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Jedes Ich ist viele Teile

Die inneren Selbst-Anteile als Ressource nutzen

AutorJochen Peichl
VerlagKösel
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783641043636
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Wieder ein Ganzes werden
Unser Ich besteht aus vielen Teilen. Vor allem bei traumatisierten Menschen sind einige dieser Teile mit vielfältigem Leid verbunden. Jochen Peichl zeigt, wie die Beschäftigung mit den abgespaltenen Teilen hilft, sich selbst besser zu verstehen, diese Teile wieder zu integrieren und damit Verletzungen der Seele zu lindern.

Dr. med. Jochen Peichl, geboren 1950, ist Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie für Psychotherapeutische Medizin und Psychosomatik. Verschiedene psychotherapeutische Weiterbildungen, u. a. in Ego-State-Therapie. Der Autor vieler Fachbücher und populärer Publikationen für interessierte Laien war bis 2011 Oberarzt für Psychotherapie und Psychosomatik am Klinikum Nürnberg. Heute ist er in eigener Praxis tätig und leitet das Institut für hypno-analytische Teilearbeit und Ego-State-Therapie (InHAT).

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Leseprobe
7 Der Tanz von Gegenwart und Vergangenheit (S. 85-86)

»Was ist Zeit? Wenn mich niemand danach fragt, dann weiß ich es. Wenn ich es jemand auf seine Frage hin erklären soll, dann weiß ich es nicht«, sagte einst der Philosoph und Theologe Augustinus,22 ein Gelehrter der christlichen Spätantike. Viel genauer können das Phänomen »Zeit« auch heutige Naturwissenschaftler kaum beschreiben. Der amerikanische Quantenphysiker John Wheeler sagte einmal: »Die Zeit ist das, was verhindert, dass alles gleichzeitig passiert.« Okay, das ist ja schon mal was …

Machen wir zusammen einen kleinen Versuch. Schließen Sie bitte kurz die Augen, entspannen Sie sich und denken Sie jetzt an ein Kindheitserlebnis vor Ihrem zehnten Lebensjahr, zum Beispiel an Ihre früheste Kindheitserinnerung, Ihren ersten Schultag, Urlaub am Meer mit den Eltern usw. Haben Sie diese Sequenzen vor Augen? Dann denken Sie an ein Erlebnis aus Ihrer Jugendzeit, die Tanzstunde, den ersten Kuss - auch das sollte kein Problem sein. Unser ganzes Leben, zumindest wesentliche Teile davon sind - so scheint es uns - wie in Videosequenzen in unserem Gehirn abgespeichert und stehen auf Abruf zur Verfügung.

Wenn wir an unser vergangenes Leben denken, dann stellen wir uns die Zeit, die bis zu jenem Moment dauerte, als Sie diesen Satz lesen, als eine unendliche Aneinanderreihung von einzelnen Erlebnissen vor - glücklichen und unerfreulichen, klar erinnerten und schemenhaft im Nebel des Vergessens versunkenen. Unser Leben scheint einen Weg zurückgelegt zu haben, wie der Sekundenzeiger unserer Uhr, der ein Zentrum umschreitet, wie eine Zeitlinie, die von links nach rechts läuft, von der Geburt bis heute.

All diese Bilder der Bewegung in der Zeit verdanken ihre Entstehung den Bildmetaphern, die wir benutzen, um uns verrinnende Zeit vorzustellen: das Fotoalbum unserer Kindheit, das unser Leben in Bildern in eine Reihenfolge bringt, das Schreiben auf dem Papier von links nach rechts oder der Lebensroman, der das gelebte Leben in Kapitel einteilt. Dies alles sind Konstruktionen unseres Gehirns, um ein Phänomen bildhaft zu erfassen, was sich eigentlich unserem Verstehen entzieht: die fließende Zeit, mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Gewöhnlich verbinden wir mit der Zeit etwas, das aus der Vergangenheit durch die Gegenwart und darüber hinaus zur Zukunft strömt, und wir nehmen an, dass wir innerhalb dieser Zeit leben.

Bei allem, was wir heute über unser Gehirn wissen, scheint es darin nur Gegenwart zu geben: unser Leben, eine Aneinanderreihung von unendlich vielen Gegenwarten, ein flüchtiger Moment, eingeklemmt zwischen dem, was schon Vergangenheit ist und noch nicht Zukunft. Um mir das vorstellen zu können, muss ich aus der Vergangenheit und der Zukunft jeweils einen kleinen Abschnitt abtrennen und beides zusammenfügen: Das ist der Gegenwartsmoment, und der ist für uns Menschen bis zu drei Sekunden lang. »In diesem Zeitraum können wir Ereignisse unmittelbar zusammenbringen, wie etwa die Folge von Tönen in einer Melodie.

Erhält das Hirn nach drei Sekunden keine neuen Reize, so stellt es sich quasi die Frage: ›Was gibt es eigentlich Neues?‹ - und konstruiert einen neuen Moment der Gegenwart.« (Lublinski 2005) Der Gegenwartsmoment ist das, was wir auch mit dem subjektiven »Jetzt« bezeichnen, wie es der bekannte Säuglingsforscher Daniel N. Stern (2005) einmal ausgedrückt hat. Die Vergangenheit ist bereits vorüber, und die Zukunft existiert noch nicht. Was existiert, ist eben dieser einzige Moment der Gegenwart.
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