1. Warum eigentlich gesicherter Freigang?
Diese Frage lässt sich relativ einfach beantworten: Ihrer Katze zu Liebe und zur Schonung der eigenen Nerven. Denn viele Probleme bei der Haltung von Wohnungskatzen resultieren aus einer einfachen Ursache heraus: nämlich Langeweile! Und was kann spannender und aufregender sein als die Natur?
Wer seine Fellnasen den lieben langen Tag in der Wohnung vor sich hin dösen lässt, ohne die Möglichkeit eines physischen und auch psychischen Ausgleichs, der braucht sich nicht zu wundern, wenn er am Sonntagmorgen um halb sieben von seinen randalierenden Miezen unsanft aus dem Schlaf gerissen wird. Auch die berüchtigten ominösen fünf Minuten, in denen so manche Katze scheinbar aus heiterem Himmel heraus einem Tobsuchtsanfall zu erliegen scheint, zeugen oftmals davon, dass der kleine Tiger nicht wirklich ausgelastet ist und auf Teufel komm raus seine überschüssigen Kalorien verheizen möchte.
Dem vorzubeugen gestaltet der tierliebe Dosi seine Wohnung katzengerecht und schafft genügend Beschäftigungs- und Spielmöglichkeiten für die Vierbeiner. Demzufolge verwandelt sich die Herberge einer durchschnittlichen Hauskatze mehr und mehr in ein Katzenwunderland, das die Bedürfnisse der menschlichen Mitbewohner weniger und weniger berücksichtigt.
Spätestens die verständnislos gerunzelte Stirn diverser Besucher sollte den eigentlichen Wohnungsinhaber aufmerken lassen. Da wäre es natürlich wesentlich besser, er ließe seine Katze draußen im Freien Beschäftigung und Abenteuer finden. Das ist leider nicht immer ganz einfach. Glücklich kann sich derjenige schätzen, dessen Wohnsituation eine weiträumige Umgebung für den uneingeschränkten Freigang der Stubentiger bietet. Doch in unseren dicht besiedelten Landen wird dies wohl eher selten vorkommen.
Selbst in ländlichen Gebieten finden sich oftmals angrenzende Bahnlinien, Schnellstraßen oder Wälder mit aktivem Jagdbetrieb. Und somit wären wir auch schon beim Kernthema dieses kleinen Büchleins angekommen: „Der gesicherte Freigang für Katzen“.
Natürlich sprechen wir hier von einem Kompromiss, der irgendwo zwischen dem aufregenden Leben in der freien Natur und der behüteten Existenz eines langweiligen goldenen Käfigs angesiedelt liegt. Die Möglichkeiten und Ausprägungen können stark von einem Extrem zum anderen schwanken, und hängen von vielerlei Faktoren ab. Beschränken wir uns auf die wesentlichen, die da wären: die eigene Wohnsituation, das Naturell des betreffenden Stubentigers und der Wille, beides mit den eigenen Lebensbedürfnissen in Einklang zu bringen.
Um Einwänden bereits an dieser Stelle entgegenzuwirken: „Geht nicht, gibt’s nicht!“ Aber dazu kommen wir im nächsten Kapitel. Zunächst einmal wollen wir die beiden hier bei uns vor Ort Betroffenen kurz selbst zu Wort kommen lassen, und sie nach ihren Wünschen befragen.
SALEM
Ich möchte am liebsten die große, weite Welt erkunden. Bin neugierig auf alles, was hinter der nächsten Zaunecke liegt. Möchte den Vögeln hinterher und der Eisenbahn folgen ...
Netter Versuch, Salem. Aber wir sprechen hier in diesem Buch über das Leben im heimischen Garten. Also bleibe bitte einigermaßen realistisch bei der Auswahl deiner Wünsche. Deine Dosis würden sich auch lieber in der Südsee die Sonne auf den faulen Pelz brennen lassen, als hier im regennassen und kalten Norddeutschland jedes Jahr wieder sechs Monate lang auf den nächsten Frühling zu warten.
SALEM
Schon gut. Worauf ich besonderen Wert lege? Ein absolutes Muss sind viele Klettermöglichkeiten und Plätze zum Sonnenbaden! Schleichpfade und Verstecke wären auch nicht übel.
Ich schätze, unser lieber Floyd sieht die Sache ganz anders. Wir fragen also mal nach.
FLOYD
So ein Blödsinn! Das Wichtigste überhaupt ist die Jagd. Mäuse, Ratten, Vögel, das ganze summende und brummende Insektenzeug zum Hinterherrennen ... Angeln mach aber auch Spaß.
Ich glaube, damit wird bereits eines klar ersichtlich: Die Anforderungen an den gesicherten Freigang können je nach Fellnase schon recht unterschiedlich ausfallen. Reicht dem einen Stubentiger bereits ein gemütlicher Liegeplatz unter freiem Himmel, um in der Sonne zu dösen, darf es bei einem anderen bereits ein halbes Disneyland-Germany sein. So ist es durchaus sinnvoll, diese Bedürfnisse vorab zu ermitteln, um nicht einfach drauflos und an der Katze vorbei zu bauen. Enttäuschungen wären sonst auf beiden Seiten garantiert vorprogrammiert.
Welche Möglichkeiten sich im Garten alles realisieren lassen, und das auch für den schmalen Geldbeutel, dazu kommen wir im zweiten Teil dieses Buches.
Wer an dieser Stelle noch nicht von den Vorzügen des gesicherten Freigangs überzeugt sein sollte, dem bieten die nachfolgenden Gründe Gelegenheit, die Angelegenheit noch einmal in Ruhe zu überdenken.
- Unfälle im Straßenverkehr stellen wohl die häufigste Ursache für das plötzliche Verschwinden unserer Samtpfoten dar. Leider werden überfahrene Katzen meist nicht bei Tierärzten abgeliefert, die den implantierten Chip auslesen und den Katzenhalter benachrichtigen könnten. Auch die Polizei führt keine derartigen Lesegeräte mit sich. Somit bleibt die Fellnase einfach nur vermisst und (die/ der) Dosi im Unklaren über dessen Schicksal.
- Bahnschienen bilden ebenfalls eine nicht zu unterschätzende Gefahr, zumal sich an den Gleisen oft eine Menge Mäuse tummeln.
Im Eifer der Jagd hat sich ein Zug schneller genähert als gedacht und der Ausflug der Mieze endet in der Böschung des Bahndamms. - Abschüsse durch Jäger werden zwar nicht dokumentiert, aber vermutlich fallen ihnen jährlich Hunderttausende zum Opfer. Genaue Zahlen werden wohl aus weiser Absicht nicht erhoben. So entpuppt sich oftmals eine für den Freigang der Katzen als optimal gedachte Lage der eigenen Wohnung am Ortsrand als ständig drohende Gefahr. Denn noch immer (Stand 2015) gilt eine Katze als wildernd, die sich lediglich mehr als 300 Meter vom letzten Haus einer Ortschaft aufhält, und darf abgeschossen werden.
- Rattenbekämpfung durch Gift fallen Katzen als Kollateralschäden ebenfalls zum Opfer. Entweder die Katzen fressen selbst einen der Köder, oder aber sie nehmen das Gift mittels einer bereits vergiftete Ratte auf.
- Gift und Chemie in Nachbars Garten stellt für unsere Fellnasen eine allgegenwärtige Gefahr dar. Im eigenen Garten verbleibt die Kontrolle, was oder ob überhaupt gesprüht und gestreut wird, allein bei uns. Doch in fremden Gärten sieht die Sache anders aus. Und die Giftschränke in Gartenmärkten bieten ein reichhaltiges Angebot an Mitteln, die schädlich oder gar tödlich für umherstreifende Fellnasen sind.
- Streusalz auf Straßen und Wegen ist im Winter den Katzenpfötchen überhaupt nicht zuträglich. Es kann bei Kontakt nicht nur schlimme Verätzungen und Entzündungen hervorrufen, durch Lecken wird das Salz zudem noch von der Katze aufgenommen und schädigt den Metabolismus.
- Versehentliches Einsperren in Garagen oder Kellern kommt nicht selten vor. Bereits nach wenigen Tagen ist eine Katze hinter verschlossener Tür verdurstet.
- Verlaufen und nicht Heim gefunden haben Katzen immer wieder einmal. Gerade jungen Tieren passiert so etwas. Doch auch gestandene Freigänger können z. B. durch Verkehr erschreckt werden. In Panik geflüchtet, ist der Rückweg plötzlich nicht mehr ersichtlich.
- Wegfangen oder Wegfüttern durch fremde „Katzenfreunde“ ist ebenfalls ein Tatbestand, dem praktisch gar nicht begegnet werden kann.
- Fremdfüttern hört sich auf den ersten Blick nicht weiter schlimm an. Aber wenn man selbst bemüht ist, auf eine gute Ernährung der Fellnasen zu achten, Aufwand betreibt und Kosten trägt für hochwertiges Futter, dann ist es umso ärgerlicher, wenn fremde Menschen diese Bemühungen womöglich torpedieren, indem sie für unsere Katzen ungesunde Produkte zufüttern.
SALEM
Gegen ein kleines Leckerchen zwischendurch ist doch bestimmt nichts einzuwenden, oder?
Grundsätzlich nicht, aber Dosi macht sich womöglich große Mühe, z. B. auf Futter mit Zuckerzusatz zu verzichten und mit ein paar Leckerlis wird dann doch wieder tüchtig Zucker zugeführt, der dem Metabolismus der Katze nicht zuträglich ist und die Zähne ruinieren kann.
- Misshandlungen durch Katzenhasser finden im eigenen Garten wohl weniger statt als im fremden Umfeld. Leider gibt es mehr von diesen unangenehmen Zeitgenossen, als einem lieb sein kann. Die Zeitungen berichten immer wieder von solchen Vorfällen. Dabei müssen sich solche Tierhasser nicht einmal...