1 Geschichte
Der Wunsch, seinen in Not geratenen Mitmenschen vor dem drohenden Tod zu bewahren, ist sicher einer der Urtriebe des Menschen.
Seit jeher wird versucht zu helfen bzw. den Tod abzuwenden.
Die dazu eingesetzten Mittel und Methoden wurden dabei wohl häufiger vom Instinkt als von Vernunft geleitet, so dass diese wohl eher nur selten mit Erfolg gekrönt waren. Und dennoch hatten die Maßnahmen von damals mit denen der heutigen, »modernen« Medizin eines gemeinsam: Sie wurden stets nach bestem Wissen und Gewissen durchgeführt.
Und so, wie wir heute über die eine oder andere Maßnahme von damals schmunzeln, werden vermutlich auch unsere Nachkommen über unsere Ideen und Wiederbelebungsbemühungen schmunzeln.
Wann genau der Mensch sich erstmals gegen den Tod eines Mitmenschen gestellt hat, ist heutzutage nicht eindeutig nachvollziehbar.
Der vermutlich erste bildlich festgehaltene Nachweis befindet sich im Ramesseum in West-Theben. Dort ist auf einem Relief zu sehen, wie die Hetiter vergeblich versuchen, ihren ertrunkenen König mit der »Inversionsmethode« zu reanimieren. Bei der »Inversionsmethode« wird der Betroffene an den Füßen aufgehängt, um so das aspirierte Wasser aus seinem Körper zu bekommen.
Die möglicherweise erste erfolgreiche Reanimation ist im Alten Testament der Bibel im 2. Buch der Könige Kapitel 4 Vers 32–35 beschrieben. Hier legte der Prophet Elisha sein Angesicht und seine Hände auf das eines toten Kindes. Danach ging er einmal im Zimmer umher und legte erneut seine Hände und sein Gesicht auf das des Kindes. Schließlich öffnete das Kind seine Augen, nieste sieben Mal und war wieder lebendig.
Gleich mehrfach berichtet auch das Neue Testament der Bibel über die Auferweckung Toter. So werden beispielsweise die Tochter des Jairus (vergl. Lukas 8:51-56) oder der Jüngling von Nain auferweckt (Lukas 7:12-17). Auch ein Junge, den man tot aufgefunden hatte, nachdem er aus dem dritten Stock eines Hauses fiel, wurde wieder auferweckt. Könnten Kritiker hier noch behaupten, dass diese Personen nur bewusstlos oder scheintot waren, so lässt doch die Auferweckung des Lazarus (vergl. Johannes 11:32–45) alle Kritiker und Zweifler verstummen. »…Herr der Geruch wird unerträglich sein. Er ist doch schon vier Tage tot….«
Auch Tabea war vermutlich schon längere Zeit tot bis Petrus bei ihr eintraf. Und trotzdem wurde sie von den Toten auferweckt (vergl. Apostelgeschichte 9:32–43).
Alle erwähnten biblischen »Reanimationen« haben eines gemeinsam: Die Helfer beteten zu dem einzig wahren und lebendigen Gott.
Da die Kirche immer mehr Einfluss auf das tägliche Leben nahm und zusätzlich den Kampf gegen den Tod als Auflehnung gegen Gott deklarierte, wurde es bis ins 16. Jahrhundert n. Chr. Still um die medizinischen Fortschritte der Reanimationsmaßnahmen. Dann jedoch, wurden die neuen Entwicklungen und Erkenntnisse für die Nachwelt gut dokumentiert und datiert.
1543 | beschreibt der flämische Anatom und Leibarzt von Karl 5., Andreas Vesal, die erste endotracheale Intubation an einem Hund. Hierbei stellt er fest, dass das Herz sich erholt und weiter schlägt, nachdem der Kollaps der Lunge durch Einführen eines Schilfrohrs in die Luftröhre und die Beatmung mittels Blasebalg erfolgte. |
1675 | Pfarrer Albinus zu Dittelbach empfiehlt als lebensrettende Maßnahme eines Ertrunkenen, diesem den Mund zu öffnen, ein ca. daumendickes Holz zwischen die Zähne zu stecken und ihn sodann auf sein Angesicht zu legen, bis Gott ihm den Atem verleiht. |
1744 | führt der Chirurg William Tossach die erste erfolgreiche Mund-zu-Mund-Beatmung durch. |
1773 | In den Empfehlungen zur Wiederbelebung von Ertrunkenen wird erläutert, dass das Opfer bäuchlings über ein Fass gelegt und dieses dann hin und her gerollt werden soll. Dadurch kann das eingesogene Wasser herausfließen, so dass der Ertrunkene wieder atmen kann. Eigens dafür wurde der Beruf des »Fassrollers« erfunden. |
1775 | empfiehlt Sir John Hunter die Beatmung mit reinem Sauerstoff mittels Blasebalg. |
1783 | vertritt Professor Blumenbach die Meinung, dass die Ausatemluft eine tödliche Wirkung auf den Patienten hat und somit die Mund-zu-Mund-Beatmung keinen Platz in den Maßnahmen der Reanimation findet. |
1798 | wird in einem Gesundheitsbüchlein für Bergleute für die Hilfe Ertrunkener empfohlen, dass der Ertrunkene in ein Zimmer getragen werden soll, das weder zu warm noch zu kalt ist. Dort soll er vollständig entkleidet und mit warmen Tüchern abgerieben werden. Wenn vorhanden, soll man ihn mit Sand und Asche oder mit Salz bestreuen und dieses auf seinem ganzen Körper verreiben. Gleichzeitig soll ein weiterer Helfer Tabakdampf in die Lungen und den Mastdarm des Opfers blasen. Im selben Jahr veröffentlicht Hufeland die Überlegung, ein stillstehendes Herz mit elektrischem Strom zu reizen, um es dadurch wieder zum Schlagen zu bringen. |
1811 | Bei einem Versuch mit einem großen Hund, wird festgestellt, dass das Einblasen von Rauch tödlich ist. Die Empfehlungen von 1798 bzgl. dem Tabakrauch werden somit für nichtig erklärt. |
1858 | veröffentlicht Sylvester seine Technik der Reanimation. Hierbei wird das Opfer rücklings auf den Boden gelegt. Dann kniet der Helfer hinter der Kopfseite des Patienten nieder. Nun werden die Hände des Patienten zur Inspiration nach hinten, über den Kopf geführt, um dann nach zwei Sekunden angewinkelt auf den Thorax gepresst zu werden und somit die Exspiration durchzuführen. |
1901 | führt Ingelsruth (Norwegen) die erste erfolgreiche Herzdruckmassage am offenen Thorax durch. |
1904 | empfiehlt Friedrich Maas die Herzdruckmassage am geschlossenen Thorax, kann aber noch keine signifikanten Zahlen der Wirksamkeit dieser Methode vorlegen. |
1958 | wird von Peter Safar, einem österreichischen Mediziner, die Kombination aus Mund-zu-Mund-Beatmung und extrathorakaler Herzdruckmassage empfohlen. Safar gilt als »Vater der Reanimation«, die Wirksamkeit der Beatmung hat er u. a. an Freunden/Mitarbeitern sehr eindrücklich getestet und bewiesen. Entsprechendes Bild- und Videomaterial ist im Internet verfügbar. |
1960 | kann durch mehrere Arbeiten die Wirksamkeit der extrathorakalen Herzdruckmassage bewiesen werden. |
1966 | werden die beiden Methoden der Atemspende in Kombination mit der Herzdruckmassage durch ein Komitee des National Research Council (USA) als bevorzugte Methode der CPR empfohlen. |
1967 | wird der erste Defibrillator entwickelt. Der Meilenstein der Reanimation ist gelegt. Kardiokompression in Kombination mit Beatmung und Defibrillation. In den kommenden Jahren werden diese drei Grundsäulen der Wiederbelebung nicht mehr verworfen aber stets weiterentwickelt und verbessert. |
Ende der 1980er | Eine amerikanische Frau reanimiert bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes ihren Mann mit einem Toilettenstopfen. Die Idee der Aktiven Kompression und Dekompression(ACDC) des Thorax ist geboren. Entsprechende universitäre Studienergebnisse bestätigen die deutliche Steigerung des Blutflusses währen der ACDC gegenüber der herkömmlichen Herzmassage. Diverse »Cardio-Pumps« erobern den Markt, verschwinden aber aufgrund der Unpraktikabilität sehr schnell wieder von der Bildfläche. Lediglich der »LUCAS™« kann sich mit der ACDC Reanimation durchsetzen. »LUCAS™« ist ein maschinell betriebenes Gerät, welches den Thorax komprimiert und dekomprimiert. |
2000 | Im Winter 2000 werden neue Reanimationsguidelines veröffentlich. Das bisher propagierte Verhältnis von Kompression zu Ventilation wird grundlegend geändert. Musste bisher unterschieden werden, ob ein oder zwei Helfer reanimierten und folglich ein Verhältnis von 15:2 bzw. 5:1 eingehalten werden sollte, spielt die Anzahl der Helfer jetzt keine Rolle mehr. 30:2 – unabhängig von der Anzahl und... |