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E-Book

Internationalisierung der Curricula

VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783746086712
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis30,99 EUR
Das Heft richtet sich an Forschende aus der Hochschuldidaktik, Hochschulforschung, den Bildungswissenschaften sowie der Diversitätsforschung, den Cultural Studies, der Interkulturellen Germanistik und der Interkulturellen Pädagogik. Adressiert sind außerdem Hochschulangehörige, die an der Entwicklung von Curricula oder der Internationalisierung im Allgemeinen beteiligt sind, sowie Lehrende und Studiengangskoordinatorinnen und -koordinatoren. Der Themenschwerpunkt soll die Herausforderungen und Möglichkeiten erkunden, die die Internationalisierung der Curricula im deutschsprachigen Hochschulkontext insbesondere mit Blick auf die unterschiedlichen Disziplinen und Wissenschaftstraditionen mit sich bringt. Es werden daher sowohl theoriebildende Beiträge als auch Arbeiten, deren Fokus in der Überprüfung und Anwendung von Theorien und Modellen liegt, sowie Studien zur Wirksamkeit akzeptiert. Das Heft soll zwei Perspektiven miteinander verbinden: Zum einen sollen theoriegeleitete Berichte aus der Praxis Einblicke in die pädagogisch-didaktische und technische bzw. organisatorische Gestaltung erprobter Internationalisierungskonzepte und deren curriculare Verankerung bieten. Zum anderen sollen Arbeiten die konzeptionellen Ausgangspunkte der curricularen Einbindung globaler Perspektiven und interkultureller Kompetenzvermittlung diskutieren. So soll ein verstärkter wissenschaftlicher Austausch über das Thema initiiert werden.

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Leseprobe

Britta BRESER4 (Graz)


Demokratie-Vermittlung global denken:
Wie lassen sich transnationale Demokratie-Kompetenzen anbahnen?


Zusammenfassung

Jahrzehntelang bezog sich die gesellschaftliche Bildung in Österreich fast ausschließlich auf das nationale Politiksystem. Durch die aktuellen curricularen Veränderungen in der Lehrer/innenbildung wird nun eine Internationalisierung sichtbar: „Global Citizenship Education“ oder „Politische Bildung im globalen Kontext“ haben als selbständige Lehrveranstaltungen oder fächerübergreifende Querschnittsmaterien Eingang in den Fächerkanon auf Universitäten- und Hochschulebene gefunden.

Doch wie sollen Demokratie-Kompetenzen für Studierende im Kontext globaler Vernetzung angebahnt werden? Der vorliegende Beitrag diskutiert Herausforderungen für Lehrende in der Lehrer/innenbildung, die aktuelle grenzüberschreitende Entwicklungen ernst nimmt.

Schlüsselwörter

Lehrer/innenbildung, Globalisierung und Internationalisierung, politische und gesellschaftliche Bildung, Demokratie-Vermittlung, transnationale Demokratie-Kompetenzen

Democracy education with a global perspective: How should
transnational democratic competencies be developed?

Abstract

For decades, societal education in Austria concentrated almost exclusively on the national political system. However, the current changes to the teacher training curriculum show a trend towards internationalization. “Global Citizenship Education” or “Political Education in the Global Context” have become standalone courses or interdisciplinary entryways into both university and other tertiary level curricula. But how should the process of developing student competencies for democracy be initiated in the context of global interconnection? This paper discusses challenges instructors in teacher training programs face in confronting these transnational developments.

Keywords

Teacher training, globalization and internationalization, political and societal education, democratic education, transnational democratic competencies

1 Einleitung: Politische Bildung überschreitet nationale Grenzen


Politische Bildung5 ist im österreichischen tertiären Bildungswesen vor allem im Lehramtsstudium „Geschichte, Sozialkunde und Politische Bildung“ für die Sekundarstufe verankert. Wenn auch selten als „Politische Bildung“ oder „Citizenship Education“ deklariert, finden sich deren Inhalts- und Zielbereiche mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen auch in anderen Lehramtsstudien – vor allem in den Geisteswissenschaften und im Lehramtsstudium „Geographie und Wirtschaftskunde“. Im Lehramtsstudium für die Primarstufe kommen Inhalte zur Politischen Bildung vorrangig in Lehrveranstaltungen zu bildungswissenschaftlichen Grundlagen, zum Sachunterricht oder im Bereich der Inklusiven Pädagogik vor. Obwohl die Politische Bildung in Österreich seit 1978 als fächerübergreifendes Unterrichtsprinzip für alle Schulformen, Schulstufen und Unterrichtsgegenstände gilt, sind diesbezüglich verpflichtende Ausbildungsmodule für Studierende aller Lehrämter nicht vorgesehen. Allerdings werden an einigen Universitäten und Hochschulen Postgraduate-Lehrgänge zur Politischen Bildung angeboten.

Auch wenn die globale Dimension im österreichischen „Grundsatzerlass“ zur Politischen Bildung von 1978 (ÖSTERREICHISCHES BUNDESMINISTERIUM FÜR UNTERRICHT UND KUNST, 1978) erstmals berücksichtigt wurde, bezog sich die Politikdidaktik auf Universitäten- und Hochschulebene jahrzehntelang fast ausschließlich auf das nationale Politik- und Gesellschaftssystem. Seit den 1990er Jahren wurden im deutschen Sprachraum zwar vermehrt Bildungsansätze zu globalen Fragen aus verschiedenen Blickpunkten bearbeitet (OVERWIEN & RATHENOW, 2009, S. 12). Unterschiedliche inhaltliche Anregungen fanden sich diesbezüglich in entwicklungspolitischen, friedenspädagogischen, ökopädagogischen, interkulturellen Zugängen sowie in der Menschenrechte-Bildung (DIENDORFER et al., 2015). Ihr Niederschlag kennzeichnete sich mitunter durch diffuse Begriffsverwendungen sowie zum Teil einseitige statt kontroversielle Betrachtungsweisen globaler Entgrenzungsprozesse (GRANDITS, 2003, S.10).

Die Reform der Curricula im Zuge der neuen Lehrer/innenbildung in Österreich seit 2015 stärkt nun die Internationalisierung der Politischen Bildung und macht deutlich, dass Politik und Gesellschaft auch über nationalstaatliche Grenzen hinaus gedacht werden müssen. Auf Grundlage des überarbeiteten „Unterrichtsprinzips für die Politische Bildung“ (ÖSTERREICHISCHES BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG, 2015) als Leitlinie haben die neuen Curricula in den vier österreichischen Entwicklungsverbünden Schwerpunkt-Verlagerungen politischgesellschaftlicher Lehrveranstaltungen von der nationalen auf die transnationale Ebene vorgenommen. Speziell im angelsächsischen Bildungssystem, in dem der Begriff „Global Education“ bereits früher entwickelt war, hat man Impulse gefunden (OVERWIEN & RATHENOW, 2009, S. 12):

  • Eigenständige Lehrveranstaltungen mit den Bezeichnungen „Politische Bildung im globalen Kontext“, „Bildung für nachhaltige Entwicklung und globales Lernen“ oder „Global Citizenship Education“ wurden sowohl in Lehramtsstudien für den Primar- als auch den Sekundarbereich eingeführt (BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG, 2017a).
  • Querschnittsmaterien, die in Lehrveranstaltungsmodulen als übergreifende inhaltliche Bezugspunkte behandelt werden sollen, umfassen ebenfalls politisch-gesellschaftliche Themenfelder – z. B. „Global Citizenship Education“, „Diversität“, „Inklusion“, „Digitale Medien“ (BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG, 2017a).
  • Ein Master-Universitätslehrgang „Global Citizenship Education“ (sechs Semester) sowie zwei Hochschul-Lehrgänge „Globales Lernen – Pädagogik für WeltbürgerInnen“ (drei Semester) bzw. „(Hochschul-)Didaktik Global Citizenship Education. Politische Bildung für die Weltgesellschaft“ (vier Semester) wurden als Fort- und Weiterbildung implementiert (BUNDESMINISTERIUM FÜR BILDUNG, 2017b).

2 Aktuelle Bestandsaufnahme: Demokratie-
Vermittlung im Kontext von Globalisierung


Was Weidenfeld als demokratische „Krisenkomplexe“ globalisierter Gesellschaften aufgrund transnationaler Entgrenzungsprozesse beschreibt, zeigt sich europaweit gerade in eklatanter Weise: Migrationsbewegungen, EU-Austrittsbegehren, Brexit-Verhandlungen, umstrittene transnationale Konzerne und internationale Handelsverträge führen vor Augen, dass politische Probleme unübersichtlicher werden, Abhängigkeiten größer, Handlungsspielräume enger, das Vertrauen in die politische Handlungsfähigkeit abnimmt und die Distanz zu demokratischen Institutionen wächst (WEIDENFELD, 1996, S. 10). Transnationale Zusammenarbeit macht die Grenzen demokratischer Prozesse in ihren bekannten historischen Formen der Nationalstaaten deutlich. Die Internationalisierung von Politik stellt bisher als selbstverständlich vorausgesetzte Systembedingungen von Demokratie – „ihre Stabilisierung und Entfaltung in einem staatlich fixierten territorialen und gemeinschaftsbildenden wie gemeinschaftsprägenden Rahmen“ (MASSING, 2009, S. 29) in Frage. Die Schwächen repräsentativer Demokratie in einer global vernetzten Gesellschaft führen zu Unzufriedenheit hinsichtlich demokratischer Institutionen. Traditionelle Formen politischer Beteiligung verlieren an Zustimmung (EUROSTAT, 2015), neue Optionen demokratischer Mitbestimmung sind im Entstehen.

In einem demokratisch-liberalen Gemeinwesen zählt Demokratie-Vermittlung zu den Kernaufgaben eines Bildungssystems, es gilt deshalb auf diese Entwicklungen zu reagieren. Fokussiert man die österreichischen Curricula auf Universitäts- und Hochschulebene, so ist festzuhalten, dass eine wesentliche Komponente politischgesellschaftlicher Bildung in einem global vernetzten Gemeinwesen – die transnationale Demokratie-Vermittlung – bislang unterbelichtet bleibt. Zwar wird die Entwicklung von Kompetenzen zur gesellschaftlichen Teilhabe, zur Mitgestaltung und Mitverantwortung in der globalen Gesellschaft hervorgestrichen. Dass sich die Vermittlung demokratischer Mitgestaltung an die Bedingungen entgrenzter Nationalstaaten anpassen und somit auch neu ausrichten muss, wird jedoch nur unzureichend deutlich gemacht.

Doch wie soll Demokratie-Vermittlung gestaltet werden, um auf grenzüberschreitende Entscheidungsprozesse zu reagieren? Welches Wissen und welche Kompetenzen braucht es, damit Studierende auch in global immer unübersichtlicher werdenden politischen Konstellationen demokratische Handlungsspielräume einnehmen und diese auch weitergeben können?

Diese Fragen ziehen deutliche Veränderungen in...

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