf dem Ausbildungsstellenmarkt (Kapitel 3).
In Kapitel 4 finden Maßnahmen Erwähnung, mit denen in der Gegenwart auf Bundesebene die beruflichen Integrationschancen Jugendlicher mit Migrationshintergrund verbessert werden sollen.
Welche neuen Wege zum Berufsabschluss beschritten werden, lesen Sie in
...