Kapitel 2
Ein Blumenbukett
Lord Reginald war angekommen und mit ihm alle Gäste. Es waren sieben Männer, die zusammen mit dem Besitzer und dem Comte X. sich auf neun Söhne Adams erhöhten. Das schöne Geschlecht wurde von acht Damen repräsentiert, die zusammen ein sehr reizendes Bukett natürlicher Blumen bildeten, die man sich nur vorstellen kann. Ihre Schönheit und Anmut wetteiferten mit ihrer Jugendfrische. Ich muß zugeben, daß die Messieurs keinen schlechten Geschmack und große Kenntnisse in der Anthropologie und bildenden Kunst hatten. Mein Chef war der einzige Junggeselle in dieser Gesellschaft. Auf den ersten Blick sah man, daß unter diesen hübschen Frauen keine war, die hätte beanspruchen können, von königlichem Geblüt zu sein. Sie waren alle Königinnen, aber nur Königinnen der Nacht.
Ich will meine Zeit nicht damit verschwenden, indem ich von den Freunden Lord Reginalds ein Portrait liefere. Sie gehörten alle zu den Oberen Zehntausend, besonders aber zu dem Clan der Lebemänner, Gecken und Dandies, die sich alle einander ähneln und für die diese Beschreibung zutrifft: sehr elegant, chic bis zu den Grenzen der Extravagance und ihre Kleidung entsprach derselben Moderichtung, weil sie von Haute Couturiers angefertigt wurden.
Was nun die Damen anbelangte, konnte man viele Beobachtungen machen. Ich muß gestehen, wenn ich damit beauftragt worden wäre, der Schönsten von diesen acht den goldenen Apfel zuzuerkennen, dann wäre ich in derselben Verlegenheit wie Paris gewesen.
Ich will nun so wirklichkeitsgetreu wie möglich diese hübschen weiblichen Passagiere beschreiben, welche die Messieurs zu dieser Kreuzfahrt eingeladen hatten. Im wahrsten Sinn des Wortes sollte es eine Fahrt nach Cythera werden, denn aller Wahrscheinlichkeit nach würden wir bis nach Smyrna fahren. Deshalb müssen wir den Peloponnes an dieser Stelle umfahren, wo das steile Vorgebirge sich weit ins Meer hinaus erstreckt und sich diese Insel befindet, die der Venus und der Liebe geweiht ist.
Grundlage meiner Beschreibungen sind meine Notizen, die ich später aufgezeichnet habe und die Gespräche, die ich zufällig mitangehört habe.
Zuerst muß ich bemerken, daß drei dieser Damen zur Halbwelt gehörten. Sie waren Hohe Priesterinnen der Venus und hatten sich auf dem Schlachtfeld der Venus einen hohen Rang erworben. Es waren auch zwei Schauspielerinnen darunter, die man sehr oft auf den Bühnen der bedeutenden Theater in Paris sehen konnte. Sie gehörten nicht zur Halbwelt, aber mit Geld konnte man Einiges bei ihnen erreichen. Unter den drei anderen weiblichen Passagieren war eine Schneiderin aus einem großen Modehaus in der Rue de la Paix, wo sie wegen ihrer hübschen Figur als Mannequin beschäftigt war. Sie war auf die schiefe Bahn geraten, als ein wenig seriöser Liebhaber sie im Stich gelassen hatte, der von ihr offensichtlich genug hatte. So stand sie vor der Wahl, entweder einer ehrlichen Arbeit nachzugehen oder aber ihr Glück in der Lebewelt zu versuchen. Sie überlegte nicht sehr lange. Nachdem sie eine kurze Zeit gearbeitet hatte, warf sie sich in die Arme des erstbesten Liebhabers, dem sie begegnete. Bei ihm glaubte sie die wahre Liebe zu genießen und spürte keine Gewissensbisse.
Alles verlief nach ihren Wünschen bis zu diesem Tag, an dem ich sie an Bord der Nenuphar sah.
Die beiden Anderen waren noch ziemlich unerfahren. Sie hatten auf die Ratschläge ihrer Freunde gehört und die Moral vergessen. Der Liebhaber der jungen Schneiderin hatte sie gefragt, ob sie nicht fünf oder sechs Freundinnen beschaffen könne.
Trotz all ihrer Bemühungen konnte sie nur diese beiden - wahrlich echte Juwelen - auftreiben. Sie wünschten nichts Anderes, als ihre Arbeit in dem Modehaus mit den Vergnügungen zu vertauschen, mit denen ihre Verführerin ihnen die Sinne betört hatte. Später konnte ich feststellen, daß sie noch im Besitz ihres Schatzes waren, welches der vornehme französische Ausdruck für Jungfräulichkeit ist. Sie hatten den letzten Schritt noch nicht getan. Aber Angst und Furcht warteten sie auf diesen Moment, wo sie ihn machen mußten. Die älteste unter den weiblichen Gästen, die am mondänsten gekleidet war, war in Paris, wo man sich den größten Ausschweifungen hingab, als Liane de Vibrecoeur bekannt. Sie war sehr verführerisch und bildhübsch.
Ihr prächtiges Haar war ohne jede Ordnung in hübsche Löckchen gelegt, die es in wunderbarer Weise zur Geltung brachten. Ihre blauen Augen waren von langen Wimpern umschattet. Ihre Nase war klein und ihr Mund hatte eine anmutige Form. Ihre Ohren waren sehr klein und perlförmig. Sie ähnelte einer der reizenden Puppen, die man in den vornehmen Spielzeugläden bewundern konnte, wo man Kindern aus reichem Hause teures Spielzeug kaufte.
Liane de Vibrecoeur verstand es, durch eine mit sehr viel Geschick ausgewählte Kleidung all die Reize ihrer Schönheit zur Geltung zu bringen. Deshalb mußten sogar ihre Rivalinnen zugeben, daß sie zum Modell geradezu geschaffen war.
Obgleich sie erst 25 Jahre alt war, hatte sie schon zwei Vermögen durchgebracht. Sie war gerade im Begriff, ihren dritten Beschützer zu ruinieren, der sie mit an Bord genommen hatte.
Es war dies der Comte Oskar Polsky, ein reicher Adliger aus Warschau. Mit Ausnahme des Comte X. war dieser Herr der einzige männliche Passagier, der kein Engländer oder Amerikaner war.
Ihre Freundin, Cleo Montauciel hatte den Ruf, der wildeste kleine Tolikopf im Regiment der Venus zu sein. Sie war 22 Jahre alt und besaß all die Reize und Schönheit der Jugend. Sie war gut gebaut. Wegen ihrer köstlichen Brüste und erregenden Taille konnte sie sehr gefährlich werden. Da sie leidenschaftlich und lüstern im höchsten Grade war, gab sie ihren Liebhabern kein Pardon. Ein kräftiger Mann, ein Walliser Adliger, der gerade dazu geschaffen schien, das lüsterne Temperament dieses liebeshungrigen Mädchens zu zähmen, hatte sieben Pfund innerhalb von 14 Tagen abgenommen.
Die dritte Priesterin der Venus, die man eingeladen hatte, war der Typ der vor Liebe schmachtenden jungen Frau, die aus ihrer Apathie und Vorliebe zum Nichtstun die Kraft schöpfte, um den Männern den Kopf zu verdrehen. Sie hatte einen dunklen Teint, einen vornehmen Gesichtsausdruck, eine schlanke Taille, gutgeformte Brüste und zierliche Hände und Füße. Ihr Äußeres war in einer Weise, die nicht beschrieben werden kann, attraktiv und sympathisch. Von ihren sinnlichen Lippen glaubte ein Verehrer immer Liebesschwüre abzulesen.
Wie Cleo Montauciel war sie gerade 22 Jahre alt und hatte den hübschen Namen Stella Carina - was soviel bedeutet wie der geliebte Stern.
Die beiden Schauspielerinnen, die an unserer Kreuzfahrt teilnahmen, waren ganz anders als diese Damen. Die eine war groß, schlank und hübsch. Ihre blonden Haare erweckten den Eindruck, als ob sie gefärbt seien. Sie war die personifizierte Gefühllosigkeit. Ihre Brüste waren sehr groß und ihre Gesichtszüge vollkommen regelmäßig. Sie besaß einen biegsamen Körper und ihr Kopf bewegte sich anmutig auf einem kräftigen und verführerischen Nacken. In all ihren Gesten, Gang und sogar in ihren Reden konnte man eine vorgetäuschte Lässigkeit und Langeweile bemerken. Aber sie war wirklich charmant und bestimmt fähig, die zügellosesten und wildesten Begierden bei den Männern zu wecken. In Künstlerkreisen war sie als Blanche de Noir Mont bekannt. Sie war zwischen 23 und 24 Jahre alt.
Esther Hazy, ihre Gefährtin, unterschied sich völlig von der hübschen Blanche de Noir Mont. Sie waren ungefähr gleichaltrig. Während Blanche gefühllos und apathisch zu sein schien, war Esther ein Beispiel an Lebhaftigkeit, Wärme und Leidenschaft.
Sie war wie Quecksilber. Sie war klein, aber in jeder Hinsicht gut proportioniert. Ihre Haut war dunkel wie die einer Spanierin und dazu besaß sie pechschwarze Haare. Sie hatte das typische Aussehen einer Frau aus dem Süden, der das Blut in den Adern kochte. Ihre großen, dunklen Augen funkelten, wenn sie den Mund aufmachte. Sie sprach so schnell wie ein Mühlrad, das vom Wasser schnell bewegt wird. Sie war mit Leib und Seele eine Lebedame, die immer zu Liebesabenteuern bereit war.
Sie dachte nur an ihre Liebesfreuden, wenn sie ausrief:
"Nach mir die Sintflut!"
Esther hatte einen Engländer gefunden, der das Geld ohne zu zählen ausgab und ihr alle Torheiten und Launen ermöglichte. Das junge Mädchen aus dem Modehaus in der Rue de ia Paix, wo sie als Mannequin beschäftigt war, die es für sinnvoller und einträglicher hielt, sich mit etwas Anderem zu beschäftigen, hatte sich auch einen anderen Namen zugelegt. Sie nannte sich Odette Myosotis. Ihr Wahlspruch lautete: "Vergiß mich nicht!" Ohne Zweifel besaß dieses verdorbene Mädchen alle Eigenschaften, um niemals vergessen zu werden. Sie war wie eine Göttin der Antike gebaut. Ihre...