Kindheit im Schatten der Medici
Caterina Maria Romula de’ Medici wurde am 13. April 1519 als Tochter der französischen Bourbonen-Prinzessin Madeleine de la Tour d’Auvergne und des Lorenzo di Piero de’ Medici im Palast der Medici in Florenz geboren.
Geburtsort und Elternkonstellation prägten ihr gesamtes weiteres Leben auf einer hochpolitischen Ebene, denn durch das Bourbonenerbe der Mutter war die Verbindung zum französischen Königshaus – und zwar auf einer zum regierenden Herrschergeschlecht der Valois in einem gewissen Rivalitätsverhältnis stehenden Linie – gegeben. Von der Vaterseite hingegen entstammte sie der einflussreichen Familie der Medici, ursprünglich Bankiers und Kaufleute, die es zu sagenhaftem Reichtum gebracht hatten, aus denen Großherzöge der Toskana, zwei regierende Fürstinnen (eine davon war Katharina) und sogar Päpste hervorgingen, die als Kreditgeber von Staaten, weltlichen und geistlichen Mächten und durch vielfältige Beziehungen Einfluss auf die europäische Politik nahmen, und die mit zwei Unterbrechungen dreihundert Jahre lang die Geschicke von Florenz lenkten. Der blühende toskanische Stadtstaat, in dem die mächtigen Medici herrschten, war so etwas wie das Kunst gewordene Eldorado der europäischen Neuzeit, maßgeblich initiiert von dieser Herrscherfamilie, die hier durch opulente Kunst- und Kulturförderung die Kulisse für etwas bereitete, das Europa beflügelte und zu bahnbrechenden Entwicklungen führte: die italienische Renaissance.
Die aus dem Florentiner Umland stammenden Medici wanderten in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in die erblühende Metropole Florenz ein, die ihr wirtschaftliches Florieren in dieser Epoche großer Veränderungen und einer massiven Urbanisierung bereits im Namen trägt. Ob die Medici – wie es der Familienname annehmen lässt – tatsächlich ursprünglich Ärzte waren beziehungsweise einer ihrer ersten Namensträger den Beruf des Arztes ausübte, ist nicht zu belegen. Die Tatsache, dass sie später in ihrem Familienwappen neben einem Rosssternschild und den Lilien des französischen Königswappens, vom französischen König Ludwig XI. 1464 als Zeichen der Wertschätzung dieser erfolgreichen Bankiers mit royalem Segen gewährt, auch sechs Kugeln auf goldenem Grund trugen, die zuweilen als Pillen interpretiert wurden, wäre eine Erklärung in diese Richtung. Die werbestrategisch äußerst geschickten Vertreter der Dynastie spielten jedenfalls in den bildhaften Darstellungen unter Einbeziehung zahlreicher biblischer Motive auch mit dem Heilmotiv – die Medici heilen ein Staatswesen, so die Botschaft in den monumentalen Gemälden, die sie als Heilsbringer, als schicksalbestimmte Macht preisen.
Als Begründer der Dynastie, bezogen auf den Geschäftserfolg der Familie, gilt Giovanni di Bicci, der einem Familienzweig entstammte, der es durch Landbesitz, Woll- und Seidenhandel und auch durch Geldverleih zu einem gewissen Wohlstand gebracht hatte. Der junge Giovanni, selbst durch Erbteilung nicht üppig ausgestattet, ging aber bei seinem reichen Onkel in Florenz in die Lehre, und das war der Bankier Vieri de’ Medici, genannt Cambiozzo. Cambiozzo besaß ein florierendes Unternehmen mit Zweigstellen in London, Brügge, Genua, Venedig und Rom. Der Neffe erhielt in seinen Florentiner Jahren eine erstklassige kaufmännische Ausbildung und machte auch bereits erste Erfahrungen im internationalen Wechselgeschäft. Bald stieg er zum Partner und Miteigentümer auf. Cambiozzo machte ihn zum Direktor seiner römischen Filiale, die er schließlich auch übernahm. Dann ging Giovanni zurück nach Florenz und gründete hier sein Hauptunternehmen auf der Basis eines beachtlichen Startkapitals. Er gilt als der eigentliche Begründer der »Banca dei Medici«. Mit dem Geldverleih war es damals so eine Sache, denn in der theologischen Lehre galt jeder Zinsertrag für einen Kredit im Grunde als Wucher und war verboten. Da aber gerade die Kurie auf Geldwechsel angewiesen war, führte dies dazu, dass die klerikalen Instanzen über die Verbote und Einschränkungen stillschweigend hinwegsahen. Risikoloser Zinsgewinn galt als besonders anstößig, und so wurden Risiken konstruiert, um die Transaktionen äußerlich kompatibel zu machen. Auch bezeichnete man die Kreditvergabe vor diesem Hintergrund als »Wechselgeschäft«. Die Bankierszunft in Florenz nannte sich »Arte del Cambio«, und auch die erste Londoner Börse, 1571 unter Königin Elizabeth I. gegründet, hieß »Royal Exchange«. Eine gewisse sprachliche Verschleierungstaktik war, wenn man so will, die Grundlage des modernen Bankenwesens und der modernen Ökonomie, um die theologische Brisanz zu umgehen, die ihr anhaftete, und im gleichen Maße in diesem Kontext die klerikale Doppelmoral. Zu einem tragenden Standbein des fulminanten Aufstiegs der Medici wurde eben vor allem die Tatsache, dass sie das Vertrauen der Apostolischen Kammer besaßen und die Bankgeschäfte der Päpste tätigten. Man nannte sie deswegen auch die »Bankiers Gottes«. Aber Giovanni di Bicci war ein bescheidener Mann, der immer nur auf einem Maulesel ritt und seinen Söhnen Cosimo und Lorenzo auf dem Totenbett geraten haben soll, sich nie so in Stellung zu bringen, dass es den Neid der Umgebung erregte. Auch sollten sie nur soweit Politik betreiben – gemeint war die Ausübung öffentlicher Ämter –, wie es dem Erhalt der eigenen gesellschaftlichen Position dienlich war. Die Macht der Medici über die nächsten Jahrhunderte, die im Wesentlichen auf einem dichten Netz an Verbindlichkeiten und Beziehungen gründete, war persönlichem Geschick, finanziellem Erfolg, Gunst und den Zeitumständen geschuldet und ansonsten in keiner Weise legitimiert. Als der Pontifex im Jahre 1422 Giovanni di Bicci de’ Medici zum Grafen von Monteverdi erheben wollte, lehnte er dankend ab. Vor dem Hintergrund eines republikanischen Staatswesens hätte er eine solche Erhebung als kontraproduktiv und sogar als gefährlich empfunden.
Dass die Herrschaft der Medici in der Republik Florenz – eher eine Art Pluto-Oligarchie – mit der republikanischen Idee nach unserer heutigen Vorstellung nicht viel zu tun hatte und sogar dezidiert mafiose Strukturen besaß, gehört zum Realbild dieser vitalen Epoche. Andere mächtige Clans in den reichen italienischen Stadtstaaten agierten auf eine vergleichbare Weise. Und dass die grandiose Kunst und Kultur von Florenz mit ihren Palästen, Kapellen und Prunksälen, Gemälden und Galerien, Grabstätten, Plastiken, Fresken, Skulpturen und Bronzereliefs unter anderem auch den Herrschaftsanspruch ihrer Mäzene verherrlichte, also der Medici, mindert nicht den Selbstwert und auch nicht das Selbstverständnis dieser großartigen Kunstproduktion. Es sind die ganz großen Namen der Architektur- und Kunstgeschichte, die für das Gesamtkunstwerk und für den Epochenglanz von Florenz stehen, aber auch weit darüber hinaus: Brunelleschi, Ghiberti und Donatello, Alberti, Bramante, Botticelli, Raffael, Michelangelo, Leonardo da Vinci. Die Bauwerke der Renaissance orientierten sich an der Formensprache des Altertums und zeichneten sich vor allem durch Klarheit, harmonische Ausgewogenheit und Überschaubarkeit aus. In der Malerei wurde ein symmetrischer Bildaufbau fokussiert sowie die Schönheit und Vollkommenheit des menschlichen Körpers ins Zentrum gerückt, dessen Nacktheit als ein Symbol für Unschuld verstanden wurde. Überhaupt rückte der Mensch ins Zentrum des Universums, mit seiner Vitalität, seiner Gestaltungsfähigkeit, seinen Geisteskräften, Möglichkeiten und Potentialen. Es wurde eine neue Diesseitigkeit zelebriert, in unmittelbarem Bezug zum griechisch-römischen Altertum, dessen Schriften und philosophisches Denken man neu entdeckte.
Dass dies gerade in Italien geschah, hatte damit zu tun, dass das antike Erbe hier noch ganz präsent war. In den Bauwerken der römischen Zeit hatte man es ja sogar plastisch und geradezu alltäglich vor Augen. Im alten Konstantinopel hatte man im Übrigen das Studium der klassischen griechischen Sprache, das im lateinischen Westen weitgehend unbekannt war, im Mittelalter ständig gepflegt. Nach der Eroberung durch die Osmanen flohen viele Intellektuelle nach Westeuropa, vor allem nach Norditalien, mit Kopien der antiken Schriftstücke in ihrem Gepäck, die sich dann durch die nahezu zeitgleiche Erfindung der Druckerpresse rasant verbreiteten – ein nicht unwesentlicher Faktor für die Neuentdeckung antiker Ideen. Aber die Baukunst machte das Erbe des Altertums ...