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Interkulturelle Elternarbeit in Bildungseinrichtungen: Herausforderungen in der Kooperation von Schulen und Eltern mit Migrationshintergrund

AutorDoris Geissler
VerlagDiplomica Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl79 Seiten
ISBN9783842840003
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Familien, die sich in einer neuen Umgebung, in einem neuen Land zurechtfinden müssen, stehen u. a. vor sozialen, ökonomischen und kulturellen Herausforderungen. Sehr häufig werden zum Beispiel bei Behördenkontakten oder im Kontakt mit den Schulen ihrer Kinder ihre Defizite wie mangelnde Sprachkenntnisse in den Betrachtungsmittelpunkt gestellt. Dazu kommt, dass Eltern mit Migrationshintergrund u.a. auf Grund ihrer eigenen Bildungsbiografien andere Vorstellungen von Bildungseinrichtungen haben können bzw. die Erwartungen des österreichischen Schulsystems an Eltern nicht erkennen oder verstehen. Die genannten Aspekte stellen nur einen Bruchteil der möglichen Schwierigkeiten in der Kooperation von Eltern mit Migrationshintergrund und Lehrpersonen dar. Das Buch beschäftigt sich mit Herausforderungen und Besonderheiten der Zusammenarbeit von Lehrern und Lehrerinnen mit Eltern mit Migrationshintergrund. Untersucht werden dabei die Erfahrungen, die Eltern mit Migrationshintergrund in oberösterreichischen Schulen gemacht haben und die Schwierigkeiten und Herausforderungen, vor denen Eltern mit Migrationshintergrund stehen.

Doris Geissler, geb. 1969 in Eisenstadt, ist Mutter von drei Kindern, Dipl. Sozialarbeiterin, Mediatorin und Lehrerin.

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Leseprobe
Textprobe: 5.3, Zusammenarbeit mit Eltern mit Migrationshintergrund: SACHER 2008 setzt sich mit der Forschungslage zum Thema Familien mit Migrationshintergrund und Elternarbeit auseinander. Er hält basierend auf der von ihm durchgeführten Repräsentationsumfrage zur Elternarbeit an 574 bayerischen Schulen (vgl. Sacher 2004; Sacher 2005) und seinen Begleituntersuchungen an elf Schulen 2006 und 2007 folgende Ergebnisse fest: a) Eltern mit Migrationshintergrund machen etwa den gleichen Gebrauch von formellen Kontaktangeboten wie die übrigen Eltern, sie nützen aber seltener informelle Kontaktangebote. Das bedeutet, sie rufen die Lehrkräfte seltener an und beginnen seltener ein Gespräch bei zufälligen Begegnungen. Interessant im Zusammenhang mit der Kontaktaufnahme ist, dass unter den Migranten und Migrantinnen Gruppenkontakte (das bedeutet Kontakte in Gruppen wie Elternabende usw. im Gegensatz zu Einzelkontakten wie Sprechstunden) doppelt so häufig vorkommen wie bei den übrigen Eltern. b) Lehrkräfte kontaktieren Eltern mit Migrationshintergrund nicht wesentlich anders als die übrigen Eltern, sie sprechen sie allerdings seltener bei zufälligen Begegnungen an. Eltern mit Migrationshintergrund werden häufiger zu Dreiergesprächen mit ihrem Kind eingeladen - offensichtlich wird das Kind als Dolmetscher benötigt. c) Themen, die mit Migranten und Migrantinnen besprochen werden, sind überwiegend dieselben, über welche auch mit den übrigen Eltern gesprochen wird, mit einer Ausnahme: Fragen bzgl. der Schullaufbahn werden mit Migranten und Migrantinnen seltener besprochen als mit den übrigen Eltern. d) Migranten und Migrantinnen werden von den Lehrpersonen häufiger als die übrigen Eltern über die Leistungen und das Verhalten ihrer Kinder informiert und die Lehrkräfte erkundigen sich öfter über die Freizeitinteressen, den Medienkonsum, das soziale Umfeld der Kinder und über die zu Hause praktizierte Erziehung. e) Eltern mit Migrationshintergrund sind weniger bereit als die übrigen Eltern, hinsichtlich eines disziplinierten Verhaltens der Kinder und hinsichtlich zu vermittelnder Werte mit Lehrkräften zusammenzuarbeiten, aber sie berichten in der Ausgangserhebung 2006 auch häufiger als die übrigen Eltern von zustande gekommenen Kooperationen hinsichtlich eines disziplinierten Verhaltens, zu vermittelnder Werte und der Strukturierung des Tagesablaufs der Kinder. Hier scheint es den Lehrpersonen zu gelingen, nach anfänglichem Widerstand der Eltern Kooperationen aufzubauen. f) Eltern mit Migrationshintergrund werden von Schulen ebenso oft um Hilfe gebeten wie die übrigen Eltern, die Schulen nehmen aber Hilfsangebote von Eltern mit Migrationshintergrund seltener an. g) Eltern mit Migrationshintergrund fühlen sich stärker allein gelassen als Eltern ohne Migrationshintergrund. Sie sind fast doppelt so oft wie Eltern ohne Migrationshintergrund der Ansicht, dass sich die Eltern der Schule, die ihr Kind besucht, nur für die Anliegen ihrer eigenen Kinder interessieren. h) Eltern mit Migrationshintergrund sind nicht angemessen in den Elternvertretungen repräsentiert. i) Der Kontakt zwischen Eltern mit Migrationshintergrund und Elternvertretungen ist schlechter als der zwischen den übrigen Eltern und den Elternvertretungen. Bezugnehmend auf die Punkte h) und i) ist anzumerken, dass diese Asymmetrie besonders deutlich in Schulen mit geringem Migranten-/Migrantinnenanteil (weniger als ein Drittel der Schüler und Schülerinnen) ausgeprägt ist und dass sie in Schulen mit hohem Anteil von Migranten und Migrantinnen (ein Drittel und mehr Schüler und Schülerinnen) verschwindet (vgl. Sacher 2008, S. 236 - 237). Weiterführend ist festzuhalten, dass Migranten und Migrantinnen wie auch Eltern ohne Migrationshintergrund keine homogene Gruppe bilden. Unterscheidungen können nach vielen Faktoren getroffen werden u. a. nach Integrationswille, Herkunftsland, Kultur, Religion, Aufenthaltsdauer u. v. a. m. Tanja MERKLE und Carsten WIPPERMANN 2008 (siehe Textor 2009, S. 75 - 78) haben in einer qualitativen Studie acht Migrationsmilieus unterschieden und deren Auswirkungen auf das Familienleben und den Erziehungsstil beschrieben: Das religiös-verwurzelte Milieu weist als Charakteristika traditionelle Werte, religiösen Dogmatismus, keine Integrationsbereitschaft und als Herkunftsland meist die Türkei auf. Zur Gestaltung des Familienlebens gehören die Idealisierung der (Groß-) Familie, das 'Aufopfern' für die eigene Familie, ein hoher Wert des 'guten Rufes', in der Regel arrangierte Ehen und eine strenge Sexualmoral. In der Erziehung sind religiöse und moralische Gebote sehr wichtig, die Erziehung ist streng, autoritär und geschlechtsspezifisch ausgerichtet, Söhne sollen eine gute Ausbildung erhalten, Jugendliche entziehen sich oft der Familie. Das traditionelle Gastarbeitermilieu weist als Charakteristika Arbeitsmigranten und Arbeitsmigrantinnen auf, für die die Rückkehr ins Herkunftsland aber oft keine Option mehr ist. Streben nach bescheidenem Wohlstand, ein niedriges Integrationsniveau, aber das Respektieren der deutschen Kultur sind Kennzeichen dieses Milieus. Herkunftsländer sind meist südeuropäische Länder und die Türkei. Die Familie wird als Solidar- und Versorgungsgemeinschaft und als Ort der Harmonie und Geborgenheit gesehen. Ein traditionelles Familienbild (Hierarchie), aber emanzipatorische Impulse bei Frauen, ein hoher Anteil an arrangierten Ehen, jedoch das Bröckeln der strengen Sexualmoral zeichnen dieses Milieu aus. Die Erziehung in diesem Milieu erfolgt weniger streng geschlechtsspezifisch, dennoch werden Mädchen weitaus strenger kontrolliert als Jungen. Weitere Kennzeichen sind die Betonung einer guten Ausbildung und autoritäre Erziehungsleitbilder. Im statusorientierten Milieu werden als Charakteristika Streben nach sozialem Aufstieg, großer Einsatz im Beruf, Streben nach Besitz, Angepasstheit sowie als Herkunftsländer die Ex-Sowjetunion und Kurdistan aufgezählt. Familie und Partnerschaft werden als Schonraum gegenüber dem harten Berufsalltag gesehen. Der Fokus liegt auf der Kernfamilie, die 2. Generation hat moderne Einstellungen zu vorehelichen Sexualkontakten und zur Partnerwahl übernommen. Als Erziehungsziele gelten u. a. Zielstrebigkeit, Denkvermögen, Selbstbewusstsein, gutes Auftreten und 'soft skills'. Ein autoritärer Erziehungsstil ist vorherrschend, der Vater beteiligt sich, trotz tendenziell traditioneller Rollenteilung, an der Erziehung. Wichtige Entscheidungen in der Erziehung treffen beide Eltern, es erfolgt keine geschlechtsspezifische Erziehung bis zur Pubertät. Das entwurzelte Flüchtlingsmilieu weist folgende Charakteristika auf: Diese Menschen sind häufig traumatisiert, materialistisch geprägt und es gibt keine Integrationsperspektive. Das Herkunftsland ist meist Ex-Jugoslawien. Die Kleinfamilie gilt als Notgemeinschaft, während das nostalgische Ideal die Großfamilie ist. Traditionelle Rollenbilder bestimmen dieses Milieu. In der Erziehung werden ethnische und religiöse Werte und traditionelle Rollenleitbilder betont. Deutsche Sitten und Gebräuche werden oft abgelehnt, die Erziehung ist einerseits streng, andererseits werden Kinder materiell verwöhnt. Erziehungsarbeit wird weitgehend durch die Mütter geleistet, Väter entziehen sich oft ihrer familiären Pflichten. Feste Beziehungen sind auch vor der Ehe erlaubt. Das intellektuell-kosmopolitische Milieu ist gekennzeichnet durch hohe Bildung, intellektuelle Interessen, Streben nach Selbstverwirklichung und Weltoffenheit. Herkunftsländer sind oft die Ex-Sowjetunion und die Türkei. Gleichberechtigung und Selbständigkeit von Mann und Frau (beide berufstätig, mit eigenen Bekannten) und das Streben nach einer partnerschaftlichen Rollenaufteilung sind weitere Kennzeichen dieses Milieus. Das Familienleben soll funktionieren, es muss nicht immer harmonisch sein. Die Kinder sollen eine gute Bildung erhalten, sie erfahren vielseitige Förderung (oft Überforderung). Erziehungsziele sind Selbständigkeit, soziale Kompetenz, Selbstbewusstsein und Mehrsprachigkeit. Beide Elternteile bringen sich in der Erziehung der Kinder ein, es werden keine geschlechtsspezifischen Unterschiede gemacht. Das adaptive Integrationsmilieu weist als häufige Herkunftsländer Polen oder die Türkei und Südeuropäer der 2. Generation auf. Kennzeichen sind das Streben nach gesicherten Verhältnissen und sozialer Integration sowie eine bikulturelle Orientierung. Die Familie wird als Lebensmittelpunkt gesehen. Partnerschaften werden gleichberechtigt gelebt. Bei jüngeren Paaren ist freie Wahl des Partners eine Selbstverständlichkeit, während für ältere Paare noch Ehen arrangiert wurden. Die Bildung und die intensive Förderung der Kinder haben einen hohen Stellenwert. Mit dem Kind wird viel Zeit verbracht, es darf mitbestimmen und mitentscheiden. Der Vater beteiligt sich an der Erziehung. Das multikulturelle Performermilieu (Polen oder Ex-Jugoslawen der 2. Generation) kennzeichnet sich durch Leistungsorientierung, Streben nach Erfolg und Wunsch nach intensivem Leben. Ausbildung und Karriere stehen vor dem Wunsch der Familiengründung. Erziehungsziele sind: Selbstentfaltung, Leistungsbereitschaft und Ehrlichkeit. Bildung hat einen hohen Stellenwert. Das hedonistische subkulturelle Milieu beheimatet meist junge Menschen, vor allem Türken oder Kurden und Südeuropäer der 2. Generation, die sich den Erwartungshaltungen der Gesellschaft verweigern. Hier gibt es in der Untersuchung keine aussagekräftigen Daten über die Erziehungsziele. Bei der Aufzählung der Milieus handelt es sich um eine grobe Rasterung der untersuchten Gruppen von Migranten und Migrantinnen, die meiner Meinung nach keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann und darf. Dennoch erscheint mir diese Aufstellung wesentlich, um die Heterogenität der Gruppe Eltern mit Migrationshintergrund zu verdeutlichen. Auf Grund der Vielfalt an Unterscheidungsmerkmalen nach MERKLE und WIPPERMANN 2008 wird klar, dass es nicht nur einen bestimmten Weg geben kann, der zu einer gelingenden Kontaktaufnahme und in weiterer Folge guten Zusammenarbeit mit Eltern mit Migrationshintergrund führt. Das lässt nur folgenden Schluss zu: Lehrpersonen müssen ab dem ersten Elternkontakt bewusst den Aufbau einer individuellen Beziehung zu den Eltern vorantreiben (vgl. Textor 2009, S. 78). Auch ROBBE 2009 weist auf die Verschiedenheit und Vielfalt in den Verhaltensweisen von Eltern mit Migrationshintergrund gegenüber der Schule hin und führt diese u. a. auf das Merkmal Migrationshintergrund zurück (vgl. Robbe 2009, S.32).
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung4
1.1. Zielsetzung der Untersuchung5
1.2. Methoden6
1.3. Gliederung10
2. Bedeutung von Elternarbeit in der Schule12
3. Begriffsdefinitionen13
3.1. Interkulturalität13
3.2. Interkulturalität in der Schule16
3.3. Migration17
3.4. Eltern22
3.5. Elternarbeit und Elternmitarbeit in der Schule22
4. Formen und Settings der Elternarbeit23
4.1. Einzelgespräch26
4.2. Hausbesuch26
4.3. Thematischer Elternabend27
4.4. Elterngruppe28
4.5. Elternnachmittag29
5. Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus29
5.1. Chancen und Möglichkeiten der Zusammenarbeit von Schule und
30
5.2. Herausforderungen und Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit von Schule und Elternhaus31
5.3. Zusammenarbeit mit Eltern mit Migrationshintergrund33
6. Grenzen in der Zusammenarbeit zwischen Schule und
42
7. Darstellung der Ergebnisse der qualitativen Forschung43
7.1 Kontakte und Kommunikation43
7.2. Lernförderung51
7.3. Schullaufbahn- oder Berufsberatung55
7.4. Sprache und Sprachschwierigkeiten58
8. Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse66
9. Resümee69
10. Literatur72

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