KAPITEL 1: HUNDERT ARTEN VON HOLZ
Am Wald, da scheiden sich die Geister. Wie bewirtschaftet man ihn am besten, damit er immer wieder nachwächst und ein zuverlässiger Holzlieferant bleibt? Welche Maßnahmen verhindern das illegale Abholzen der tropischen Regenwälder am wirkungsvollsten? Und wie lässt sich berechnen, welche Bäume voraussichtlich welche Gewinne erzielen werden? Auch wenn Experten ausführlich und durchaus gegensätzlich darüber diskutieren – in einem Punkt sind sich alle einig: Holz hat eine große Zukunft als Anlageklasse.
Erst haben die Stiftungen von US-Eliteuniversitäten damit begonnen, Waldinvestments in ihre Portfolios aufzunehmen, dann skandinavische Pensionskassen und schließlich kirchliche Vermögensverwalter.1 Noch vor zehn Jahren interessierten sich eher institutionelle und vermögende Anleger für Holz, heute entdecken aber auch immer mehr private Investoren diese Anlageklasse für sich.
Aus gutem Grund. Im Gegensatz zu anderen Rohstoffen wächst das Holz im Lauf der Jahre stetig weiter, legt also von selbst an Volumen zu. Daneben wächst auch die Nachfrage nach Holz, und das sogar überproportional zur Erdbevölkerung. Denn nicht nur die Erdbevölkerung und damit die Zahl der Holznutzer nimmt zu, sondern auch der Prokopfverbrauch steigt, man kann also von einem doppelten Nachfrageeffekt sprechen. Zudem ist Holz als Rohstoff klimaneutral, denn bei seiner Verbrennung oder Zersetzung am Ende der Nutzungszeit wird nur so viel CO2 freigesetzt, wie der Baum bei seinem Wachstum gebunden hat. Das alles macht Holz so sympathisch, auch für Anleger.
Allerdings unterscheiden sich die Holzarten in ihren Eigenschaften ebenso voneinander wie die Bäume in ihrem Aussehen. Weltweit werden einige Hundert Holzarten genutzt, und jede hat andere Eigenschaften, andere Vor- und Nachteile. Sie variieren in Farbe oder Musterung, im Wachstumsverhalten, in ihrer Widerstandsfähigkeit gegen das Wetter, Schädlinge und Feuer, in ihrer Elastizität oder sogar in ihrer Akustik. Manche Hölzer sind eine Zeit lang in Mode, andere echte Dauerbrenner. Aber das Wichtigste: Nicht jedes Holz eignet sich für eine Geldanlage.
Wer sein Portfolio mit einem Holzinvestment diversifizieren möchte, sollte sich die Grundbestandteile seiner Anlage genau ansehen – die Bäume. Und um besser beurteilen zu können, welche Hölzer mehr Zukunft haben als andere, lohnt sich ein Blick auf den aktuellen Stellenwert, die außergewöhnliche Entwicklung und die Beschaffenheit dieses wertvollen Rohstoffs.
Holz ist einer der ältesten und wichtigsten Roh- und Werkstoffe der Menschheit und aus unserer Entwicklung nicht wegzudenken. Im Gegensatz zu den meisten anderen Rohstoffen fand Holz immer dann, wenn ein alternativer Werkstoff es zu verdrängen drohte, eine neue Nische oder einen neuen Einsatzbereich. Holz hat bisher noch jeden Konkurrenten überlebt.
Aktuell liegt Holz in den Rohstoffrankings bezüglich des weltweiten jährlichen Handelsvolumens direkt hinter Erdöl und Gas auf Platz drei. Die jährliche Produktionsmenge von Holz übersteigt die von Stahl, Aluminium und sogar von Zement. Dabei entwickelte sich der globale Holzverbrauch in den letzten Jahrzehnten dynamisch. Zwar gehen die Waldflächen weltweit zurück, US-Forscher und Googlemitarbeiter haben mithilfe von mehr als 650.000 Satellitenbildern belegt, dass vor allem in den Tropen massenhaft ursprüngliche Natur verschwindet.2 Doch die Holzproduktion nimmt stetig zu: Seit den 60er-Jahren stieg die Verarbeitung von Rohholz um über 40 Prozent.3
Seit den 60er Jahren ist auch der Rundholzverbrauch stark und stetig gestiegen.
Quelle: FAO
Dass die Weltbevölkerung weiter wachsen wird, steht außer Frage. Folglich wird auch die Nachfrage nach Holz weiter zulegen. Und der steigende Lebensstandard in den aufstrebenden Ländern Asiens erhöht sie noch einmal. Die Food and Agricultural Organization (FAO) schätzt, dass allein der Holzverbrauch Chinas bis zum Jahr 2050 um mehr als 50 Prozent wachsen wird.4 Die britische Zeitschrift Money Week prognostizierte bereits 2007, dass allein durch die Zunahme der städtischen Bevölkerung in China (von 530 Millionen im Jahr 2007 auf 875 Millionen im Jahr 2030) innerhalb von 20 Jahren umgerechnet 50 Städte der Größe Londons neu gebaut werden müssen.5 Diese Zahlen wurden jetzt noch übertroffen von der »The Economist Intelligence Unit«, einem in London ansässigen Thinktank. Demnach werde Chinas Urbanisierungsrate bis zum Jahr 2030 auf 67 Prozent steigen, was rund 940 Millionen Menschen in Städten entspricht, heißt es in einem im März 2014 veröffentlichten Bericht.6
Das Wirtschaftswachstum einer Region entscheidet darüber, wie bedeutend sie als Handelsplatz für Holz ist. Da in China die Wirtschaft und in anderen asiatischen Ländern darüber hinaus auch die Bevölkerungszahlen derzeit am stärksten wachsen, befinden sich hier auch die größten Märkte für Holz. Ebenfalls über dem Durchschnitt liegen Afrika, der Mittlere Osten, Osteuropa und Lateinamerika. Ozeanien, Nordamerika, Westeuropa und Japan wachsen dagegen eher langsam, hier ist der Markt entsprechend kleiner.7
China und das restliche Asien sind die größten Märkte für Holz.
Quelle: Pöyry
Davon abgesehen gewinnt Holz derzeit als regenerativer Energieträger gerade in Westeuropa zunehmend an Bedeutung. Es profitiert sowohl von steigenden Ölpreisen als auch von der Diskussion um den Klimaschutz. Daher heizen immer mehr Menschen auch bei uns mit Holzscheiten, Hackschnitzeln oder Pellets. Wer es sich leisten kann, hat einen Kamin- oder Kachelofen.
Gut die Hälfte der weltweit geschlagenen Holzmenge wird immer noch oder wieder als Brennholz eingesetzt. Für die andere Hälfte haben sich eine ganze Reihe unterschiedlicher Verwendungsarten und damit Märkte im Lauf der Geschichte etabliert – und immer wieder der Entwicklung angepasst.
Exkurs: Holz als Bestandteil aller Zivilisationen Vor sehr langer Zeit, wahrscheinlich vor mehr als zwei Millionen Jahren, kamen unsere Vorfahren auf die Idee, sich das Leben mit einfachen Werkzeugen zu erleichtern. Nach und nach fiel ihnen immer mehr ein, was sich mit herumliegenden Ästen anstellen ließ: Sie nutzten sie als Wurfgeschosse bei der Jagd, als Waffe, als Armverlängerung zum Herunterholen reifer Früchte oder als Baumaterial für einen Unterschlupf. Damit waren sie übrigens nicht die einzigen. Auch Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans kann man dabei beobachten, wie sie Stöcke zum Graben, als Gehhilfe oder als Fliegenklatsche einsetzen. |
Aber der Mensch probierte immer wieder Neues. Man geht davon aus, dass er seine Höhlen mit Holzstangen und Tierhäuten verschloss, einer Technik, die er später zu Stangenzelten weiterentwickelte. Um Bäche zu überqueren, legte er einen Baumstamm von Ufer zu Ufer – den Vorläufer der späteren Brücken. Und irgendwann entdeckte er, dass man mit Holz ein Feuer entfachen und am Brennen halten kann. Was folgte, war eine unvergleichliche Erfolgsgeschichte. Dank Holz und Feuer konnten die Menschen sich wärmen, vielfältigeres und genießbareres Essen zubereiten, Ton brennen und Metall schmelzen. Feuer zu nutzen und zunehmend zu beherrschen, war ein wichtiger Bestandteil aller Zivilisationen auf der ganzen Welt. Ein Umstand, der dazu führte, dass die Nachfrage nach Holz kontinuierlich mit der Weltbevölkerung wuchs. |
Verwendung: Holz ist ein lebenslanger Begleiter des Menschen
Wie viel und wofür Holz in der Geschichte der Menschheit verwendet wurde, hing davon ab, ob große Wälder in der Nähe lagen, welche Bäume zur Verfügung standen und welche klimatischen Bedingungen herrschten. Die hohen Temperaturen und die große Artenvielfalt in den Tropen ermöglichten das Erbauen von Hütten aus Zweigen und Palmen, in kalten Regionen bevorzugte man dagegen Blockbauten.
Wenn Holz den Anforderungen eines Einsatzbereiches schlechter gewachsen war als ein neuer Werkstoff, wurde es ersetzt – so wie jeder andere Rohstoff auch. So wurde es zum Beispiel von Kohle als Energieträger abgelöst sowie von Kunststoffen und Stahl im Hausbau. Doch parallel entstanden immer wieder Neuentwicklungen, die dem Holz zu neuem Aufschwung verhalfen.
So kamen zum Beispiel die sogenannten Holzwerkstoffe auf, die durch das Zerlegen und Wiederzusammenfügen von kleinen Holzstücken mittels Klebstoff oder mineralischen Bindemitteln gefertigt und verstärkt im technischen Bereich eingesetzt werden. Außerdem wurden neue Bauweisen entwickelt, etwa aus Brettstapelelementen. Während Holz als tragendes Konstruktionsmaterial bei Großbauten vollkommen verdrängt wurde, spielt es im Fertighausbau und im Hallenbau heute wieder eine wichtige Rolle. Schöne alte Holzkisten als Transportverpackung sind höchstens noch auf Antikmärkten zu haben, Holzpaletten dagegen sind aus keiner Spedition wegzudenken. Auch Brücken – vor allem für Fußgänger – werden mittlerweile wieder aus Holz gebaut, weil sie einfach gut gefallen. Dieser Trend könnte...