Das Ertragswertverfahren ist in den §§ 15 bis 20 WertV [58] geregelt und richtet sich auf fremdgenutzte bzw. renditeorientierte Immobilien, die üblicherweise als Kapitalanlage gehandelt werden. Der Grundstückwert wird im Wesentlichen durch den nachhaltig erzielbaren Grundstücksertrag bestimmt.
Bewertungsobjekte für das Ertragswertverfahren sind [37]:
Mietwohngrundstücke
Geschäftsgrundstücke
Gemischt genutzte Grundstücke
Bürohäuser
Ladengeschäfte
Gewerbegrundstücke
Industriegrundstücke
Garagengrundstücke
Hotels
Der Ertragswert ist somit die wirtschaftliche Wertkomponente bei der Verkehrswertermittlung. Lage, Mietwerte, Rentabilität und Nutzungsdauer sind hierbei die wesentlichen Kriterien [45]. Beim Ertragswertverfahren wird der Ertragswert als Summe der Barwerte aller bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung eines Grundstücks nachhaltig erzielbaren Reinerträge einschließlich des Barwerts des Bodenwerts, ermittelt [29]. Der umfangreiche Ablauf des Ertragswertverfahrens ist in Abbildung 5 schematisch dargestellt.
Abbildung 5: Eigene Darstellung, inhaltlich nach Kleiber / Simon / Weyers [29]
Definition nach § 17 WertV [58
„Der Rohertrag umfasst alle bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung und zulässiger Nutzung nachhaltig erzielbare Einnahmen aus dem Grundstück, insbesondere Mieten und Pachten einschließlich Vergütung. Umlagen, die zur Deckung von Betriebskosten gezahlt werden, sind nicht zu berücksichtigen“
Ist die Immobilie zum Zeitpunkt der Wertermittlung ungenutzt, müssen üblicherweise erzielbare Einnahmen zugrundegelegt werden. Dies gilt auch für Fälle, in denen das Entgelt oberhalb oder unterhalb der üblicherweise erzielbaren Miete liegt [37]. Diese Einnahmen müssen per Definition jedoch nachhaltig erzielbar sein. Darunter ist zu verstehen, dass die Einnahmen aus Miete oder Pacht auch langfristig erzielbar sein müssen und dass es sich nicht nur um kurzfristig erzielbare besonders hohe oder besonders niedrige Einnahmen handelt. So können zum Beispiel ungewöhnlich hohe Mieteinnahmen, die auf einen kurzfristigen Engpass zurückzuführen sind, in der Regel nicht als nachhaltig und dauerhaft angesehen werden [35]. Abbildung 6 verdeutlicht wie eine nachhaltig erzielbare Miete ermittelt werden kann.
Abbildung 6: Eigene Darstellung, inhaltlich nach Kröll [35]
Aus Abbildung 6 wird deutlich, dass man nach der Ermittlung der ortsüblichen Miete unbedingt einen Blick in die Zukunft richten sollte. Die wichtigste Frage lautet: „ Gibt es Entwicklungstendenzen, die eine Erhöhung oder Senkung der nachhaltigen Miete erwarten lassen?" [35]. Auch wenn zur Beantwortung dieser Frage bisweilen hellseherische Fähigkeiten von Nöten sind, so sollte man dennoch den Ausblick in die Zukunft wagen. Schon das Gebot der Nachhaltigkeit verbietet es, derzeitige ortübliche Mieten unreflektiert in das Ertragswertverfahren zu nehmen [35]. Informationen über diese Entwicklungstendenzen lassen sich sowohl aus der Tagespresse, wie auch aus zahlreichen Fachpublikationen entnehmen. Auf den Einbezug von Mietpreisen aus Annoncen des Immobilienmarktes sollte man verzichten, da diese nur die Preisvorstellungen der Verkäufer wiederspiegeln und nicht die tatsächliche Marktsituation darlegt [40]. Es gibt Banken- und Maklerunternehmen, die Marktberichte herausgeben in denen auch Prognosen über zukünftige Entwicklungen enthalten sind. Der Rohertrag lässt sich darstellen als: Brutto - kalt, netto - kalt, brutto - warm oder netto - warm. Soweit man die Problematik marktgerecht angehen will, müsste man die Mieten auf der Basis „brutto - warm" als Rohertrag interpretieren, denn jeder Mieter, gleichgültig ob ein Wohnungs- oder Gewerberaummieter, ist weniger interessiert daran, wie sich der von ihm insgesamt zu zahlende Betrag auf Grundmiete und Umlagen aufteilt [40]. Für ihn ist letztlich der zu zahlende Gesamtbetrag relevant [40]. Für die rechnerische Ermittlung des Reinertrages ist es egal ob man von der Bruttooder Nettomiete ausgeht. Wichtig ist nur, dass man entsprechende Aufwands- und Ertragspositionen verwendet. Von einer reinen Bruttomiete sind die gesamten Bewirtschaftungskosten abzuziehen. Eine Nettomiete ist um die Bewirtschaftungskosten zu mindern, von denen die Betriebskosten bereits abgezogen worden sind [37]. Eine Bruttomiete, die Schönheitsreparaturen enthält, ist um die Bewirtschaftungskosten zu mindern, in denen neben den üblichen Instandhaltungskosten auch ein entsprechender Ansatz für Schönheitsreparaturen enthalten ist [40]. Sind möblierte Vermietungen vorgenommen worden, ist auf der Aufwandseite ein Möblierungszuschlag vorzunehmen. Unglücklicherweise sind in der WertV bei der Definition des Rohrertragsbegriffs, die tatsächlich umgelegten Nebenkosten nicht enthalten. Daher ist der Rohertrag für jegliche Vergleichsbetrachtung völlig ungeeignet, da er von Fall zu Fall erheblich differenzieren kann [40]. Um trotzdem eine Vergleichbarkeit der Roherträge zu erlangen, sollte man sich auf einen einheitlichen Begriff einigen. Entweder ein Nettobetrag ausschließlich aller Betriebskosten, oder besser ein Bruttobetrag einschließlich aller Betriebskosten. Diese Bruttomieten müssen allerdings dem Marktverhalten angepasst werden. Wenn beispielsweise der Hausmeister zu teuer ist, wird kein Mieter mehr Miete zahlen nur weil der Hausmeister überbezahlt ist. Der Hausmeister erhöht also nicht die Bruttomiete, sondern senkt die Nettomiete. Der Jahresrohertrag, der schließlich in das Ertragswertverfahren eingeht, berechnet sich nach Formel 1:
Formel 1: Ermittlung des Jahresrohertrags
Die im Ertragswertverfahren zu berücksichtigenden Bewirtschaftungskosten setzen sich nach § 18 WertV [58] aus folgenden Einzelpositionen zusammen:
Betriebskosten (sofern nicht auf den Mieter umgelegt)
Verwaltungskosten
Mietausfallwagnis
Instandhaltungskosten
Abschreibung
Es sind jedoch nur die Kosten zu berücksichtigen, die der Grundstückseigentümer nicht auf die Mieter umlegen kann. Bei Wohnungsvermietungen sind das insbesondere die Verwaltungskosten, das Mietausfallwagnis und größere Instandhaltungskosten. Kleinere Instandhaltungskosten, Schönheitsreparaturen und die meisten anfallenden Betriebskosten können dagegen auf die Mieter umgelegt werden. Die Abschreibung ist in den sogenannten Vervielfältiger nach §16 Abs.3 WertV [58] eingerechnet und muss daher nicht weiter berücksichtigt werden. Bei Geschäftsraumvermietungen können zusätzlich die Verwaltungskosten und Kosten für umfangreiche Instandhaltungsmaßnahmen auf den Mieter übertragen werden [35]. Die Kosten sind auch nur in der Höhe anzusetzen, wie sie bei normalen, die Art der Nutzung berücksichtigenden Verhältnissen, mit fremdem Personal für ein unverschuldetes Grundstück laufend entstehen [29]. Überdurchschnittliche Kosten, die aus einer unvernünftigen Wirtschaftsweise resultieren, müssen ebenso außer Betracht bleiben wie unterdurchschnittliche Kosten, die durch eine Muster- oder Idealbewirtschaftung anfallen [50].
Betriebskosten sind nach § 18 Abs. 3 WertV [58] wie folgt definiert:
„Betriebskosten sind Kosten, die durch das Eigentum am Grundstück oder durch den bestimmungsmäßigen Gebrauch des Grundstückes sowie seiner baulichen und sonstigen Anlagen laufend entstehen.“
In der Regel trägt der Mieter neben der Miete die Betriebskosten in voller Höhe. Diese können aber nur erhoben werden, wenn im Mietvertrag eine entsprechende Regelung enthalten ist [55]. Was im Einzelfall bei Wohngebäuden zu den Betriebskosten zu rechnen ist, gibt die Zweite Berechnungsverordnung (II. BV) [62] vor:
„Die Betriebskosten sind nur anzusetzen, soweit sie nicht durch besondere Umlagen, die vom Aufwand und Verbrauch abhängig sind, neben der Miete erhoben werden “
Betriebskosten sind unter anderem Kosten für [37]:
Ver- und Entsorgung
Heizung
Haus- und Straßenreinigung sowie Müllabfuhr
Ungezieferbekämpfung
Gartenpflege
Beleuchtung
Hauswart
Gemeinschaftsantennen
Wascheinrichtungen
Entwässerung
Schornsteinreinigung
Sach- und...