Index-Zertifikate: Solide Basisinvestments
Was Indizes leisten und wie sie funktionieren
Wer heute eine Tageszeitung aufschlägt, wird an den verschiedensten Stellen mit Indizes konfrontiert. Der Lebenshaltungs-Index des Statistischen Bundesamtes misst die Preissteigerungen bei Gütern des täglichen Bedarfs; mit ihrem Konjunktur-Index prüft die Frankfurter Allgemeine Zeitung, ob die Wirtschaft sich im Aufschwung oder Abschwung befindet; der von der Unternehmensberatung Accenture berechnete NET-AX ist ein Indikator für die Akzeptanz des Internets in Deutschland; und anhand von Aktienindizes wie dem DAX oder dem Dow Jones kann man sich in Sekundenschnelle über die aktuelle Börsentendenz informieren.
Manche Experten sprechen bereits von einer „Index-Inflation“, hinter der freilich handfeste praktische Gründe stehen. Das Wirtschaftsleben der modernen Welt wird immer komplexer, der ökonomische Erfolg wird von immer mehr unterschiedlichen Faktoren beeinflusst. Ein intelligent konstruierter Index sorgt dafür, dass man trotz der steigenden Komplexität nicht den Überblick verliert – mit Hilfe eines Index lässt sich nämlich eine große Menge an Zahlen oder auch qualitativen Aussagen in einem einzigen Ziffernwert zusammenfassen. Und durch seine periodische Berechnung demonstriert ein Index gleichzeitig, wie sich Trends im Zeitablauf entwickeln.
Wie wichtig Indizes gerade für die Finanzmärkte sind, beweist das folgende Denkspiel: Stellen Sie sich vor, ein Bekannter fragt Sie nach der momentanen die Stimmung an der Börse. Sie denken, dass dies eine leichte Frage sei. Mag sein, deshalb machen wir die Sache etwas schwieriger – in Ihrer Antwort dürfen keinerlei Begriffe wie „DAX“, „Nemax“ oder „Index“ vorkommen. Sie können es sich jetzt natürlich ganz einfach machen und nach einem kurzen Blick in den Kursteil die Aussage „DaimlerChrysler ist gestern um zwei Prozent gefallen“ treffen. Nun ist Ihr Bekannter allerdings nicht so uninformiert, dass er nicht weiß, dass außer dem schwäbischen Automobilbauer allein rund tausend weitere deutsche Unternehmen börsennotiert sind. Sie müssen sich also nun für jede deutsche Aktie die Kurse von gestern und vorgestern ansehen, die prozentuale Differenz berechnen und dann einen Durchschnitt bilden, um Ihrem Bekannten dann – vermutlich einige Tage später – mitteilen zu können, dass die deutschen Aktien vor einiger Zeit mal an einem Tag im Mittel um 1,2 Prozent gefallen sind. Unabhängig davon, dass diese punktuelle Aussage zur Vergangenheit eine sehr geringe Halbwertszeit aufweist, wird Ihr Bekannter dann vielleicht einwenden, dass eine derartige Tagesbewegung ihm nicht für eine Beschreibung der Börsenstimmung ausreicht. An diesem Punkt würden Sie wohl vermutlich aufgeben – oder selbst einen Index entwickeln.
Diese Arbeit haben die Index-Anbieter uns Anlegern ja glücklicherweise bereits abgenommen, doch angesichts der Bedeutung von Indizes für den Finanzmarkt erscheint es sinnvoll, sich einmal zu vergegenwärtigen, wie ein solcher Index eigentlich entsteht. Wir wollen hierzu auf ein einfaches Beispiel zurückgreifen und einen Index entwickeln, der die Kursentwicklung der deutschen Automobilhersteller nachzeichnet.
Am Anfang der Indexberechnung steht die Definition der Grundgesamtheit. Im Beispiel ist das recht einfach; mit DaimlerChrysler, BMW, Porsche und Volkswagen weist der Kurszettel vier Autohersteller auf, deren Aktien nun in unseren Index eingehen sollen. Bei einem Index, der den deutschen Aktienmarkt insgesamt widerspiegelt, wäre diese Definition der Grundgesamtheit indes schon deutlich schwieriger geworden – man hätte entweder alle knapp tausend gelisteten Unternehmen berücksichtigen oder geeignete Selektionskriterien finden müssen. Solche Kriterien könnten etwa der Umsatz der Unternehmen, die Börsenbewertung, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Branche oder ein bestimmter Streubesitz-Anteil sein. Die Deutsche Börse wählt für den DAX beispielsweise die 30 Unternehmen mit der höchsten Marktkapitalisierung und den höchsten Börsenumsätzen aus.
Wir wollen allerdings bei unseren vier Werten bleiben und uns nun die Frage stellen, wie diese Aktien zu einem Index zusammengefasst werden können. Eine erste Antwort liefert ein Blick ins Geschichtsbuch: Im Jahre 1828 kam ein gewisser Charles Henry Dow, seines Zeichens Reporter an der New Yorker Wall Street, auf die Idee, jeden Tag die Aktienkurse von zehn Eisenbahngesellschaften und zwei Industrieunternehmen zu addieren und anschließend durch zwölf zu teilen. Weil die Verteilung des Ergebnisses an die zahlreichen Brokerhäuser für einen Einzelnen auf die Dauer zu mühsam wurde, lud Dow seinen Freund Edward Davis Jones zur Mitarbeit ein – und so war der „Dow Jones Industrial Average“ geboren, der bis heute nicht nur Leitindex aller Weltbörsen ist, sondern im Großen und Ganzen immer noch nach dieser Methodik berechnet wird.
Mit dieser grandiosen Referenz im Rücken entwickeln wir auch unseren Automobil-Index als einfachen Mittelwert: Wir suchen für DaimlerChrysler, BMW, Porsche und Volkswagen die Kurse vom Jahresanfang 2001 heraus, addieren die Werte, teilen das Ergebnis anschließend durch vier und erhalten somit den Startwert für unseren Index:
Unternehmen | Kurs am 02.01.01 |
Mittelwert (= Indexstand) | 885,68 |
Da der absolute Wert eines Index keinen Sinn macht, sondern erst durch den Vergleich der Indexstände an unterschiedlichen Stichtagen eine verwertbare Aussage entsteht, entscheiden wir uns natürlich für eine kontinuierliche Berechnung des Index. Ein Jahr nach dem Index-Start, also Anfang 2002, könnte sich folgendes Bild ergeben:
Unternehmen | Kurs am 02.01.02 |
Mittelwert (= Indexstand) | 762,85 |
Wenn man nun die beiden Index-Werte vergleicht, drängt sich die Erkenntnis auf, dass das Jahr 2001 wohl nicht unbedingt das Jahr des Automobils war; von seinem Start bei 885,675 Punkten hat der Auto-Index um 122,825 Punkte oder 13,87 Prozent auf 762,85 Punkte nachgegeben. Um zu belegen, dass der Index die Marktentwicklung richtig nachgezeichnet hat, schauen wir uns die Kursveränderungen der enthaltenen Aktien an – und stellen mit Verwunderung fest, dass der Index trotz des großen historischen Vorbilds Dow Jones scheinbar nicht richtig funktioniert hat: Mit DaimlerChrysler und BMW weisen zwei der vier Index-Bestandteile ansehnliche Kursanstiege von 22,35 bzw. 26,74 Prozent auf, die Volkswagen-Aktie notiert quasi unverändert, lediglich Porsche hat verloren. Insgesamt geht es dem Automobil-Sektor also deutlich besser, als unser Index glauben machen will.
Der Grund dafür, dass der Index derartig danebenliegt, ist die Berechnungsmethode, die ausschließlich auf das absolute Kursniveau abhebt. Veränderungen bei der optisch enorm teuren Porsche-Aktie haben ein ungleich höheres Gewicht als bei den drei anderen Titeln. Um beispielsweise innerhalb des Index einen Kursverlust der Porsche-Aktie von € 100,00 – vom Startniveau aus lächerliche 2,9 Prozent – zu kompensieren, müssen die anderen drei Titel um jeweils € 33,33 steigen, was auf dem niedrigeren Niveau schon einen extremen Zuwachs im Bereich von 60 bis 100 Prozent erfordert. Die Mittelwert-Methode (in der Fachsprache auch Preisgewichtung genannt) funktioniert also nur, wenn die berücksichtigten Aktien in etwa auf dem gleichen absoluten Kursniveau notieren, was bei den im Dow-Jones-Index enthaltenen Aktien zumindest einigermaßen stimmt.
Wir müssen somit unseren Index um den Effekt der absoluten Zahlen bereinigen. Dies geschieht mittels eines so genannten Divisors, der dem Aktienkurs zum Index-Start entspricht:
Nun ist gewährleistet, dass jede Aktie mit dem gleichen Gewicht in den Index eingeht. Und weil die Zahl vier als Basis für einen Index etwas seltsam anmutet, multiplizieren wir nun noch jeden Divisor mit 25, so dass jede Aktie einen Index-Beitrag von 25 Punkten liefert und somit 100 die Ausgangsbasis für den Index darstellt. Die Rechenoperation „Teile Kurs durch Divisor und multipliziere mit 25“ lässt sich gemäß den Gesetzen der Mathematik zu einem einfachen Multiplikationsfaktor zusammenfassen, nämlich zu „25 / Divisor“.
Nun können wir überprüfen, ob der Index hält, was er verspricht. Wir setzen wiederum die (hypothetischen) Kurse für den 2. Januar 2002 ein, multiplizieren...