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Investor Sentiment auf Kapitalmärkten

AutorDavid Kitzinger
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl82 Seiten
ISBN9783656388746
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich BWL - Bank, Börse, Versicherung, Note: 2,0, Universität Duisburg-Essen (Mercator School of Management), Sprache: Deutsch, Abstract: Im Fokus dieser Arbeit stehen zwei der empirisch am häufigsten nachgewiesenen Aspekte irrationalen Investorenverhaltens: Unter- sowie Überreaktion auf bestimmte Nachrichten. Bei Unterreaktion messen Investoren den neuen Nachrichten nicht genügend Bedeutung bei, passen ihre Bewertung des betroffenen Wertpapiers also nicht stark genug an. Überreaktion hat hingegen eine zu starke Bewertungsänderung zur Folge. Ausgelöst werden diese Effekte - vereinfacht beschrieben - durch sich häufig abwechselnde gute und schlechte Nachrichten (Unterreaktion) bzw. längere, ununterbrochene Sequenzen guter oder schlechter Nachrichten (Überreaktion). Dieses beschriebene Investor Sentiment, auf Deutsch etwa 'Investorenempfinden', ist 1998 durch Barberis, Shleifer und Vishny in einem Modell umgesetzt worden. Im Verlauf dieser Arbeit wird dieses Modell vorgestellt und untersucht, inwiefern es die empirisch erwiesene Unter- und Überreaktion nachbildet. Dazu werden im zweiten Kapitel zunächst die Grundlagen der klassischen Kapitalmarkttheorie erläutert. Dabei wird deutlich, dass diese häufig vereinfachende Annahmen voraussetzt und bestimmte Sachverhalte vernachlässigt. Dadurch weichen die beschriebenen Modelle vielfach von empirisch beobachteten Zusammenhängen ab. Die im dritten Kapitel erläuterte Behavioral Finance versucht diese Erklärungslücken durch neue Modelle zu schließen. Sie konzentriert sich dabei auf die Abweichungen zwischen tatsächlichem Verhalten der Investoren und dem strikt rationalen Verhalten, welches die klassische Kapitalmarkttheorie unterstellt. Das Investor Sentiment Model nach Barberis/Shleifer/Vishny, wird im vierten Kapitel ausführlich erklärt. Im Rahmen dieser Arbeit erfolgt ebenfalls eine Implementierung des Modells. Diese dient als Grundlage für die Analyse des Modells im fünften Kapitel. Dort wird außerdem eine Bewertung des Modells unter Einbeziehung relevanter Literatur und der in dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnisse vorgenommen. Abgeschlossen wird die Arbeit dann mit einer zusammenfassenden Schlussbemerkung im sechsten Kapitel.

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Leseprobe

3 Behavioral Finance


 

Die Diskrepanz zwischen dem in der klassischen Kapitalmarkttheorie angenommenen Investorenverhalten und dem tatsächlich beobachteten stellt das Thema der Behavioral Finance dar. In diesem Fachgebiet wurden zahlreiche Erklärungen und Modelle entwickelt, die das heutige Verständnis von den Vorgängen an Kapitalmärkten prägen.

 

3.1 Grundlegende Ideen


 

Die im letzten Kapitel aufgezeigten Schwachpunkte der klassischen Kapitalmarktheorie sind häufig auf das irrationale Verhalten von Investoren zurückzuführen. Die Behavioral Finance befasst sich damit, wiederkehrende Muster in diesem Verhalten aufzudecken und zu erklären. Als Wissenschaft kann sie als Schnittmenge zwischen Psychologie, Soziologie und Finanzwirtschaft verstanden werden.[64]

 

Die ersten Aufsätze, die sich mit Themen der Behavioral Finance beschäftigten, erschienen in den USA in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Es waren in den Anfängen hauptsächlich Soziologen und andere Gesellschaftswissenschaftler die auf dem Gebiet der Behavioral Finance tätig waren. Nur wenige Wirtschaftswissenschaftler widmeten ihre Forschung diesem Thema. Als Pioniere gelten vor allem die beiden Israelis Daniel Kahneman und Amos Tversky sowie der US-Amerikaner Richard Thaler.[65]

 

Zu den immer wiederkehrenden Themen der Behavioral Finance gehören neben irrationalem Verhalten insbesondere die Heterogenität von Einschätzungen und Vorlieben der Investoren. Dies führt bei Assetbewertungen einzelner Investoren zu massiven Abweichungen vom Fundamentalwert. In Summe werden diese Verzerrungen als „white noise“ und die irrationalen Investoren als „noise trader“ bezeichnet. Demgegenüber stehen die professionellen Händler und Analysten, welche annähernd rational handeln. Durch den großen Einfluss der noise trader gibt es Arbitragemöglichkeiten für diejenigen Investoren, die die systematischen Abweichungen verstehen und vorhersagen können.[66] Die technische Analyse von Kursverläufen hat ebendies zum Ziel. Im Gegensatz zur Fundamentalanalyse wird dabei nicht versucht, den inneren, fairen Wert eines Assets zu ermitteln, sondern es werden dabei Informationen über die zukünftige Entwicklung aus Kursverläufen und deren Trends extrahiert.[67]

 

3.2 Wichtige Erkenntnisse


 

Im Folgenden werden einzelne Theorien der Behavioral Finance vorgestellt, die wesentliche Fortschritte auf diesem Gebiet darstellten. Dazu zählt die sich mit Nutzenfunktionen beschäftigende Prospect Theory ebenso wie mehrere Ansätze den individuellen Nutzen um nicht monetäre Größen zu erweitern. Auch irrationale Verzerrungen bei der Informationsanalyse durch Vereinfachungsmechanismen des menschlichen Verstandes oder fehlendes statistisches Verständnis sind Gegenstand der Behavioral Finance.

 

3.2.1 Prospect Theory


 

Die angesprochenen Kahneman und Tversky veröffentlichten 1979 unter dem Namen „Prospect Theory“ eine vielbeachtete Arbeit zum Thema Nutzenfunktionen.[68] In empirischen Untersuchungen stellten sie fest, dass die Nutzenfunktionen ihrer Versuchsobjekte S-förmig sind. Das bedeutet, Verluste werden stärker negativ bewertet als betragsmäßig gleiche Gewinne.

 

Auch beobachteten sie, dass bei der Abwägung von Alternativen die Eintrittswahrscheinlichkeiten umgedeutet wurden, um einfacher verarbeitet werden zu können. So werden niedrige Eintrittswahrscheinlichkeiten konsequent überbewertet. Sicherheit, also Optionen mit 100% Eintrittswahrscheinlichkeit, werden überproportional bevorzugt gegenüber Optionen mit demselben Erwartungswert aber inhärenter Unsicherheit.

 

Desweiteren fiel Kahnemann und Tversky bei ihren Forschungen auf, dass die Formulierung des Problems Einfluss auf die bevorzugten Alternativen hat. Durch dieses Verhalten werden systematische Fehler bei der Beurteilung ökonomischer Alternativen gemacht. Als Schluss aus diesen und anderen Erkenntnissen gilt, dass die traditionelle Kapitalmarkttheorie ein normatives Modell sei, die Prospect Theory hingegen deskriptiv.[69] Deswegen ist das Modell des Homo Oeconomicus ungeeignet den durchschnittlichen Investor zu erklären, sondern zeigt eher, wie der beste Investor sich verhalten würde.[70]

 

3.2.2 Beweggründe für Entscheidungen


 

Zur Entscheidungsfindung beziehen Individuen laut der Behavioral Finance nicht nur monetäre Werte ein. Vielfach richten sie ihre Entscheidung danach aus, zukünftiges Bedauern zu minimieren. Dieses als „regret avoidance“ bezeichnete Phänomen besagt, dass die Opportunitätskosten einer Entscheidung eine wichtige Rolle spielen. Dies ist auch ein Grund – neben der S-förmigen Nutzenfunktion – warum Investoren sichere Alternativen gegenüber unsicheren mit etwas höherem Erwartungswert bevorzugen. Sie wollen das Bedauern, die sichere Alternative nicht gewählt zu haben, im Fall, dass die gewählte unsichere Alternative Ergebnisse unterhalb des Erwartungswertes realisiert, vermeiden. Andererseits führt dies auch zu trendverstärkenden Effekten, wenn Investoren in von Medien, Analysten oder Bekannten gepushte Assets investieren. Dabei findet dann keine eingehende Analyse des Assets statt sondern es wird allein investiert um an den vorhergesagten Kursanstiegen zu partizipieren. Die Hauptmotivation stellt wieder die Angst vor dem Bedauern, diese Anstiege zu verpassen, dar.[71]

 

Häufig beziehen Individuen auch vergangene Ausgaben in ihre Entscheidungsfindung mit ein. Solche Kosten werden als „sunk costs“ bezeichnet. Sie sind in der Vergangenheit entstanden und lasen sich daher nicht mehr rückgängig machen. Demnach sind sie für die Gegenwart oder Zukunft betreffende Entscheidungen irrelevant. Ein Beispiel für sunk costs wären Aufwendungen für ein bereits gestartetes Projekt über dessen Zukunft nun entschieden werden soll.[72]

 

Eine weitere Erkenntnis der Behavioral Finance ist, dass Personen in Tests zu monetären Entscheidungssituationen schlechter abschnitten, wenn sie gewisse Anreize bekamen eine möglichst gute Entscheidung zu finden. Schlechter abschneiden bedeutet in diesem Fall, irrationaler zu handeln als Personen ohne Anreize. Die in Folge des erhöhten Anreizes zusätzlich aufgewendete Konzentration auf das Problem, führt demnach nicht zu besseren Entscheidungen, sondern fördert sogar den Hang zu irrationalem Handeln.[73]

 

3.2.3 Selbsttäuschung


 

Im Vorfeld von Entscheidungen begehen Individuen häufig Fehler bei der Informationsverarbeitung. Dies geschieht in Folge von versuchter Komplexitätsrestriktion. Beim „Framing“ geben das Format und die Reihenfolge der aufgenommenen Informationen einen wichtigen Ansatz für die zu treffende Entscheidung. Folgender Versuch verdeutlicht den Framing-Effekt:

 

Studenten werden gebeten eine Strategie zur Bekämpfung einer plötzlich ausgebrochenen Seuche auszuwählen. Voraussichtlich werden 600 Menschen an ihr sterben. Strategie A kann aber sichere 200 Leben retten. Bei Strategie B besteht mit Wahrscheinlichkeit von einem Drittel die Chance alle 600 Leben zu retten, mit Wahrscheinlichkeit von zwei Dritteln müssen aber alle Erkrankten sterben. Eine andere Gruppe von Studenten sollte zwischen Strategie C, sicherer Tod von 400 Menschen, und Strategie D, bei der mit Wahrscheinlichkeit von einem Drittel niemand, mit Wahrscheinlichkeit von zwei Dritteln jedoch alle 600 sterben werden, auswählen.

 

Zwischen den Strategien A und C bzw. B und D besteht jeweils kein inhaltlicher Unterschied. Aufgrund der unterschiedlichen Formulierung entschieden sich in der ersten Gruppe jedoch 72% für Strategie A, in der zweiten Gruppe aber nur 22% für Strategie C.[74]

 

Bei Entscheidungen über die Verwendung ihres Vermögens, bspw. für Investitionen, greifen Individuen häufig auf den Vereinfachungsmechanismus des „Mental Accounting“ zurück. Sie verwalten ihr Vermögen mental in unterschiedlichen Konten, deren Guthaben jeweils für gewisse Zwecke bestimmt ist. Die Einteilung erfolgt dabei nach der Herkunft des Geldes, etwa selbst unter Anstrengung erarbeitet, unverhofft erhalten oder in Verbindung mit einem bestimmten Ausgabezweck zugeflossen. Je nach Konto gilt ein unterschiedliches Verhältnis zu Risiko und Renditeanspruch.[75]

 

Investoren, wie auch andere Individuen, neigen zu übermäßigem Selbstbewusstsein. Sie überschätzen konsequent ihre Fähigkeiten, was vielfach zu irrationalem Handeln führt. Dieser als „Overconfidence“ bekannte Effekt lässt Investoren ihre Einschätzungen über die Wahrscheinlichkeiten von zukünftigen Kursentwicklungen eines Assets und damit dessen Wert, als realistischer ansehen, als sie es - rational betrachtet - sind. Dadurch fühlen sie sich verstärkt zum Handeln aufgefordert. Ihren vermeintlichen Informationsvorsprung in Transaktionen umzusetzen erscheint diesen irrationalen Investoren rentabel. Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass besonders professionelle Kapitalmarktakteure von übermäßigem Selbstbewusstsein betroffen sind.[76]

 

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