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E-Book

Kinder aus alkoholbelasteten Familien

Entwicklungsrisiken und Chancen

AutorMartin Zobel
VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl280 Seiten
ISBN9783840928307
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis28,99 EUR
Das Aufwachsen in einer suchtbelasteten Familie kann für die Kinder langfristige Folgen haben, die auch im Erwachsenenalter noch spürbar sind. Allerdings gibt es auch viele Betroffene, die später ein weitgehend normales Leben führen können. Das Buch setzt sich kritisch mit den internationalen Forschungsergebnissen zu Risiken und Auffälligkeiten der Kinder von Abhängigen auseinander. Es thematisiert insbesondere auch die Chancen und Möglichkeiten für eine erfüllte Lebensgestaltung der Betroffenen. Das Buch geht ausführlich auf die Frage des erhöhten Abhängigkeitsrisikos der Betroffenen im Erwachsenenalter ein. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wird ein Modell der Transmission von Abhängigkeit in Suchtfamilien vorgestellt. In weiteren Kapiteln wird zudem aufgezeigt, wie Hilfeleistende, Eltern und Betroffene mit dem Abhängigkeitsrisiko umgehen sollten und welche Möglichkeiten der Prävention einer Suchtentwicklung existieren.

Dr. phil. Martin Zobel, geb. 1962. Diplom-Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut, Verhaltenstherapeut, zertifizierter EMDR-Therapeut. 1984-1988 kaufmännische Ausbildung und Tätigkeit. 1988-1993 Studium der Psychologie in Münster. 2000 Promotion. 2001 Approbation. Seit 2001 niedergelassen in einer psychologischen Praxis in Koblenz. Als Dozent in verschiedenen Verhaltenstherapie-Instituten tätig.

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Horizontale Tabs

Kapitelübersicht
  1. Kinder aus alkoholbelasteten Familien
  2. Einleitung
  3. 1. Kinder aus alkoholbelasteten Familien im Kindes- und Jugendalter
  4. 2. Alkoholkonsum in der Schwangerschaft
  5. 3. Kinder aus alkoholbelasteten Familien im Erwachsenenalter
  6. 4. Familiäre Erfahrungen und aktuelle Lebenssituation bei Erwachsenen aus alkoholbelasteten Familien
  7. Übersicht
  8. 5. Alkoholkonsum bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit elterlicher Alkoholabhängigkeit
  9. 6. Abhängige Erwachsene aus alkoholbelasteten Familien
  10. 7. Anlage oder Umwelt ? welche Rolle spielen die Gene?
  11. 8. Physiologische und subjektive Reaktionen auf Alkohol bei Erwachsenen aus alkoholbelasteten Familien
  12. 9. Die Rolle der familiären Umwelt bei der Transmission von Alkoholabhängigkeit
  13. 10. Risiko- und Schutzfaktoren bei der Transmission der Alkoholabhängigkeit
  14. 11. Modell zur Transmission der Alkoholabhängigkeit
  15. 12. Praktische Konsequenzen fu?r Hilfeleistende
  16. 13. Was tun, wenn Sie vermuten, dass ein Kind in einer alkoholbelasteten Familie lebt?
  17. 14. Wie sollten Hilfeleistende, Eltern und Betroffene mit dem Abhängigkeitsrisiko umgehen?
  18. Literatur
  19. Anhang: Erhebungsbogen fu?r Jugendliche und junge Erwachsene aus alkoholbelasteten Familien
  20. Sachregister
Leseprobe
2. Alkoholkonsum in der Schwangerschaft (S. 61-62)

Den meisten werdenden Müttern ist bekannt, dass Alkohol einen schädigenden Einfluss auf das werdende Leben haben kann. Gleichzeitig gehen viele Schwangere aber davon aus, dass geringe Mengen an Alkohol die Entwicklung des Fötus nicht beeinträchtigen und nehmen Alkohol zu sich. Dies geschieht zum Teil aus Unkenntnis über das Bestehen einer Schwangerschaft als auch aus Unkenntnis über die potentiell schädigende Wirkung bereits geringer Mengen Alkohol. Zudem wird Alkohol in der Schwangerschaft oft als besonders wohlschmeckend und angenehm in der Wirkung empfunden (Löser & Bierstedt, 1998). Vor allem Frauen, die bereits Kinder haben, neigen verstärkt zu Alkoholkonsum in der Schwangerschaft (Stutts et al., 1997). Zwar werden die negativen Auswirkungen des Alkoholkonsums auf den Fötus schon seit Jahrhunderten beobachtet und dokumentiert, eine systematische Erforschung des Phänomens erfolgte jedoch erst in neuerer Zeit, sodass ein entsprechendes medizinisches Symptombild erst vor etwa 30 Jahren definiert werden konnte: Demnach nimmt Alkohol bei den vorgeburtlichen Schadstoffen insofern eine Sonderstellung ein, als dass keine andere Substanz die Entwicklung des Kindes so häufig und nachhaltig schädigt. Die massive Schädigung des Fötus durch den Alkoholkonsum der werdenden Mutter spiegelt sich in dem klinischen Bild der Alkoholembryopathie, auch „Fetales Alkohol- Syndrom“ (FAS) genannt, wider. Alkoholkonsum in der Schwangerschaft ist die häufigste Ursache einer geistigen Entwicklungsverzögerung beim Kind, doppelt so häufig wie das Down-Syndrom und fünfmal häufiger als Spina bifida (Jones & Bass, 2003).

2.1 Historie

Die schädigende Wirkung des Alkohols auf den Embryo wird schon in der Bibel im Buch der Richter beschrieben: „Und der Engel des Herrn erschien der Frau und sprach zu ihr: Siehe, Du bist unfruchtbar und hast keine Kinder, aber Du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären. So hüte Dich nun, Wein oder starkes Getränk zu trinken und Unreines zu essen“. Der Engel erscheint wenig später auch dem Mann: „Der Engel des Herrn sprach zu Manoah: Vor allem, was ich der Frau gesagt habe, soll sie sich hüten: Sie soll nicht essen, was vom Weinstock kommt, und soll keinen Wein oder starkes Getränk trinken und nichts Unreines essen“ (Buch der Richter, 13, 3-4 und 13-14). Aus wissenschaftlicher Sicht wurde das Erscheinungsbild der Alkoholembryopathie (AE) erstmals 1899 von Sullivan benannt, der bei chronisch alkoholkranken Frauen eine erhöhte Rate an Fehlgeburten und bei den überlebenden Kindern vermehrt Epilepsien feststellte. Auch andere Autoren erkannten bereits zu Anfang des Jahrhunderts die schädigende Wirkung des Alkohols in der Schwangerschaft (Pearson & Elderton, 1910; Elderton & Pearson, 1910). Die Ergebnisse blieben seinerzeit allerdings ungenutzt und gerieten wieder in Vergessenheit. Erst etwa 60 Jahre später wurde die Alkoholembryopathie 1968 von dem französischen Arzt Lemoine und seinen Mitarbeitern wiederentdeckt, jedoch nicht einer internationalen Öffentlichkeit vorgestellt. Unabhängig davon kamen die amerikanischen Forscher Jones und Smith (Jones & Smith, 1973; Jones et al., 1973) wenig später zu den gleichen Schlussfolgerungen. Sie prägten die Bezeichnung „Fetales Alkohol-Syndrom“ und machten die Störung international bekannt. Diese Arbeiten lösten eine Welle von Forschungsaktivitäten auf diesem Gebiet aus, die zu weiteren standardisierten Diagnosekriterien führten und entsprechende Prävalenzstudien möglich machten.

2.2 Einfluss des Alkohols auf den Embryo

Die Kinder erfahren im pränatalen Stadium den Alkohol in etwa gleich hoher Konzentration wie die Mutter, da er ungehindert die Plazenta passieren kann. Alkohol und dessen Metabolit Azetaldehyd wirken als toxische Substanz beim Embryo in mehrfacher Hinsicht, sodass die Kinder bei der Geburt in der Regel kleinwüchsig, untergewichtig und kleinköpfig sind. Die teratogene (fruchtschädigende) Wirkung des Alkohols führt zu spezifischen Fehlbildungsmustern, insbesondere im Gesicht (Abb. 3) und an verschiedenen Organen. Das Gehirn ist dabei durch die Einwirkungen des Alkohols am stärksten betroffen, da es beim Embryo das größte Organ ist und am empfindlichsten auf Alkohol reagiert (Eustrace et al., 2003). Die Gefährdung des Embryos für die schädigenden Effekte des Alkohols ist bei der Empfängnis und in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft am höchsten, da dies die Zeit der Organentwicklung, der Organdifferenzierung und des größten Wachstums darstellt (Jones & Bass, 2003). Grundsätzlich wirkt Alkohol aber in allen Perioden schädigend auf den Fötus ein. Overholser (1990) unterscheidet insgesamt fünf kritische Perioden für die negative Wirkung des Alkohols:

• die Zeit vor der Empfängnis (Ei und/oder Sperma können durch chronischen Alkoholabusus geschädigt sein);
• die ersten drei Wochen nach der Empfängnis (kritisch für die frühe Entwicklung und den Aufbau des Neuralrohrs);
• die vierte bis neunte Woche (kritisch für Missbildungen und mentale Retardierungen);
• die zehnte Woche bis zur Geburt (kritisch für Größenwachstum und Funktionsausbildungen) und
• die Stillzeit (der Alkoholgehalt der Muttermilch entspricht der Blutalkoholkonzentration der Mutter).

Wenn die Mutter zu Beginn der Schwangerschaft Alkohol zu sich genommen hat, können weitere Schäden durch ein Absetzen des Alkoholkonsums im Laufe der Schwangerschaft zumindest vermindert werden.
Inhaltsverzeichnis
Kinder aus alkoholbelasteten Familien1
Vorwort7
Inhaltsverzeichnis9
Einleitung15
1. Kinder aus alkoholbelasteten Familien im Kindes- und Jugendalter23
2. Alkoholkonsum in der Schwangerschaft63
3. Kinder aus alkoholbelasteten Familien im Erwachsenenalter75
4. Familiäre Erfahrungen und aktuelle Lebenssituation bei Erwachsenen aus alkoholbelasteten Familien91
Übersicht113
5. Alkoholkonsum bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit elterlicher Alkoholabhängigkeit115
6. Abhängige Erwachsene aus alkoholbelasteten Familien125
7. Anlage oder Umwelt ? welche Rolle spielen die Gene?141
8. Physiologische und subjektive Reaktionen auf Alkohol bei Erwachsenen aus alkoholbelasteten Familien153
9. Die Rolle der familiären Umwelt bei der Transmission von Alkoholabhängigkeit169
10. Risiko- und Schutzfaktoren bei der Transmission der Alkoholabhängigkeit185
11. Modell zur Transmission der Alkoholabhängigkeit193
12. Praktische Konsequenzen fu?r Hilfeleistende197
13. Was tun, wenn Sie vermuten, dass ein Kind in einer alkoholbelasteten Familie lebt?219
14. Wie sollten Hilfeleistende, Eltern und Betroffene mit dem Abhängigkeitsrisiko umgehen?225
Literatur231
Anhang: Erhebungsbogen fu?r Jugendliche und junge Erwachsene aus alkoholbelasteten Familien263
Sachregister277

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