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Isabeau de Bavière

Frankreichs Königin aus dem Hause Wittelsbach

AutorKarin Schneider-Ferber
VerlagVerlag Friedrich Pustet
Erscheinungsjahr2018
Reihekleine bayerische biografien 
Seitenanzahl144 Seiten
ISBN9783791761251
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Ein Leben wie ein Roman - bewegt, glanzvoll und tragisch zugleich: 1385 heiratet die 15-jährige Wittelsbacherin Elisabeth von Bayern, Tochter Herzog Stephans III. von Bayern-Ingolstadt, den französischen Thronfolger Karl. Aus Elisabeth wird Königin Isabeau de Bavière. Zwölf Kinder entspringen der Ehe, doch das Glück am prachtvollen Hof in Paris währt nur kurz. Karl VI. erkrankt schwer und wird für regierungsunfähig erklärt. Mit Unterstützung ihres Bruders Ludwig des Bärtigen versucht Isabeau sich zu behaupten, doch sie gerät zwischen die Mühlsteine der Politik. Von ihren Feinden diffamiert und politisch kaltgestellt, stirbt die Wittelsbacherin auf dem französischen Thron 1435. Ihr Ruf ist durch die politische Propaganda ruiniert. Das Zerrbild der intriganten, ehebrecherischen und verräterischen Königin, das die Geschichtsschreibung nachhaltig prägte, wird in dieser Biografie kritisch hinterfragt.

Karin Schneider-Ferber, geb. 1965, lebt als freie Autorin in Berlin. Sie schreibt u. a. für die Zeitschrift G/Geschichte; zahlreiche Publikationen zu historischen Themen.

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Leseprobe

1   Ein märchenhafter Aufstieg: Von Bayern nach Paris


Eine Frau aus gutem Hause: Die Wittelsbacher


Die Chronisten beschreiben Isabeau kurz nach ihrer Ankunft in Frankreich als strahlenden Mittelpunkt der Hofgesellschaft, als charmante, junge Frau von wohlerzogener, ansprechender Jugend, frisch, gutherzig, süß, hübsch gekleidet, gefällig anzusehen, ein kleiner Mund, der wohlgesetzt redet, geschickt im Tanzen und Singen. »Nie sah man von einem zarten Körper solche Macht ausgehen, noch von einem Jugendlichen solche Weisheit wie bei ihr«, wie es der Dichter Othon de Grandson ausdrückte. Auch wenn solche Beschreibungen den zeittypischen Überhöhungen entsprachen, lässt sich aus ihnen ablesen, dass Isabeau die Rolle, die ihr die höfische Gesellschaft als Ehefrau des Königs und erster Dame des Reiches zuwies, in vollem Umfang und zur Befriedigung ihrer Umgebung erfüllte. Als »großmächtige und großgütige Fürstin«, »voll der Ehren und Weisheit«, als die sie die Dichterin Christine de Pisan rühmte, erfüllte sie alle Erwartungen, die man an die »vorbildlichste Dame des Königreiches« stellte. Das war nicht unbedingt selbstverständlich angesichts der Tatsache, dass Isabeau als blutjunges Mädchen von 15 Jahren ohne Französischkenntnisse und weitgehend ohne heimischen Anhang einigermaßen überstürzt nach Frankreich gekommen war.

Als Angehörige des Hauses Wittelsbach gehörte sie zwar einer der angesehensten Familien des Heiligen Römischen Reiches an, die mit Ludwig dem Bayern zwischen 1314 und 1347 und mit Ruprecht von der Pfalz von 1400 bis 1410 eigene Kandidaten auf den römisch-deutschen Königsthron brachten, doch eine Einheirat an den französischen Königshof war dennoch kein »Selbstläufer«. Neben der Wittelsbacherin gab es weitere Bewerberinnen. Zeitgenössische Chronisten berichten, dass Maler im Auftrag des französischen Hofes nicht nur nach Bayern, sondern auch nach Lothringen und Österreich ausschwärmten, um Portraits von Heiratskandidatinnen aufzunehmen. Außerdem waren Bewerberinnen aus Schottland, Kastilien und Lancaster im Gespräch. Dass der französische Hof sehr wählerisch bei der Auswahl der künftigen Königin war, ließ sich auch an dem Verfahren ablesen, gemäß dem die potentielle Braut vor der Eheschließung von älteren Hofdamen auf ihre Gebärfähigkeit hin überprüft wurde – für Herzog Stephan III. von Bayern-Ingolstadt, den Vater Isabeaus, ein einziges Grauen! Er fürchtete die Schande einer Ablehnung. Da er überdies seit dem frühen Tod seiner Frau ein sehr inniges Verhältnis zu seinem jugendlichen Töchterchen pflegte, wollte er sie am liebsten in seiner Nähe verheiratet sehen. Einer ersten Anfrage 1383 erteilte er daher eine Absage.

 

 

Abb. 1:
Der Stammsitz der Wittelsbacher befand sich einst in Oberwittelsbach in der Nähe von Aichach. An Stelle der Burg steht heute die Kirche Maria vom Siege.

 

Die Eltern Isabeaus


Aus den Kindertagen Isabeaus ist wenig bekannt. Ihren Vater, Herzog Stephan III., nannte man wegen seiner aufwändigen Hofhaltung »den Kneißel«, was so viel wie »der Prächtige« oder »der Prachtliebende« heißt. Er war der älteste Sohn Herzog Stephans II, genannt »mit der Hafte«.

 

Eine Dynastie mit vielen Zweigen: Die bayerischen Teilherzogtümer


Die über 700 Jahre andauernde Herrschaft der Wittelsbacher über Bayern begann im Jahr 1180, als Kaiser Friedrich Barbarossa seinen treuen Parteigänger Otto I. von Wittelsbach mit dem Herzogtum Bayern belehnte. Geschickte Heiraten, glückliche Erbgänge und treue Kaiserdienste vermehrten den Besitz ein ums andere Mal – im frühen 13. Jahrhundert konnte die Pfalzgrafschaft bei Rhein erheiratet werden. Auf die Dauer gelang es jedoch nicht, den vergrößerten Machtkomplex in einer Hand zu konzentrieren. Immer wieder gab es Streit unter den erbberechtigten Söhnen, die zu Teilungen des Herzogtums führten. 1255 setzten sich die beiden ungleichen Brüder Ludwig II. und Heinrich XIII. über den Wunsch ihres Vaters, Otto II., des Erlauchten, hinweg, das Land gemeinsam zu regieren, und nahmen folgende Aufteilung vor: Der ältere Ludwig erhielt die Pfalz und Oberbayern, Heinrich Niederbayern. Nach dem Erlöschen der niederbayerischen Linie fiel deren Erbteil 1340 wieder dem oberbayerischen Zweig zu. Ludwig der Bayer, seit 1314 König und seit 1328 Kaiser, durfte sich über diese unverhoffte »Wiedervereinigung« freuen – umso mehr, als er doch gerade erst einige Jahre zuvor im Hausvertrag von Pavia (1329) seinen beiden Neffen die Pfalzgrafschaft bei Rhein sowie die Oberpfalz überlassen hatte, was die endgültige Trennung der Pfalz von Bayern und damit die Entstehung einer zweiten wittelsbachischen Hauslinie bedeutete. Bezüglich der Kurwürde, die mit der Pfalz verbunden war, hatte man sich darauf geeinigt, sie abwechselnd auszuüben, was sich auf Dauer jedoch nicht durchhalten ließ. Die Goldene Bulle, die erste »Verfassungsurkunde« des Reiches (1356), die das Verfahren zur Königswahl regelte, sprach der Pfälzer Linie schließlich die Kurwürde zu.

Nur zwei Jahre nach Ludwigs Tod brach das vergrößerte Wittelsbacher-Imperium unter seinen sechs Söhnen aus zwei Ehen unwiderruflich auseinander: 1349 steckten die Erben im Landsberger Vertrag ihre Interessensphären ab. Ludwig V. bekam zusammen mit seinen Stiefbrüdern Ludwig VI. und Otto V. Oberbayern mit Tirol und der Mark Brandenburg zugesprochen, Stephan II. erhielt mit seinen Stiefbrüdern Wilhelm I. und Albrecht I. Niederbayern und die Grafschaften im Norden. Letztere Erbengruppe teilte im Regensburger Vertrag 1353 ihre Gebiete weiter auf: Stephan II. erhielt den südwestlichen Teil Niederbayerns mit Landshut als Residenz, seine beiden Brüder den nordöstlichen Teil mit Straubing als Residenzstadt sowie die Grafschaften im Hennegau und in Holland, wobei sich Albrecht zunächst in Straubing häuslich niederließ, nach der schweren Erkrankung seines Bruders Wilhelm aber dessen nördliche Herrschaften übernahm und dadurch das Herzogtum Niederbayern-Straubing-Holland schuf.

In der nächsten Generation drohten weitere Zersplitterungen. Stephan II., der nach dem Tod seines Neffen, des Sohns Ludwig V., ab 1363 auch wieder Oberbayern regierte, hatte wiederum drei Söhne, die sich nicht sonderlich zugetan waren. Der älteste von ihnen, Isabeaus Vater Stephan III., der Kneißel, regierte nur bis 1392 gemeinsam mit seinen Brüdern, dann waren die Gemeinsamkeiten aufgebraucht und es kam erneut zur Teilung: Stephan III. erhielt Bayern-Ingolstadt, sein Bruder Friedrich Niederbayern-Landshut und der jüngste, Johann II., Bayern-München.

Zu diesem Zeitpunkt lebte Isabeau längst in Paris. Ohne Frage schwächten die Teilungen, die oft mit heftigen Auseinandersetzungen einhergingen, die Bedeutung des Hauses Wittelsbach im Reich. Erst 1505 fanden nach dem Landshuter Erbfolgekrieg die bayerischen Territorien wieder zusammen. Die Einführung des Primogeniturgesetzes unter Herzog Albrecht IV., das allein dem ältesten Sohn die Erbberechtigung zusprach, verhinderte einen neuerlichen Zerfall des Herzogtums.

 

 

Der »Kneißel« regierte bis zur Landesteilung von 1392 das bayerische Herzogtum gemeinsam mit seinen jüngeren Brüdern Friedrich und Johann. Die Quellen beschreiben ihn als einen »fröhlich Mann« mit einer Leidenschaft für Turniere, Mode, schöne Frauen und üppige Feste. Eine vorteilhafte Heirat kam ihm demnach äußerst gelegen, und so nahm er eine der reichsten Frauen Italiens, Thaddäa Visconti, zur Frau. Deren Vater Bernabò Visconti verfügte als Stadtherr von Mailand nicht nur über eine strategisch äußerst günstig gelegene Herrschaft in der Lombardei, an der niemand, der über die Alpen nach Süden zog, vorbeikam, sondern auch über märchenhafte Reichtümer, die es ihm ermöglichten, sieben seiner Töchter je 100.000 Gulden Mitgift zukommen zu lassen. Die Einnahmen aus dem reichen oberitalienischen Handel machten dies möglich.

Thaddäa gebar ihrem lebenslustigen Mann bald nach der Hochzeit einen Sohn, Ludwig den Bärtigen (geb. um 1368), und Anfang des Jahres 1370 eine Tochter, die auf den Namen Elisabeth getauft wurde. Das Mädchen kam vermutlich in München, im heutigen Alten Hof, zur Welt, doch lassen sich sowohl Geburtsjahr als auch Geburtsort nur aus indirekten Angaben erschließen. Als sie 1383 für eine Heirat in Erwägung gezogen wurde, beschrieb sie ihr Onkel Friedrich als »etwa dreizehn bis vierzehn Jahre alt«, eine Angabe, die andere Quellen bestätigen. Für den Geburtsort München spricht die Tatsache, dass sie in ihrem Testament der dortigen Liebfrauenkirche, in der sie vermutlich getauft wurde, einen großen Teil ihrer Hinterlassenschaft zu vermachen gedachte. Aufgewachsen wird sie wohl an wechselnden Residenzen sein – München, Landshut und Ingolstadt kommen dafür in Frage, denn der herzogliche Hof kannte noch keine feste Ortsbindung.

Das Unglück traf die kleine Familie hart, als Thaddäa mit kaum 30 Jahren am 28. September 1381 starb und ihre Kinder im Alter von elf und knapp 13 Jahren zurücklassen musste. Ludwig und Elisabeth bewahrten ihrer geliebten Mutter zeitlebens ein ehrendes Andenken und stifteten im Erwachsenenalter jährliche Seelenmessen für sie. So gedachte man später auch in Paris der verstorbenen bayerischen Herzogin.

 

 

Abb. 2:
In der Münchner Herzogsresidenz, dem Alten Hof, kam Isabeau im Jahr 1370 vermutlich zur Welt

 

Die verwaiste Herzogstochter erhielt nichtsdestotrotz eine solide Erziehung. Sie lernte Lesen und Schreiben und beherrschte zumindest so viel Latein, dass sie der Messe folgen, Stundenbücher und Heiligenviten lesen konnte. Sie zeigte Interesse an...

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