Der Begriff der Globalisierung bezeichnet die steigende internationale Verflechtung der Volkswirtschaften auf der ganzen Welt. Unter ökonomischen Gesichtspunkten wird darunter u.a. insbesondere die zunehmende Internationalisierung der Finanz-, Waren- und Dienst-leistungsmärkte verstanden. Im Mittelpunkt des Globalisierungsprozesses stehen die inter-nationalen Finanzmärkte, welche in den vergangenen Jahrzehnten ein rasantes Wachstum erfahren haben. Denn Internationale Kapitalbewegungen werden nun nicht mehr lediglich im Zusammenhang mit dem Warenhandel gesehen, sondern bilden inzwischen einen eigen-ständigen Wirtschaftssektor. So haben in den letzten Jahren die Mobilität des Kapitals und die Instrumentenvielfalt sowie die Rolle der Finanzintermediäre auf den internationalen Finanzmärkten stark zugenommen.[6] Anhand der zahlreichen und heftigen Finanzkrisen der letzten Jahre zeigt sich allerdings auch die gestiegene systemische Fragilität und somit die Gefahr, dass etwaige lokale bzw. nationale Krisen eine globale Reichweite entwickeln können.[7]
In diesem Kapitel sollen daher zunächst die Ursachen der Finanzmarktglobalisierung, die Rolle der Finanzmarktteilnehmer sowie Chancen und Risiken globalisierter Finanzmärkte betrachtet werden, um dann im dritten Kapitel Finanzkrisen näher untersuchen zu können.
Die Globalisierung der Finanzmärkte lässt sich an zahlreichen Faktoren festmachen, wobei nicht nur die Vielzahl der Entwicklungen, sondern auch ihr zeitlich gemeinsames Auftreten für die Globalisierungswellen verantwortlich war. Als die wichtigsten Schrittmacher werden in der Literatur häufig die Deregulierung und Liberalisierung der Finanzmärkte, der technologische Fortschritt sowie Finanzinnovationen genannt, die im Folgenden näher dargestellt werden.
Ein wesentliches Element für die Globalisierung der internationalen Finanzmärkte bildet der Prozess der Deregulierung und Liberalisierung der Finanzmärkte. Den Ausgangspunkt einer sich beschleunigenden Deregulierung der Finanzmärkte stellt der Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems fester Wechselkurse im Jahr 1973 und dem damit verbundenen verstärkten Übergang zu flexiblen Kursen sowie dem Abbau von Kapitalverkehrskontrollen dar. Ziel des im Jahr 1944 in der Stadt Bretton Woods im US-Bundesstaat New Hampshire beschlossenen Abkommens war die umfangreiche Neugestaltung der Weltwirtschaft und Stabilisierung des internationalen Zahlungsverkehrs durch den Aufbau eines neuen Welt-währungssystems. Das Hauptelement des Bretton-Woods-Systems bestand aus festen, an den US-Dollar (USD) gebundenen Wechselkursen und einer festen Parität des Goldes gegenüber. dem USD und zielte auf die reibungslose und von Handelsbarrieren befreite Abwicklung des Welthandels ab.[8] In Kombination des Bretton-Woods-Systems mit einer umfassenden Regulierung der inländischen Finanzinstitute durch die nationalen Behörden, konnten die einzelnen Regierungen die Geldmenge, Liquidität und Zinsgestaltung innerhalb ihrer Staatsgrenzen praktisch vollständig kontrollieren. Für die Dauer der Gültigkeit des Bretton-Woods-Abkommens bestand daher im Wesentlichen eine Aufspaltung in lokale bzw. nationale Finanzmärkte. Während dieser Zeit kam es in den einzelnen Staaten zu unter-schiedlichen Entwicklungen der nationalen Finanzsysteme und Finanzmärkte sowie der nationalen Gesetzgebung und Regulierung. Die Risiken und Erträge von Finanzinvestitionen waren daher vornehmlich von den Bedingungen und Umständen in den einzelnen Ländern abhängig.[9]
Mit dem Scheitern des Systems setzten insbesondere im Wechselkurs- und Zinsbereich hohe Volatilitäten ein, die zum Einen zu höherer Unsicherheit auf den Finanzmärkten führten, zum Anderen aber auch Chancen für die Finanzmarkteilnehmer boten. Banken erkannten das in freien Wechselkursen steckende Gewinnpotenzial. Es folgte ein enormer Anstieg des Devisenhandelsvolumens und des Einsatzes derivativer Finanzinstrumente zur Risiko-begrenzung.[10] Diese fortschreitende weltweite Ausdehnung von Finanztransaktionen wurde in den 1970er und 1980er Jahren durch die von den führenden Wirtschaftsnationen eingeleiteten Deregulierungs- und Liberalisierungsmaßnahmen verstärkt. Die Maßnahmen der einzelnen Länder zielten darauf ab, die heimischen Märkte zu stärken und die Attraktivität für ausländisches Kapital zu erhöhen. So hoben beispielsweise die USA im Jahr 1974 wesentliche Beschränkungen des Kapitalverkehrs, wie die Zinsregulierung, auf.[11] Ausländischen Investoren wurde somit der Zugang zu den nationalen Geld- und Kapitalmärkten erleichtert. Finanzinstitute sahen sich zudem verstärkt einem internationalen Wettbewerb gegenüber.[12] Die Industrieländer haben die Kapitalverkehrskontrollen inzwischen fast vollständig ab-geschafft und auch in den Emerging Markets erfolgte ein massiver Liberalisierungsschub.[13]
Die neuen technologischen Entwicklungen, insbesondere in der Informations- und Kommunikationstechnologie (IuK), bilden die Basis für die ökonomische Globalisierung und haben maßgeblich zu der Veränderung der internationalen Finanzmärkte und zum strukturellen Wandel des Bankgeschäfts beigetragen.[14] „Nowhere has the IT revolution driven change faster than in the banks´ treasury and trading operations.”[15] Auf dieser Grundlage war es möglich, Finanzinnovationen wie Derivate und Verbriefungen sowie Handelsstrategien zu realisieren und immer weiter zu entwickeln. Gleichzeitig führte diese Entwicklung zu immer komplexer werdenden Finanzoperationen, so dass Banken auf eine leistungsfähige Hard- und Software angewiesen sind, die einen Überblick über die eingegangenen Engagements gestatten und in kürzester Zeit dynamische Risikoanalysen durchführen.[16]
Finanztransaktionen sind im Gegensatz zu den übrigen Wirtschaftssektoren durch eine weitgehende Abwesenheit physischer Güter gekennzeichnet. Die auf Finanzmärkten pro-duzierten und gehandelten Güter können als elektronisch übermittelte Nachrichten bezeichnet werden. Mit der Einführung elektronischer Börsen, wie beispielsweise bei der Toronto Stock Exchange im Jahr 1977, konnten Aufträge wesentlich schneller ausgeführt und so pro Zeiteinheit höhere Handelsvolumina umgesetzt werden.[17] Hier ermöglicht die IuK die raumzeitliche Ungebundenheit von Transaktionen, so dass der Austausch von Zertifikaten nicht mehr den physischen Transfer erfordert, sondern überall auf der Welt zu jederzeit digitalisiert und in real-time abgewickelt werden kann.[18] Dies führte zu einer enormen Verringerung der Kommunikations- und Transferkosten im Finanzsystem.[19] Dement-sprechend machen bei internationalen Arbitragetransaktionen die aus der Handelsspanne zu deckenden Transaktionskosten nur noch einen geringen Bruchteil des Transaktionswertes aus. Die Händler verfügen neben modernen Telekommunikationssystemen und Datennetzen auch über globale Informationssysteme, wie Reuters oder Telerate, was die Suche nach erfolgversprechenden Arbitragegelegenheiten erleichtert[20] und zudem die Reaktionsfähigkeit der Marktteilnehmer auf relevante Informationen erhöht.[21] In Folge der verbesserten Informationslage sowie der gesunkenen Transaktionskosten auf den Finanzmärkten, hat die Möglichkeit und Bereitschaft Portfolioumstrukturierungen vorzunehmen und in Finanztitel von bisher wenig beachteten Unternehmen sowie kleinerer Länder zu investieren, deutlich zugenommen.[22] Dies ging mit neuen Erkenntnissen im Bereich des Portfoliomanagements einher. Investoren diversifizieren nun nicht mehr vornehmlich innerhalb von Märkten oder zwischen unterschiedlichen Investmentkategorien, sondern versuchen sich vielmehr gegen die Risiken nationaler Märkte durch Diversifikation ihres Portfolios in internationale Märkte, wie ausländische Aktien oder Anleihen, abzusichern.[23]
Die aus der technologischen Entwicklung resultierende Dynamisierung und weltweite wechselseitige Abhängigkeit des Bankgeschäfts soll aber nicht über die Tatsache hinweg-täuschen, dass „globale Ungleichgewichte sowie technische und psychologische Markt-einflüsse schneller übertragen werden können und sich die Volatilitäts- und Marktliquiditäts-risiken erhöhen.“[24]
Die Bedeutung von Finanzinnovationen wurde in dieser Arbeit bereits im Zusammenhang mit der Deregulierung und Liberalisierung der Finanzmärkte kurz angesprochen. Nach dem Scheitern des Bretton-Woods-Systems wuchs bei vielen Marktteilnehmern aufgrund hoher Wechselkurs- und Zinsvolatilitäten das Bedürfnis, sich gegenüber Preisschwankungen abzusichern. Dies führte zu einer steigenden Nachfrage nach Produkten, die dem Umgang mit zunehmend dynamischen und volatilen Märkten dienten. Hier sind vor allem derivative Finanzprodukte, wie Termingeschäfte...