Interkulturalität beschreibt Unterschiedlichkeiten zwischen Individuen, die sich aus der Zugehörigkeit zu verschiedenen Kulturen/Gruppen ergeben. Der Begriff wird mehrdimensional verwendet und verstanden, daher erscheint ein Einblick in die Bedeutungs- und Deutungsmöglichkeiten sinnvoll.
Ausgehend von der Annahme, dass verschiedene Gruppen von Menschen als Angehörige verschiedener Kulturen andere Merkmale, Eigenschaften und Verhaltensweisen an den Tag legen, wird interkulturelle Verschiedenheit als Erklärungsmuster für Missverständnisse und Konflikte herangezogen. Demgemäß können durch Vermittlung von Wissen über kulturelle Andersartigkeiten diese Kommunikationsprobleme und daraus folgende Konflikte gelöst bzw. vermieden werden.
Diese Annahme setzt eine grundsätzliche Homogenität aller Kulturen als geschlossene Gebilde voraus und hat zur Folge, dass das Bestehen von Subkulturen innerhalb eines Landes oder einer Kulturregion ausgeschlossen wird. Daher erscheint es wichtig, eindimensionalen (Alltags-)Betrachtungsweisen des Begriffes kritisch gegenüberzustehen (vgl. Yousefi/Braun 2001, S. 27).
„Interkulturalität ist der Name einer Theorie und Praxis, die sich mit dem historischen und gegenwärtigen Verhältnis aller Kulturen und Menschen als deren Träger auf der Grundlage ihrer völligen Gleichwertigkeit beschäftigt. Sie ist eine wissenschaftliche Disziplin, sofern sie diese Theorie und Praxis methodisch untersucht.“(Yousefi/Braun 2011, S. 29)
Die kontrovers geführten Diskussionen um Interkulturalität lassen sich im Wesentlichen in vier verschiedene Richtungen unterteilen.
Die Kritiker/Kritikerinnen oder Widersacher/Widersacherinnen der Interkulturalität gehen davon aus, diese gebrauche einen totalitätsorientierten Kulturbegriff, der Kulturen als eigenständige Universen versteht, die ohne Bezug zueinander nebeneinander stehen (vgl. Yousefi/Braun 2011, S. 102 - 103).
Die Befürworter/Befürworterinnen der Interkulturalität gehen von einer sowohl theoretischen als auch praktischen Anerkennung der „jeweils Anderen aus, die alles erlaubt und jede Denk- und Verhaltensform akzeptiert“ (Yousefi/Braun 2011, S. 103). Ausgehend von der Annahme es sei förderlich, wenn Menschen von einer Überzeugung und Einstellung zur nächsten übergehen, um den Anderen gegenüber Offenheit zu zeigen, entstehen Ideen wie die des Theologen Paul Knitters (vgl. hierzu Knitter 1988, S. o. A.), der eine temporäre Konvertierung in andere Glaubenssysteme vorschlägt.
Eine mögliche Gefahr solcher Konzepte ist es, Beliebigkeit und Relativismus zu fördern und zu Identitätsverlust und kultureller Heimatlosigkeit zu führen (vgl. Yousefi/Braun 2011, S. 103).
Vertreter/Vertreterinnen der vereinnahmenden Interkulturalität binden diesen Begriff und ihre Begründung ausschließlich in einer bestimmten Tradition, meist einer Tradition europäischer Prägung. Aus dieser Prägung heraus wird das Eigene und das Andere sowie ihre Beziehung zueinander definiert. Damit wird praktisch der Ausschluss weiterer interkultureller Konzepte praktiziert (vgl. Yousefi/Braun 2011, S. 103).
Die vierte Variante vertreten Forscher/Forscherinnen, die eine reflektierte Umgangsweise mit Interkulturalität anstreben. Verschiedene Vertreter/Vertreterinnen beschäftigen sich mit Teilbereichen der Interkulturalität aus einem multiperspektivischen Blickwinkel. Veröffentlicht wurde u .a eine Reihe von Forschungen zur interkulturellen Kommunikation. Häufig geht es darum zu zeigen, unter welchen Voraussetzungen interkulturelle Beziehungen funktionieren können (vgl. Yousefi/Braun 2011, S. 104).
Die schulpädagogische Auseinandersetzung mit Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund beginnt in den späten 1960er bzw. frühen 1970er Jahren. Bedingt wird diese Auseinandersetzung durch die, auf Grund der Arbeitsmigration, deutlich gestiegene Zahl der Kinder mit Migrationshintergrund an den österreichischen Schulen. Lehrer und Lehrerinnen stehen vor neuen Herausforderungen und sind mit der Situation meist überfordert, während inländische Eltern mit Ängsten reagieren und den Schulerfolg ihrer Kinder durch die Anwesenheit der „ausländischen“ Kinder gefährdet sehen (vgl. Mecheril 2004, S. 84 zit. n. Robbe 2009, S. 39). Als pädagogische Reaktion auf diese Arbeitsmigration werden neue Konzepte erstellt sowie neue Arbeitsansätze und Strategien überlegt. Diese sind heute unter dem Begriff Ausländerpädagogik bekannt. Adressaten und Adressatinnen dieser Pädagogik sind die Kinder mit Migrationshintergrund mit ihren sprachlichen und kulturellen Defiziten. Damit sich die Kinder und Jugendlichen in ausreichendem Maß am Unterricht bzw. an den Bildungsangeboten beteiligen können, gilt es, diese Defizite mit Hilfe von pädagogischen Maßnahmen auszugleichen (vgl. Robbe 2009, S. 39 - 40).
„In den 1980er Jahren beginnt eine intensive kritische Auseinandersetzung mit der Ausländerpädagogik. Es kommt zur Einsicht, dass es sich bei den Schülern [sic!] mit Migrationshintergrund um keine vorübergehende Erscheinung handelt, sondern dass sie ein bleibender Bestandteil des schulischen Bildungssystems sind (vgl. Mecheril 2004:85) [sic!]. Zudem wird erkannt, dass die interkulturelle Problematik nicht an eine spezifische Zielgruppe und auch nicht allein an die Migration gebunden werden kann (vgl. Krüger-Potratz 2005:14) [sic!].“ (Robbe 2009, S. 40)
Die neue Auseinandersetzung mit der Thematik führt zu einer neuen Perspektive im Bereich der Pädagogik. Unterschiede werden nicht mehr nur als Defizite wahrgenommen, sondern als Differenzen verstanden, die es anzuerkennen gilt, anstelle der Assimilationsgedanken ist nun von Begegnungen und Prozessen des gegenseitigen Verstehens die Rede (vgl. Mecheril 2004, S. 92 zit. n. Robbe 2009, S. 34).
Im Gegensatz zur Ausländerpädagogik richtet sich Interkulturelle Pädagogik an alle Menschen, das heißt sie richtet sich nicht speziell an Menschen mit Migrationshintergrund.
„Ziel ist die kritische Überprüfung und Veränderung von Deutungsmustern, Einstellungen und Haltungen und zwar sowohl auf Seiten der Majorität als auch auf Seiten der Minorität. Die Kompetenz sowie deren Erwerb, eigene Sichtweisen zu hinterfragen und ggf. zu relativieren oder auch ändern zu können, gehört zum Inhalt Interkultureller Pädagogik und ist in allen Bildungseinrichtungen relevant (nicht nur in denen mit einer hohen Anzahl von Schülern [sic!] mit Migrationshintergrund).“ (Krüger-Potratz 2005, S. 31 zit. n. Robbe 2009; S. 41)
Interkulturelle Pädagogik ist geprägt durch Multikulturalität und Selbstverständlichkeit der Zuwanderung und wird als durchgängiges pädagogisches Prinzip verstanden. Das Setzen von punktuellen Aktionen, wie zum Beispiel Schulfeste mit Musik, Essen und Tänzen aus anderen Ländern, macht noch keine interkulturelle pädagogische Arbeit aus. Bedürfnisse, Gewohnheiten, Werte, Rituale usw. von einheimischen und zugewanderten Familien sind im pädagogischen Alltag mitzudenken. Das kann sich in vielfältigen Bereichen wie Sprachförderung, Sexualpädagogik, Religion, Soziales Lernen usw. zeigen. Adressaten und Adressatinnen der interkulturellen Pädagogik sind hier aufgewachsene, hier geborene und hierher zugewanderte Schüler und Schülerinnen, unabhängig von ihrer Nationalität, ihrer Religion, ihrem Herkunftsland usw. (vgl. Schlösser 2004, S. 10 - 11).
In der Soziologie bezeichnet der Begriff Migration eine Form der horizontalen Mobilität und ist im weitesten Sinne jeder längerfristige Wohnortwechsel eines Menschen. Migration bedeutet nicht nur, seine Heimat beziehungsweise sein Geburtsland zu verlassen, sondern auch vertraute und stützende Systeme hinter sich zu lassen und sich in neue hineinzufinden. Mit dem Begriff Migration im klassischen Sinn ist meist gemeint, dass Menschen ein Land verlassen und sich in einem anderen Land dauerhaft niederzulassen. Die Brücken zum Herkunftsland werden manchmal, aber nicht immer abgebrochen. Meist besteht ein Kontakt zur alten Heimat, zu Verwandten oder Freunden. Dieser Kontakt ermöglicht nicht nur die Erhaltung von Beziehungen, sondern auch das Pflegen von alten Traditionen (vgl. Düvell 2006, S. 27; Braunschmidt 2011, S. 11).
„Im Zuge der Migration werden Migranten und Migrantinnen meistens mit einer neuen Landessprache konfrontiert, deren Aneignung notwendig ist, um sich in die Gesellschaft eingliedern zu können.“ (Braunschmidt 2011, S. 11)
Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund sowie deren Eltern sind eine heterogene Gruppe, der Begriff Migrationshintergrund wird an unterschiedlichen Merkmalen festgemacht, wie zum Beispiel an einer anderen Staatsbürgerschaft als der österreichischen Staatsbürgerschaft oder an einem anderen Geburtsland als...