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E-Book

Kirche, Macht und Geld

AutorMatthias Drobinski
VerlagGütersloher Verlagshaus
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl255 Seiten
ISBN9783641119584
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Wie reich und mächtig sind die Kirchen wirklich?
Die Kirchen, katholisch wie evangelisch, sind die größten Institutionen in Deutschland und die zweitgrößten Arbeitgeber nach dem Öffentlichen Dienst. Ihr Einfluss ist in der Verfassung festgeschrieben.
Ist ihre Stellung im Staat noch gerechtfertigt, obwohl die Zahl ihrer Mitglieder stetig abnimmt? Was wäre durch eine strikte Trennung von Staat und Kirche gewonnen?
Matthias Drobinski zeigt in diesem Buch, warum es gut ist, wenn Staat und Religionen zusammenarbeiten. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich das Verhältnis von Staat und Kirche ändert und zu einem Religionenrecht wandelt.


  • Spielt Religion in einem säkularisierten Deutschland noch eine Rolle?
  • Ein Buch über Probleme und Widersprüche des Staat-Kirchen-Verhältnisses


Matthias Drobinski, geboren 1964, studierte Geschichte, katholische Theologie und Germanistik, bevor er eine journalistische Ausbildung an der Henri-Nannen-Schule in Hamburg absolvierte. Ab 1993 arbeitete er als Redakteur für Publik-Forum und später für 'Die Woche' sowie für den Hessischen und den Norddeutschen Rundfunk. Seit 1997 schreibt der Journalist für die Süddeutsche Zeitung in München und ist dort als innenpolitischer Redakteur für Kirchen und Religionsgemeinschaften zuständig. Er lebt in München.

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Leseprobe

2. »Entweltlichung«: Von den christlichen Kaisern zu den ersten modernen christlichen Politikern


Ein Kapitel, in dem es um einen Kaiser im Büßergewand geht und einen Papst, der im Gefängnis landet, um Franz von Assisi und viele andere Armutsprediger, um Martin Luther und die weltliche Gewalt, um kleine Fürstbischöfe und den großen Kaiser Napoleon, um den fast genauso großen Kaiser Joseph, zudem um Fürst von Bismarck und den guten alten Kaiser Wilhelm. Und zwischen all den großen Herrschern um das Leben der kleinen Landpfarrer.

Barfuß steht der Kaiser da und nüchtern, vom Morgen bis zum Abend; seine prachtvollen Kleider hat er abgelegt. Drei Tage lang lässt der Papst ihn warten, dann erst wird Heinrich IV. zu Gregor VII. vorgelassen, erst dann spricht der Papst den Kaiser vom Bann los, den er im Jahr zuvor über ihn verhängt hat. Die Szene des Bußgangs von Canossa im Januar 1077 hat Lampert von Hersfeld überliefert, ein Parteigänger des Papstes, dem daran gelegen war, die Unterwerfung des Kaisers besonders drastisch darzustellen. Und so kann es gut sein, dass der weltliche Herrscher sich in diesen Januartagen gar nicht so sehr der geistlichen Macht unterwirft, sondern der Bußgang Teil eines Kompromisses ist: Der Kaiser betreibt nicht mehr wie bisher die Absetzung des Papstes, der Papst nimmt dafür den Bann zurück, der Unfrieden in Heinrichs Reich gestiftet hat.

Der Bußgang ist aber ein Wendepunkt: Geistliche und weltliche Macht stehen sich gleich stark gegenüber. Als das römische Reich untergeht, muss sich der Papst eine neue Schutzmacht suchen, er findet sie bei den Franken; ihren Herrscher Karl krönt Leo III. am Weihnachtstag des Jahres 800 zum Kaiser. Er und seine Nachfolger sehen sich seitdem als die legitimen Erben der römischen Imperatoren, sie sind nicht nur die Beschützer der Kirche, sie haben selber weitreichende Befugnisse in dieser Kirche. Sie können zum Beispiel Bischöfe und Äbte einsetzen, die ihnen genehm sind. Dieses Recht macht ihnren nun, fast 300 Jahre später, Papst Leo streitig: Der Kaiser, der Staat, soll sich nicht mehr in die Kirchenangelegenheiten einmischen. Die römische Kirche ist mächtig geworden, sie muss sich keinem Beschützer mehr unterwerfen. Sie hat ein gut funktionierendes Rechtssystem entwickelt, das es starken Päpsten erlaubt, die Bischöfe zum großen Teilen hinter sich zu vereinen – ein Bannfluch ist für einen weltlichen Herrscher eine echte Herausforderung geworden. Sie hat ihren Besitz gemehrt, ihre Klöster sind wichtige Zentren der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Kultur. Die Kirchenfürsten wiederum sind selber weltliche Herrscher geworden, erfahren in politischer Taktik und in der Kriegsführung. Vor vielen hundert Jahren, 495 war es, hat Papst Gelasius dem Kaiser Anasthasios einen Brief geschrieben: Gott habe der Welt zwei Gewalten, zwei Schwerter verliehen: die potestas regalis, die königliche Gewalt, und die auctoritas pontificalis, die päpstliche Autorität – die eine regiere die weltlichen, die andere die geistlichen Dinge. Damals ist die Zwei-Schwerter-Lehre eine Abwehrstrategie gegen den Anspruch des Kaisers gewesen, im weltlichen wie im geistlichen Bereich der Höchste zu sein. Nun aber sind kirchliche und weltliche Gewalt gleich stark. Und so, wie der Kaiser beansprucht, in seinem Reich die Kirche zu beherrschen, so wird die Kirche immer mehr auch eine weltliche Macht. Ein zäher Kampf beginnt, mehr als 200 Jahre wird er dauern. Der Stauferkaiser Friedrich II. erklärt Papst Innozenz IV zum Antichristen, der wiederum spricht 1245 einen Bann über Friedrich aus. Der ideologische und der reale Kampf zwischen der Staufer- und der Papstpartei geht hin und her – bis Friedrich II. 1250 überraschend stirbt. Die auctoritas pontificalis hat diese sehr irdische Auseinandersetzung gewonnen, so gründlich, dass Bonifaz VIII. den Satz des Gelasius neu deuten kann: Ja, es gibt das weltliche und das geistliche Schwert, das geistliche Schwert ist von der Kirche zu führen, das weltliche jedoch hat der Herrscher für die Kirche zu führen, in ihrem Auftrag also und unter ihrer Aufsicht.

 

Doch Bonifaz hat den Bogen überspannt: Der französische König sieht die Sache anders und lässt den Papst um 1308 kurzerhand verhaften. Der Folgen der Selbstüberschätzung aber reichen weiter. Bis in die Neuzeit hinein erheben die Päpste den Anspruch, über die weltliche Macht bestimmen zu dürfen, obwohl sie selber im Grunde häufig nicht mehr sind als weltliche Herrscher. Das geistliche Amt verweltlicht. Der Weg ist beschritten zu den Renaissance-Päpsten, die nichts dabei finden, Kriege zu führen, Konkurrenten zu vergiften, Paläste zu bauen, sich Konkubinen zu halten wie andere Könige und Fürsten auch. Das trennungslose Ineinander von geistlichem und religiösem sowie weltlich-politischem Anspruch führt das westliche Christentum in seine tiefste moralische Krise, höhlt die Glaubwürdigkeit von innen heraus aus, die es einst, im römischen Kaiserreich, so attraktiv gemacht hat.

 

Es ist kein Wunder, dass in der Zeit, in der das Papsttum mit dem Kaiser kämpft, die Gegenbewegung in der Kirche entsteht: Einzelne Mönche und Nonnen verlassen die reich gewordenen Klöster und ziehen als Wanderprediger durchs Land. Der heilige Norbert wird Anfang des 12. Jahrhunderts zum ersten Ordensgründer, der sich als Armer in Christo begreift, die Katherer und Waldenser tauchen auf, Laienprediger, die überall, wo sie hinkommen, den Lebenswandel der Geistlichkeit als verderbt und unsittlich anprangern – und bis aufs Blut verfolgt werden von den Päpsten und Bischöfen. Und dann, im Jahr 1207, beginnt ein reicher Jüngling aus Assisi den Armen Almosen zu geben, zieht in das verfallene Kirchlein San Damiano, und zieht, als der arg verunsicherte Vater ihn vor Gericht bringt, einfach seine Kleider aus: Franziskus will nichts mehr besitzen, er will arm sein. Zwei Jahre später zieht er mit elf Brüdern nach Rom, um vom Papst seinen Bettelorden genehmigen zu lassen. Er trifft auf Innozenz III., den mächtigsten Papst des Mittelalters, einen gewandten Redner und raffinierten Diplomaten, der schon mit 37 Jahren ins Amt gewählt worden ist, einen in Paris ausgebildeten Theologen und hervorragenden Juristen, der den rechtlichen Status des über allen Menschen stehenden Papstamtes festschreibt und das Gebiet des Kirchenstaates in seiner Amtszeit fast verdoppelt. Nach einigem Zögern genehmigt Innozenz das Vorhaben dieses eigentümlichen Mannes aus Assisi, was sich als kluger Schachzug erweist. Die Franziskaner sind gebändigt und unterwerfen sich der päpstlichen Autorität.

Doch die Katherer, die sich dem Papsttum nicht beugen, werden in einem Kreuzzug fast vollständig vernichtet, auch die Waldenser werden bis aufs Blut verfolgt. Was wäre gewesen, hätte Papst Innozenz, der intelligente, starke und mächtige Papst, sich von dem jungen Mann anstecken lassen? Es hätte in der Geschichte der Kirchen viel Unrecht nicht gegeben, das die Kirchen heute selber beklagen und als ihre historische Schuld bekennen.

 

So dauert es bis zum 16. Jahrhundert, bis das Verhältnis von geistlicher und weltlicher Macht sich grundlegend änderte. Am 31. Oktober 1517 veröffentlicht Martin Luther in Wittenberg seine 95 Thesen zum Buß- und Ablasswesen; der Augustinermönch aus der deutschen Provinz weiß da noch nicht, dass dies der Beginn der Reformation ist und des Konfliktes mit dem Papst, der zur Kirchenspaltung und zum Dreißigjährigen Krieg führen wird. Luther findet mit seiner Kritik an der reichen und unersättlichen Papstkirche bald politische Unterstützung bei vielen Fürsten und Landesherren: Auch sie wollen sich nicht mehr von einer religiösen Autorität aus dem fernen Rom hineinregieren lassen und ihr dann auch noch die Prachtbauten finanzieren helfen. Da kommt der neue Glaube gerade recht, der ein Papstamt ablehnt, die Gläubigen zu Ordnung, Fleiß und Disziplin anhält und Schutz sucht vor der Macht des Kaisers und der Papstkirche: Die Landesherren der frühen Neuzeit werden zu Förderern der entstehenden evangelischen Kirche. Die wiederum beten für den Landesherrn und predigen in seinem Sinne den Untertanen, ob Bürgern, Bauern, Soldaten; das Bündnis von Thron und Altar entsteht, auch bei den katholischen Landesherren, die das praktische Modell übernehmen. Auch der Papst in Rom ist in dieser Zeit vor allem der absolutistische Herrscher über den Kirchenstaat. Er bekämpft die Räuber in der Stadt und im Umland, baut den Petersdom und den Petersplatz prächtig aus, wie sich Herrscher eben in prächtigen Bauten ein Denkmal setzen.

 

Der große Bruch geschieht dann zum Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Er kommt nicht aus heiterem Himmel. Die Aufklärung verändert das Verhältnis der Herrscher wie der Untertanen, der Bürger wie der Philosophen zur Religion und zur Kirche: Sie ist für sie nicht mehr einfach die Hüterin der Wahrheit und der geistigen Welt; sie soll dem Menschen und der Gesellschaft nützen und helfen, ein gutes Leben zu führen. Und wenn da die Bilanz schlecht ausfällt, die Bischöfe und Klöster reich sind und korrupt (und die Dorfpfarrer arm), dann hat das nichts mit der Gnade Gottes zu tun, dann kann und muss man das ändern. Der Preußenkönig Friedrich II. verfügt kurzerhand, dass sich Lutheraner und Reformierte zu einer unierten Kirche zusammenzuschließen hätten. Der österreichische Kaiser Joseph II. verbietet den Jesuitenorden und säkularisiert das streng katholische Land. Und in Frankreich erheben sich die Sansculotten gegen den König und auch die Kirche – die Französische Revolution ist zunächst nicht kirchenfeindlich, die Kirche verzichtet anfangs sogar freiwillig auf den Kirchenzehnten. Doch in dem Maße, wie die Revolution sich...

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