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Kapitalfehler

Wie unser Wohlstand vernichtet wird und warum wir ein neues Wirtschaftsdenken brauchen

AutorMarc Friedrich, Matthias Weik
VerlagEichborn AG
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl349 Seiten
ISBN9783732523665
Altersgruppe16 – 
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR

Kriminelle Spekulanten und ahnungslose Politiker haben ein nachhaltiges Wirtschaften verdrängt. Der Mensch ist in den Hintergrund geraten und wir mussten erkennen: Finanzkapitalismus ist schlicht und einfach schlechter Kapitalismus. In ihrem neuen Buch erklären die Bestsellerautoren allgemein verständlich, wie ein vernünftiger Kapitalismus wirklich funktionieren kann und sie scheuen sich nicht Fehlentwicklungen, die verbrecherischen Banken sowie die wahren Abzocker klar zu benennen. Denn nur wenn sich jetzt etwas ändert, können wir unser Geld retten.




Matthias Weik befasst sich seit über zehn Jahren eingehend mit der globalen Wirtschaft und ihren Finanzmärkten. Arbeits- und Studienaufenthalte in Südamerika, Asien und Australien ermöglichten ihm tiefe Einblicke in das Wirtschaftsleben fremder Nationen. Seit mehreren Jahren ist der Querdenker als Berater tätig. Marc Friedrich studierte Internationale Betriebswirtschaftslehre und beschäftigt sich intensiv mit der Wirtschaft und den Finanzmärkten. Während eines Aufenthalts in Argentinien erlebte er 2001 einen Staatsbankrott und dessen verheerende Folgen selbst mit. Gemeinsam mit Matthias Weik hält er Seminare und Fachvorträge bei Unternehmen, Verbänden, an Universitäten und Schulen.

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Leseprobe

»Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.«

Aldous Huxley

1 Antizyklische Kapitalmarktkontrolle
Warum die Marktwirtschaft vor dem Finanzkapitalismus geschützt werden muss


In unseren ersten zwei Büchern – Der größte Raubzug der Geschichte (2012) und Der Crash ist die Lösung (2014) – haben wir uns detailliert mit den Ursachen und Folgen jener Finanzkrise auseinandergesetzt, die 2008 die Weltwirtschaft an den Rand des Abgrunds getrieben hat. Die Folgen dieser Krise wirken bis heute nach, ihre Ursachen sind bis heute weder vollständig verstanden, geschweige denn behoben worden. Wir könnten das auf fortgesetzt bösen Willen bei den Akteuren und auf komplette Unfähigkeit der Politik zurückführen. Und mit derlei Polemik könnten wir bei Vorträgen, auf Podien und in Talkshows sicher auch weiterhin punkten. Zumal wir unverändert davon überzeugt sind, dass nicht nur wir in Deutschland ein massives Elitenproblem haben.

Doch erstens wäre das zu einfach. Es gab (und gibt immer noch!) kriminelle Machenschaften in der Finanzbranche. Aber die Wirtschaft wird nicht von Gangstern beherrscht. Die Politik traut sich an dringend nötige Regulierungen der Finanzmärkte bis heute nicht heran – nicht zuletzt, weil viele Staaten bis an die Halskrause verschuldet und damit abhängig von den Dealern ihrer Anleihen sind. Aber in den Parlamenten, Ministerien und Regierungen sitzen nicht nur willfährige Lobbyisten und wirtschaftspolitische Ignoranten. Ergo: Es muss auch tiefer liegende Ursachen für die verbreitete Ratlosigkeit und Mutlosigkeit in Wirtschaft und Politik geben.

Zweitens wollten wir uns nicht nur im Erfolg unserer Bücher sonnen. Wir haben uns auch Argumente von Kritikern zu Herzen genommen, die uns unter anderem einen Hang zu tagesaktueller Faktensammelwut und oberflächlicher Krisendiagnose, im Gegenzug einen Mangel an vertiefter Krisenanalyse vorgeworfen haben. In diesem Buch gehen wir darum ganz anders vor als in unseren ersten beiden. Grundsätzlicher. Und streckenweise auch etwas theoretischer. Unser Ziel: Möglichst gut lesbar verständlich zu machen, wie die Marktwirtschaft und der Kapitalismus (das ist keineswegs dasselbe!) nicht nur in Einführungsveranstaltungen von VWL-Professoren, sondern tatsächlich funktionieren; wie und warum Marktwirtschaft und Kapitalismus großen Teilen der Menschheit in den letzten 250 Jahren enormen Wohlstand gebracht haben; warum sie aber bis heute daran scheitern, diesen Wohlstand sowohl global als auch nachhaltig fair zu verteilen. Vor allem aber wollten wir selbst genauer verstehen, warum der Kapitalismus periodisch seine Fähigkeit zu technischer und sozialer Innovation, zur Mehrung von Versorgungssicherheit, Alltagskomfort und Lebensqualität, Wohlstand und sozialer Sicherheit verliert – und zu einem System mutiert, in dem nur noch die Interessen von ein paar Dutzend globalen Konzernen, einer immer kleineren Zahl von Superreichen und einer von der Realwirtschaft fast vollständig abgeschotteten Finanzelite zählen.

Zur Gewinnung diesbezüglicher Erkenntnisse widmen wir uns als Erstes einer Frage, die sowohl Anhänger als auch Kritiker des Kapitalismus schon früh beschäftigt hat: Warum kommt es in diesem Wirtschaftssystem regelmäßig zu Krisen? Warum verläuft das Auf und Ab namens ›Konjunktur‹ bisweilen so heftig? Und lassen sich diese Wechselbäder irgendwie mildern oder gar verhindern?

Daran anschließend beschäftigen wir uns recht ausführlich mit einem leider schon sehr viel weniger beachteten Phänomen: jenen »langen Wellen der Konjunktur«, die der Ökonom Joseph Schumpeter in den 1940er-Jahren zu Ehren ihres russischen Entdeckers »Kondratjew-Zyklen« getauft hat. Da diese Zyklen sich meist über zwei Generationen erstrecken, sprengen sie die Zeithorizonte von Tagesgeschäft und Wahlperioden – erst recht in Zeiten, in denen bezahlte Manager anstelle privat haftender Unternehmer alle paar Jahre die Wirtspflanze wechseln und zwischendurch nur noch auf Quartalszahlen und Jahresboni schauen.

Im fünften und sechsten Kapitel versuchen wir die zahllosen Fallstricke von Regulierungen, Lenkungen und Liberalisierungen verschiedener ›Märkte‹ zu entwirren. Indem wir etwa fragen, was eigentlich genau auf welchen Märkten gehandelt wird. Warum auch die moderne Marktwirtschaft in weiten Teilen eine Planwirtschaft ist. Warum einige wichtige Bereiche des gesellschaftlichen Daseins besser gar nicht – oder wenn, dann nur unter sehr genau festgelegten Bedingungen – durch Angebot und Nachfrage geregelt werden sollten. Indem wir höflich nachfragen, ob das Markttreiben wirklich so tief in der Natur des Menschen verwurzelt ist, wie es die Mehrheit der Ökonomen suggeriert. Ob jenes Geld, das ja angeblich die Welt regiert, tatsächlich zur Beförderung von Handel und Wandel ›erfunden‹ wurde. Schließlich: Warum ausgerechnet die ›Finanzmärkte‹ am Ende des Tages die ineffizientesten Märkte sind.

Im Schlusskapitel untersuchen wir, warum Banker und Börsianer in ihren heute kaum noch abzählbaren Kostümen von Kapital, Kredit und Kreditabsicherung von allen ›Wirtschaftssubjekten‹ am schnellsten und am verlässlichsten volkswirtschaftlichen Schaden anrichten. Unsere Kernthese hier: Anders als es die Verfechter unregulierter Finanzmärkte behaupten, sorgen diese gerade nicht dafür, dass Kapital an die volks- oder gar weltwirtschaftlich besten, an die dem allgemeinen Wohlstand förderlichsten Stellen transportiert wird. Denn bei genauerem Hinsehen beobachten die Finanzmärkte die Realwirtschaft kaum. Besser gesagt: An einigen Stellen beobachten sie sie zwar wenigstens noch indirekt – vor allem über die Kurse von Unternehmensanteilen. Doch zu weit über 90 Prozent beobachten die Akteure an den Finanzmärkten sich nur gegenseitig.

Das ist schon deshalb von Übel, weil in kaum einer Herde das Herdenverhalten ausgeprägter ist, als in der kleinen Herde der Anlageakrobaten. Und es ist von Übel, weil die wichtigste Einnahmequelle der dort tätigen Individuen leider nicht Investitionserfolge, ja nicht einmal Arbitragegewinne sind, sondern Prämien und Provisionen. Die aber gibt es nicht nur für erfolgreiches Handeln, sondern viel zu häufig schon für Handeln an sich.

Warnsignale: Krisen ohne Ende


Wie befürchtet, hat sich seit dem Erscheinen unseres zweiten Buches Der Crash ist die Lösung im Mai 2014 nichts nachhaltig in der Finanzwelt zum Besseren gewendet. Ganz im Gegenteil: Warnsignale, wohin man schaut. Die Gesamtsituation eskaliert weiter, und viele unserer damals abgegebenen, oftmals angezweifelten Prognosen sind heute leider bittere Realität. Der Zug rast unvermindert mit Volldampf in Richtung Abgrund. Dass die Geschwindigkeit gedrosselt oder gar die Notbremse gezogen wird, ist nicht in Sicht.

Nach wie vor wird auf globaler Ebene versucht, Schulden mit Schulden zu bezahlen, was weder nachhaltig ist, noch auf Dauer funktioniert. Verzweifelt bekämpfen die Notenbanken die Krise mit historisch niedrigen Zinsen – also mit einer Flut von billigem Geld. Mit dem Ziel, das Geldkarussell am Laufen zu halten, pumpen Staaten und Notenbanken weiterhin Hunderte von Milliarden in ein völlig marodes Finanzsystem. Die Notenbanken, die Brandstifter und Feuerwehr in einem sind, verkennen dabei, dass es gerade die niedrigen Zinsen gewesen sind, die die letzte Krise mit verursacht haben. Durch eine aus dem Ruder gelaufene irrsinnige Notenbankpolitik wurden die Aktienmärkte global enorm aufgebläht. Abermals entstehen durch das viele billige Geld Blasen an den Immobilien-, Aktien- und Anleihenmärkten. Inzwischen sind die Märkte dermaßen abhängig vom billigen Geld, dass sich niemand mehr traut, ihnen die Droge Geld zu entziehen.

Wie krank das Finanzsystem ist, beweist auch ein absurdes Vorkommnis in der Schweiz: Neben fantastischer Natur und erstklassigem Käse haben die Eidgenossen, besser gesagt: die Credit Suisse (CS), die Magie für sich entdeckt. Bekanntlich müssen die Banken seit der Finanzkrise 2008 ihren Eigenkapitalanteil erhöhen. Die CS entschied sich dafür, sich selbst Eigenkapital zu schaffen, und zwar aus dem Nichts. Offenbar frei nach dem Motto: »Wenn wir Geld aus dem Nichts schöpfen können, warum nicht auch Eigenkapital?«. Der Zaubertrick funktionierte folgendermaßen: Die CS vergab an arabische Investoren einen Kredit in Höhe von umgerechnet rund 9 Milliarden Euro. Dafür mussten lediglich zwei Buchungen in der Bilanz vorgenommen werden: Auf der Aktivseite wurde der Betrag als »Forderung« eingestellt, auf der Passivseite wurde eine »Kundeneinlage« in gleicher Höhe verbucht. Die Bank konnte sicher sein, dass die arabischen Investoren das Geld nicht abrufen werden, weil diese sich verpflichtet hatten, dafür neu geschaffene Vorzugsaktien der CS zu erwerben. Zu diesem Zweck war lediglich eine weitere Buchung nötig, unter Kennern »Passivtausch« genannt: Die Kundeneinlage wurde umgebucht in die Position »Eigenkapital«.1 So einfach funktionierte diese äußerst fragwürdige Aktion.

Vielleicht wäre dies ja auch eine Option für unseren Branchenprimus mit kriminellen Neigungen – die krisengeschüttelte Deutsche Bank? Nachdem die Bank im Januar 2016 an oberster Stelle verkündet hatte, dass das Haus solvent sei, bildete sich über unseren Köpfen so manches Fragezeichen. Als dann auch noch unser Finanzminister Wolfgang Schäuble sich zur Deutschen Bank beruhigend äußerte, gingen bei uns alle Alarmglocken an. Die letzte Bank, die ihre Solvenz rechtfertigen musste, war ein Institut...

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