2. Vorgeschichte
Die Vorgeschichte Schwedens ist durch einen fast totalen Mangel an schriftlichen Quellen gekennzeichnet. Die archäologischen Funde geben zwar Aufschlüsse über menschliche Siedlungen auf dem Territorium des heutigen Schweden. Detaillierte Aussagen über politische Einheiten, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur der Menschen sind jedoch kaum möglich. Üblicherweise wird die Vorgeschichte Schwedens in drei große Abschnitte unterteilt: die Steinzeit, die Bronzezeit und die Eisenzeit.
Die Steinzeit
(bis ca. 1800 v. Chr.)
Der Beginn der Steinzeit auf dem Gebiet des heutigen Schweden verdämmert im Dunkel der Vergangenheit. Die archäologischen Hinterlassenschaften weisen jedoch auf zwei deutlich unterscheidbare Zeiträume, eine ältere Steinzeit und eine jüngere Steinzeit. Die ältere Steinzeit ist eng mit den klimatischen und geologischen Rahmenbedingungen der letzten Eiszeit im Norden Europas verbunden. Um 12.000 v. Chr. setzte auf der nördlichen Halbkugel eine Wärmeperiode ein, und das Eis begann sich langsam zurückzuziehen. Um 8000 v. Chr. war im Süden der ehemaligen nördlichen Eiskuppe ein Schmelzwassersee entstanden, aus dem sich nach und nach die Ostsee herausbildete. Gleichzeitig hob sich das nördlich davon liegende und vom Eis befreite Land, aus dem sich zunächst die südlichen, bis ins 4. Jahrtausend auch die nördlichen Teile des heutigen Schweden formten.
In das apernde Land wanderten in der älteren Steinzeit (bis ca. 3000 v. Chr.) von Süden, aus dem heutigen Dänemark, und von Südwesten, aus dem heutigen Norddeutschland und Nordpolen, verschiedene Gruppen von Menschen ein. Es gibt Indizien dafür, dass auch von Westen, aus dem heutigen Norwegen, eine Einwanderung erfolgt ist. Die archäologischen Funde, die davon Zeugnis ablegen können, stammen von der westschwedischen Küste, aus Skåne und Nordschweden. Sie dokumentieren den Zeitraum zwischen 12.000 und 4000 v. Chr. und deuten darauf hin, dass die ersten Einwanderer Jäger, Fischer und Sammler waren. Die ältere Steinzeit in Schweden wird deshalb auch als «Jägersteinzeit» bezeichnet. Die Werk- und Baumaterialien dieser frühen Bevölkerung bestanden aus Stein, Lehm, Holz, Knochen, Häuten und Tiersehnen.
In der jüngeren Steinzeit (ca. 4000–1800 v. Chr.) lassen sich bereits Ackerbau und Viehzucht nachweisen. Sie wird deshalb auch «Bauernsteinzeit» genannt. Der Übergang zu dieser Form des Lebensunterhalts gilt als zeitliche Grenze zwischen älterer und jüngerer Steinzeit. Wie er zustande kam, bleibt im Dunkeln. Diskutiert wird eine Importthese, nach der entweder Einwanderer aus dem Süden die neue Lebensweise mitgebracht oder Jäger aus dem Norden sie durch Kontakte mit den südlicheren Agrarkulturen kennengelernt und übernommen haben. Eine andere These geht davon aus, dass Ackerbau und Viehzucht autochthone Entwicklungen gewesen seien. Die Menschen der jüngeren Steinzeit führten ein halbnomadisches Leben. Ihre spektakulärste Hinterlassenschaft sind große Steinkammergräber. Sie werden nach drei chronologisch gestaffelten Typen unterschieden: Dösengräber (2500–2300 v. Chr.), Ganggräber (2300–1800 v. Chr.) und Steinsärge (1800–1500 v. Chr.). Die Dösengräber bestanden aus einer Totenkammer im Innern eines Erdhügels, der von einer mächtigen Grabplatte bedeckt und einem Steinwall eingehegt war. Die Ganggräber entsprachen im Aufbau ungefähr den Dösengräbern, waren aber Totenstätten für ganze Familien oder Dorfgemeinschaften. In die eigentliche Grabkammer gelangte man dabei über einen Gang. Steinsärge waren rechteckige Grabkammern für mehrere Personen. Manche waren durch eine Zwischenwand geteilt, manche von einem markierenden Hügel überdeckt. Über die hinter den unterschiedlichen Gräberformen liegenden religiösen Vorstellungen weiß man nichts. Die Größe der Steinkammergräber deutet aber darauf hin, dass soziale Organisationen bestanden, die über die bloße Sippengemeinschaft hinausgingen. Neben den Steinkammergräbern findet man für die jüngere Steinzeit Klingen aus Flintstein.
Die Bronzezeit
(ca. 1800–500 v. Chr.)
Die Bronzezeit leitet ihren Namen von den aus Bronze gefertigten Werkzeugen und Waffen ab. Sie wird auch die «Zeit der großen Seefahrten» genannt, weil die Nordleute in dieser Zeit über das Meer Kontakte mit dem übrigen Europa unterhielten. Um 2000 v. Chr. wanderten Indoeuropäer in die Gebiete des heutigen Schweden ein. Eines der Produkte, die sie mitbrachten, war Bronze, die im Norden zu Werkzeugen, Waffen und Schmuck weiterverarbeitet wurde. Zu einem kleineren Teil wurden auch Fertigwaren aus Bronze importiert. Bronze war ein Luxusprodukt. Es verwundert deshalb nicht, dass die Bronzeproduktion der in dieser Periode fortgeführten Steinzeitkultur nur aufgepfropft wurde, sie aber nicht dominierte. Eine andere bronzezeitliche Veränderung lässt sich in der Bekleidung beobachten, die nun zunehmend aus Leder und nicht mehr so häufig aus Wolle gefertigt wurde. Die Gräber bestanden zunächst aus großen Erd- oder Steinhügeln. In einer späteren Phase ging man zur Verbrennung der Leichen und zu Urnengräbern als Bestattungsformen über. Auch hier bleibt der religiöse Hintergrund im Dunkeln. Eine weitere bedeutsame Hinterlassenschaft der Bronzezeit sind die berühmten nordeuropäischen Felsritzungen, die uns mit Darstellungen von Elchen, Rentieren, Bären, Waffen, Schiffen, Wagen und Fruchtbarkeitssymbolen einen plastischen Einblick in die Lebenswelt der damaligen Bevölkerung des Nordens geben. Hinsichtlich der Gesellschaftsordnung lassen sich eine mächtige Schicht von Reichen und politisch Führenden und eine große arme, einflusslose Gruppe unterscheiden. In der zweiten Hälfte der Bronzezeit wanderten die sogenannten Bootleute oder Streitaxtleute ein. Ihr Name leitet sich von kunstreich geformten Äxten aus Magmagesteinen ab. Sie betrieben Viehzucht und zeigten sich sehr kriegerisch.
Die Eisenzeit
(ca. 500 v. Chr.–1050 n. Chr.)
Um 500 v. Chr. setzte eine Klimaverschlechterung ein, die zu einer hohen Sterblichkeit und massiven Auswanderung der Bevölkerung des Nordens führte. Diejenigen, die blieben, mussten bessere Unterkünfte bauen, den Ackerbau intensivieren und Konservierungsmethoden für Lebens- und Futtermittel entwickeln. Die Eisenverarbeitung brachte hier bedeutsame technische Fortschritte. Für die Eisenzeit lassen sich fünf Perioden unterscheiden: die keltische Eisenzeit, die römische Eisenzeit, die Völkerwanderungszeit, die Vendelzeit und die Wikingerzeit.
Die keltische Eisenzeit (ca. 500 v. Chr. – Zeitenwende) stellt im Nor den eine fundarme Periode dar, sodass sie ihren Namen von den in Europa dominierenden Kelten erhalten hat. Die Fundarmut verweist einerseits auf Auswanderung, andererseits auf die Unterbrechung der Handelskontakte zwischen den Nordleuten und dem übrigen Europa. Das in dieser Zeit aufkommende Eisen wie auch das altnordische Wort für «Eisen» (jārn) stammten ursprünglich von den Kelten. Nach und nach wurde jedoch auch einheimisches Eisen in Form von Sumpfeisen gewonnen und zu Werkzeugen und Waffen verarbeitet. Anders als die Bronze wurde Eisen zu einem Alltagsmaterial auch für die weniger wohlhabende Bevölkerung.
Die römische Eisenzeit (Zeitenwende – ca. 400 n. Chr.) ist anders als die keltische Eisenzeit reich an Funden, die auf enge Handelskontakte zwischen Nordleuten und Römern verweisen. Darunter fallen Hortfunde mit Münzen und Luxusgegenständen, aber auch die aus der Adaption griechischer und römischer Schriftzeichen hervorgegangene Runenschrift. Sie lässt sich für die Zeit des 1. Jahrhunderts n. Chr. in Form des 24-typigen urnordischen Runenalphabets nachweisen, des nach seinen ersten drei Buchstaben f, u und þ (stimmloses th) sogenannten fuþark. In dieser Zeit erfolgten auch der Übergang von einer halbnomadischen Lebensweise zur Sesshaftigkeit und die Entstehung der ältesten Ortsnamen. Ausdruck der Kontakte zwischen Nordleuten und Römern waren zudem Texte römischer Schriftsteller (Plinius d. Ä., Tacitus, Ptolemaios) über die Verhältnisse im Norden und die dort lebenden germanischen Stämme.
Auch in die germanische Völkerwanderung (ca. 400–ca. 550 n. Chr.) waren die Nordeuropäer involviert. Darauf deuten die überall auf dem Boden des heutigen Schweden vorhandenen vorzeitlichen Burgen mit einer gewissen Konzentration in Uppland, Västmanland, Södermanland, Östergötland, Öland und Gotland sowie reichhaltige Goldfunde hin. Die Burgen stellten Zufluchtsorte für Reisende dar, die von umherziehenden bewaffneten Banden bedroht wurden. Das Gold stammte aus Raubzügen in weiter südlich gelegene Gebiete.
In der Vendelzeit (ca. 550–800), deren Bezeichnung von den sehr reichhaltigen Funden in Vendel/Uppland stammt, entwickelte sich ein neues nordeuropäisches...