Johanna Krawietz und Kirsten Scheiwe
Einleitung: Die historische Entwicklung von Arbeit im Privathaushalt – die Vielfalt der Formen und ihre Regulierung
Arbeit in Privathaushalten ist von enormer gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Relevanz. Die weltweite Bedeutung der Tätigkeit von Hausangestellten wurde von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Abkommens C 189 ‘Menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte’ (Domestic Workers Convention) mehrfach betont. Die Anzahl der Beschäftigten in Privathaushalten weltweit ist in den letzten 15 Jahren von 33,2 Millionen im Jahre 1995 auf mindestens 52,6 Millionen Personen im Jahre 2010 gestiegen. Da nicht alle Beschäftigten in der Statistik erfasst sind, dürfte ihre tatsächliche Anzahl wohl noch weitaus größer sein (vgl. ILO 2013: 19, 24). In Deutschland gehen Schätzungen des Statistischen Bundesamtes von 712.000 Hausangestellten aus (Körner / Puch 2011: 44, zitiert nach ILO 2013: 15), wobei auch hier die Anzahl der tatsächlich im Haushalt Beschäftigen aufgrund der häufig irregulären Beschäftigung deutlich höher liegt (vgl. auch Schupp 2011); die Nachfrage nach haushaltsnahen Dienstleistungen steigt. Berücksichtigt man darüber hinaus den zeitlichen Umfang der alltäglich in Privathaushalten geleisteten unbezahlten hauswirtschaftlichen und fürsorglichen Tätigkeiten (vgl. Schäfer 2004) sowie deren Wertschöpfung, so ist die Kluft zwischen der hohen Bedeutung dieser Arbeit auf der einen und ihrer geringen gesellschaftlichen und rechtlichen Anerkennung auf der anderen Seite nicht zu übersehen.
Arbeit im Privathaushalt weist eine Reihe von Besonderheiten auf, die sie von anderen Arbeitsplätzen und Wirtschaftsbereichen unterscheidet: Die private Wohnung ist zugleich Arbeitsplatz und relativ isoliert, es werden in der Regel nur wenige Arbeitskräfte beschäftigt. Die Arbeit wird sowohl unentgeltlich und als Selbstversorgung durch Haushaltsmitglieder geleistet wie auch in Form von bezahlter Erwerbsarbeit und Dienstleistungen durch Dritte (vgl. Geissler 2010). Bei Arbeit im Privathaushalt handelt es sich um einen Sektor mit einem enorm hohen Anteil von weiblichen Beschäftigten, die soziale und rechtliche Anerkennung dieser Tätigkeiten ist relativ gering. Schwarzarbeit und irreguläre Beschäftigungsverhältnisse sind stark verbreitet (vgl. Weinkopf 2011). Rechtliche Sonderregeln und Benachteiligungen der Regulierung von Erwerbsarbeit im Privathaushalt im Vergleich zum ‘Normalarbeitsverhältnis’ werden häufig mit der ‘Familienähnlichkeit’ oder vermeintlichen Besonderheiten dieser Tätigkeiten legitimiert. Unbezahlte familiale Arbeit im Privathaushalt unterliegt anderen Regeln der Anerkennung oder Abwertung als bezahlte Arbeit und marktförmige oder soziale Dienstleistungen für den Privathaushalt. Verschiedene Rechtsgebiete sind dafür von Bedeutung. Für abhängig Beschäftigte gilt das Arbeits- und Sozialrecht (früher die Gesindeordnungen), aber auch das Steuer- und Gewerberecht. Für Familienangehörige ist das Familienrecht und das Sozialrecht von Bedeutung, für ehrenamtlich Tätige oder Selbstständige im Bereich der Tagespflege oder Vollzeitpflege das Jugendhilferecht (und verstärkt auch das Steuer- und Gewerberecht, seitdem Tagespflegepersonen immer öfter als Selbstständige klassifiziert werden). Im Zuge der Globalisierung spielt auch das Aufenthalts- und Ausländerrecht sowie das Freizügigkeits- und Niederlassungsrecht der Europäischen Union zunehmend eine Rolle. Die Systemlogiken und Regulierungen unterscheiden sich, reiben sich aneinander.
Der (rechts-)historische Blick auf den Wandel der Regulierung
Die Beiträge des vorliegenden Bandes analysieren rechtliche und soziale Veränderungsprozesse, um Kontinuitäten und Brüche bei der Regulierung von Arbeit im Privathaushalt aufzuzeigen. Sie setzen dafür im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts an, als der Arbeitsplatz Privathaushalt immer mehr arbeits-und sozialrechtlich geregelt, dabei aber gleichzeitig als im Vergleich zu sonstigen Arbeitsplätzen ‘anders’ konstruiert wurde. Das häusliche Dienstpersonal verblieb im Gesinderecht. Während die Gesindeordnungen bis zu ihrer Aufhebung im Jahr 1919 noch zahlreiche Elemente feudal-ständischen Rechtsdenkens enthielten (vgl. Vormbaum und Meder in diesem Band), herrscht im heutigen Recht Vertragsfreiheit und formale Gleichheit und das Arbeits- und Sozialrecht gelten grundsätzlich auch für Arbeitnehmerinnen im Privathaushalt. Zudem wurde die weltweite Bedeutung der Arbeit von Hausangestellten von der Internationalen Arbeitsorganisation durch die Verabschiedung des IAO-Übereinkommens C 189 ‘Menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte’ anerkannt (vgl. Scheiwe / Schwach 2012; 2013).
Allerdings stellt sich die historische Entwicklung der Regulierung von Arbeit im Privathaushalt als ein insgesamt ungleichzeitiger, uneinheitlicher und widersprüchlicher Prozess dar. Die Regulierungspfade oszillieren zwischen der Auslagerung von Arbeit aus dem Haushalt an Externe und Professionelle auf der einen und der Zuschreibung an – überwiegend weibliche – Familienmitglieder auf der anderen Seite. Der Wandel von Arbeit im Privathaushalt bewegt sich im Spannungsverhältnis von Verberuflichungs- und Verwissenschaftlichungsbestrebungen einerseits und der Behauptung ihres ‘unqualifizierten’ Charakters andererseits, die mit geringer symbolischer und materieller Anerkennung einhergeht. Teile dieser Tätigkeitsfelder haben sich „auf dem Weg zur Lohnarbeit den Mantel des Häuslichen abgestreift“ (Thiessen 2004: 375), andere wiederum nicht. Mittlerweile sind im Feld der Erziehung, Pflege, Versorgung und Betreuung über ein Jahrhundert gewachsene Berufstraditionen vorhanden, dennoch gibt es bis heute keine klare Abgrenzung zu privat geleisteter Arbeit (ebd.: 367). Auch hauswirtschaftliche Tätigkeiten wurden ‘verberuflicht’ und im Rahmen von Ausbildungs- und Prüfungsordnungen hauswirtschaftlicher Berufe reguliert (vgl. Degenkolb 2000) bis hin zur (in Deutschland relativ späten) Einführung von Hochschulstudiengängen wie Ökotrophologie und Haushaltswissenschaften in den 1970er-Jahren (vgl. Richarz 1991). Dennoch scheinen manche Tätigkeiten in Privathaushalten in gewisser Weise ‘professionalisierungsresistent’ zu sein. Trotz vorhandener Ausbildungsmöglichkeiten erwarten ArbeitgeberInnen von Hausangestellten in Privathaushalten selten formale hauswirtschaftliche Qualifikationen. In der Kindertagespflege trifft man auf Ansätze zur Qualifizierung von Tagespflegepersonen. Diese sind jedoch auf einem sehr niedrigen Niveau angesiedelt und basieren nicht auf einer beruflichen Ausbildung (vgl. Schuler-Harms in diesem Band). In § 23 Abs. 3 SGB VIII sind vielmehr ‘Persönlichkeit, Sachkompetenz und Kooperationsbereitschaft mit den Erziehungsberechtigten’ als Eignungsvoraussetzungen benannt. Diese Formulierung legt nahe, dass es keiner spezifischen Ausbildung bedarf, um Kinder zu betreuen. Stattdessen scheinen die erforderlichen Fähigkeiten quasi natürlich in der Persönlichkeit der Tagespflegepersonen zu liegen.
Trotz der Produktivitätsschübe, der zumindest partiellen gesellschaftlichen und rechtlichen Anerkennung sowie der Ausgliederungs- und Professionalisierungsprozesse in Bezug auf manche Tätigkeiten lässt sich die historische Entwicklung der Arbeit in Privathaushalten insgesamt nicht als ‘Erfolgsstory’ interpretieren. Dagegen spricht nicht nur die Kontinuität von Ungleichbehandlungen und Benachteiligungen, sondern auch die Herstellung neuer Ungleichheiten und Hierarchien, vor allem im Zuge der Globalisierung und Migrationsbewegungen (vgl. Lutz 2008). Die Regulierung von Tätigkeiten der Erziehung, Pflege und Haushaltsarbeit folgt nicht einfach dem Pfad einer linearen ‘Modernisierung’, wonach bisher innerhalb der Familie erbrachte unbezahlte Arbeit immer mehr auf Professionelle verlagert wird, die dafür eine angemessene symbolische und finanzielle Anerkennung erhalten. Vielmehr zeichnen sich auch Tendenzen einer Re-Familialisierung und Prekarisierung der Arbeit im Privathaushalt ab. Hierzu zählt unter anderem die Zunahme der (irregulären) Beschäftigung von Migrantinnen als Haushaltshilfen und Betreuungskräfte, die in entwickelten Industrieländern als live-ins in Privathaushalten arbeiten und leben (vgl. Scheiwe / Krawietz 2010; Krawietz 2010; 2014).
Barbara Thiessen (2004: 367 f.) macht zwei gegensätzliche Entwicklungslinien in Bezug auf Tätigkeiten im Privathaushalt aus. Zum einen konstatiert sie eine Bewegung von der Erwerbsarbeit hin zur Eigenarbeit und damit eine Rückverlagerung in private Zuständigkeit. Zweitens gibt es jedoch auch eine Bewegung in umgekehrter Richtung im Sinne einer Ausweitung von Erwerbsarbeit im Privaten, allerdings auf geringem Qualifikationsniveau. Wie Irmhild Kettschau (2000: 153) bemerkt, lassen sich so zunehmend „Mischungen von Eigen- und Fremdleistungen“ im Privathaushalt beobachten, die vielfältige Formen annehmen und von unterschiedlichen Akteuren teilweise auch parallel angeboten werden können: als über den Markt vermittelte oder vom Staat erbrachte Dienstleistungen oder auch als unbezahlte familiale Unterstützung.
Arbeit im Privathaushalt – vielfältig und nicht ‘unproduktiv’
Der Blick auf den Wandel von Arbeit im Privathaushalt muss deren Vielfalt berücksichtigen: Es geht um Erwerbsarbeit in Privathaushalten und damit um die Regulierung der Arbeit abhängig beschäftigter Hausangestellter und den Privathaushalt als Arbeitgeber, aber auch um haushaltsnahe und personenbezogene Dienstleistungen durch Selbstständige,...