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E-Book

Die neue Lustschule

Sexualität und Beziehungskultur

AutorHans-Joachim Maaz
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783406615474
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
ENTSPANNTER UMGANG MIT DER LUST Guter Sex ist in erster Linie keine Frage von Stellungen und Techniken. Guter Sex ist eine Frage der seelischen Verfassung der Beteiligten und ihrer Beziehungskultur. Unsere Fähigkeit, uns selbst und unserem Partner Lust zu verschaffen, hängt davon ab, ob unsere Beziehung zu ihm von Gleichrangigkeit, Gefühlsoffenheit und Vertrauen geprägt ist. Wo Körperlust und Beziehungslust zusammenkommen, ist Sex der Königsweg zu Entspannung und Lebensfreude. Der bekannte Psychiater Hans-Joachim Maaz («Der Gefühlsstau», «Der Lilith-Komplex», «Die Liebesfalle») entwirft ein neues Bild unseres Sexlebens, das sowohl lustbetont als auch zutiefst human ist. Zärtlichkeit hat darin ebenso Platz wie die Frage «Wie komme ich zum Orgasmus?», der Umgang mit seelischen und sozialen Störungen genauso wie die Abstimmung der Vorlieben, Bedürfnisse und Abneigungen mit dem Partner. Und geschrieben ist diese Lustschule in einer so zupackenden und unverkrampften Sprache, dass es eine Lust ist, von ihr belehrt zu werden, und sei es auch über die Probleme und Grenzen, von denen selbst guter Sex nicht frei ist.

Hans-Joachim Maaz, seit 40 Jahren praktizierender Psychiater und Psychoanalytiker, war lange Zeit Chefarzt der Klinik für Psychotherapie und Psychosomatik des Diakoniekrankenhauses Halle. Bei C.H.Beck erschienen von ihm «Der Lilith-Komplex. Die dunklen Seiten der Mütterlichkeit» (5. Auflage 2004), «Die Liebesfalle. Spielregeln für eine neue Beziehungskultur» (4. Auflage 2009) sowie «Der Gefühlsstau. Psychogramm einer Gesellschaft» (2010).

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Leseprobe

Einführung


In unserem Leben haben Probleme mit der Sexualität einen zentralen Stellenwert. In der Psychotherapie geben sexuelle Störungen wichtige diagnostische Hinweise auf innerseelische und beziehungsdynamische Konflikte. Darüber hinaus zählt die Verbesserung des sexuellen Erlebens zu den wesentlichen therapeutischen Anliegen. Es gibt nun einmal keine menschlichen Probleme, die sich nicht auch in der Sexualität niederschlagen und ausdrücken würden. Gelingt es, die sexuelle Zufriedenheit zu verbessern, hat das immer auch positive Auswirkungen auf den ganzen Menschen und sein Sozialverhalten.

Sexualität ist ein Geschehen, an dem kein Mensch vorbeikommt, aber leider gibt es nach wie vor keine ausreichend gute Anleitung für diese so wichtige wie angenehme Angelegenheit. Unwissen, Halbwissen, Vorurteile, Missverständnisse, Einseitigkeiten, Fehlentwicklungen und Störungen sexueller Funktionen sind immer noch weit verbreitet, obwohl oder gerade weil es inzwischen eine Unmenge an für jeden verfügbaren sexuellen Informationen und Darstellungen gibt.

Meiner Einschätzung nach wird über die Konzentration auf die Äußerlichkeiten des Geschlechtslebens häufig das Wichtigste, das sexuelle Innenleben, vernachlässigt. In vielen Fällen können wir davon ausgehen, dass Behinderungen des inneren Erlebens – vor allem der Lust – kompensatorisch durch äußere Anregungen und künstliche Reize ausgeglichen werden sollen. Diesem Typ von Fehlentwicklung begegnen wir oftmals in unserem Verhalten und unseren sozialen Organisationen: Innere Not und Befriedigungsdefizite sollen durch äußere Animation, durch materielle Besitztümer, durch Macht und besonderes Ansehen kompensiert und die innerseelischen Spannungen auf äußere – häufig künstlich aufgebaute – Feindbilder projiziert werden. Das gilt auch für Partnerschaften und das Sexualleben, wenn der Partner dazu gebraucht wird, um innere Spannungen abzureagieren oder innere Nöte und Defizite zu lösen bzw. zu kompensieren.

Solche Projektionen sind weit verbreitet: Sie beginnen schon in den Familien, die ihr «schwarzes Schaf» hervorbringen, setzen sich fort beim Außenseiter in der Schule, mit dem enttäuschenden Partner, dem ungerechten Vorgesetzten, dem bösen Nachbarn, dem politischen Gegner und dem Feind, der die ganze Gesellschaft bedroht. Vermieden werden soll auf diese Weise die Einsicht in die eigenen Schwierigkeiten, in die eigenen Fehler und Begrenzungen. Diese weit verbreitete Vermeidungsstrategie kann für die individuelle Gesundheit und das soziale Zusammenleben auf Dauer verhängnisvolle Konsequenzen haben. Denn Wahrheiten, die unerkannt bleiben oder verleugnet werden, können aus unbewusster Tiefe Erkrankungen hervorrufen oder destruktives Sozialverhalten bewirken.

Die Fülle sexueller Probleme, wie ich sie in 40 Jahren psychotherapeutischer Tätigkeit kennenlernen konnte (und leider auch musste), haben mich zu diesem Buch motiviert. Ich möchte mit ihm Hinweise darauf geben, wie sexuelle Unzufriedenheit begründet sein, aber auch wie sie überwunden werden kann. Dabei haben sich mehrere Problemfelder gezeigt, die ich hier einführend erwähnen will und um deren tieferes Verstehen ich mich in den nachfolgenden Ausführungen bemühe:

1. Sexualität darf nicht vom Leistungsdenken beherrscht sein. Es geht nicht darum, viel zu «machen», sondern zu lernen «zuzulassen». Insofern ist die Sexualität ein Hauptgegenspieler der eskalierenden Leistungsgesellschaft und wird deshalb bei allen kränkeln, die sich dem Leistungsdruck zu sehr ausliefern oder ihn sogar anheizen. Andererseits kann Sex einen angenehmen Ausgleich zu einem stressreichen Leben herstellen und eine wichtige Regulationsfunktion bei den unvermeidbaren Anstrengungen des Lebens übernehmen.

2. Sexualität eignet sich nicht als Instrument für Geltung, Macht, Kontrolle, Strafe oder Rache. In vielen Fällen sexueller Störungen dominieren solche seelischen Motive, angelockt durch die Chance, eine intime Situation, in der sich der andere einem ausliefert, zu missbrauchen. Wer sexuelle Lust im ganzheitlichen Sinne erreichen will, sollte sich zuerst darum bemühen, innerseelische und Beziehungskonflikte zu erkennen und aufzulösen.

3. Sexuelle Bedürfnisse oder Aktivitäten sind stets ein Gemisch aus triebhaft-biologischen und kulturell-psycho-sozialen Vorgängen. Es geht immer um die Abstimmung von Kopf, Herz und Genitalien. Ein in Partnerschaften sehr häufig anzutreffender Typ von Konflikt kommt dadurch zustande, dass Zärtlichkeiten, körperliche Nähe und Berührungen gesucht werden, aber Sex gemacht wird. Dann wird Sexualität wie ein «Zahlungsmittel» für Geborgenheit benutzt. Dies beeinträchtigt das lustvolle Erleben, belastet die partnerschaftliche Abstimmung und lässt das Sehnsuchtsbedürfnis am Ende doch wieder nur enttäuscht und unerfüllt zurück. Im Idealfall finden zärtliche und geile Bedürfnisse zueinander. Auf dem Weg dorthin müssen diese unterschiedlichen Bedürfnisse aber verstanden worden sein, um sie auseinanderhalten und auch getrennt befriedigen zu können. Nicht selten geht es dann darum, in schmerzvoller Einsicht auf unerfüllbare Sehnsucht verzichten zu lernen, um damit nicht gegenwärtige Beziehungen zu belasten und reale Lustchancen zu vergeben.

4. Die Spaltung von Liebe und Sex ist ein großes Thema gestörter Sexualität und konfliktgeladener Beziehung. Die eigene Liebesfähigkeit hängt sehr stark von der Liebe ab, die man als Kleinkind erfahren hat. Der erlittene Liebesmangel wird fast regelmäßig in die Partnerschaften hineingetragen, in der Hoffnung, dass es dort endlich zur ersehnten Erfüllung kommt, die aber nachträglich nie mehr wirklich gelingen kann. Auf diese Weise wird die Liebeshoffnung häufig sexualisiert: Der Sex soll dann die Liebe ermöglichen. Das muss Konflikte ergeben. Erlebter Liebesmangel lässt sich nur als leidvolles Defizit emotional verarbeiten. Eine von früher Sehnsucht befreite partnerschaftliche Sexualität, die Lustentfaltung und Entspannung ermöglicht, ist dagegen eine großartige Chance für eine dankbare, durch gegenseitige Anerkennung getragene Beziehung, die im Miteinander die Partnerschaft reifen und alte Wunden verheilen lässt. Wenn klar geworden ist, dass kein Partner den elterlichen Liebesmangel auszugleichen vermag, wird der Beziehungsraum frei für gegenwärtige und reale liebevolle Zuwendung und Bestätigung. Sie schaffen die Voraussetzungen dafür, dass über Beziehungslust und Körperlust reale Liebe und Sexualität zueinanderfinden und sich gegenseitig stabilisieren. Reale Liebe ist immer weniger als die Sehnsuchtsliebe, bietet aber stets auch mehr Befriedigung, als wenn Enttäuschung und Frust eine Partnerschaft chronisch belasten.

5. Dadurch wird auch verständlich, dass jeder Einzelne für die Gestaltung seiner Sexualität und Lusterfahrung selbst verantwortlich ist. Man kann diese Aufgabe nicht delegieren und die Verbesserung eigener Probleme vom Sexualpartner erwarten.

6. Wir müssen zwischen Sexualität im Dienste der Fortpflanzung und im Dienste der Lust unterscheiden. Beides kann sich erheblich beeinflussen: Ein Kinderwunsch kann die Lust entfachen, Angst vor Schwangerschaft die Lust töten. Deshalb sollte die Frage potenzieller Schwangerschaft zwischen den Partnern immer gut abgesprochen und miteinander geklärt sein. Wenn Kinder kommen, bevor die sexuelle Lust entdeckt und entfaltet werden konnte, bleibt das ein belastendes Defizit für die weitere Entwicklung partnerschaftlicher Sexualität; denn die Betreuung von Kindern wird die Eltern immer in besonderer Weise beanspruchen und wenig Zeit und Raum für sexuelle Erfahrungen lassen. Viele Elternpaare sind schon froh, wenn sie auch nur kurz ungestört Zeit füreinander finden und dabei nicht zu erschöpft und abgelenkt sind («mit einem Ohr bei den Kindern»). Schwangerschaften haben manchmal auch die Funktion, sexuelle Lust- und Hingabestörungen – Näheängste – zu überdecken und mit dem Hinweis auf den besonderen «Zustand» oder die Mühen der Kinderbetreuung die Sexualität so weit als möglich zu vermeiden. In dem Fall, in dem die sexuelle Beziehung vor allem narzisstische Bedürfnisse befriedigen soll, wird die Fortpflanzung im besonderen Maße zur Last und aus diesem Grund häufig vermieden und versäumt.

7. Sexualität ist einerseits eine großartige Möglichkeit – und häufig der einzige verbleibende Freiraum –, Gefühle zu zeigen und den Kontakt zu natürlichen, vegetativen Prozessen zu pflegen. Andererseits stellt sie für viele ein besonderes Risiko dar, in Angst zu geraten und dadurch verletzt zu werden, dass man sich öffnet und Kontrollverlust zulässt. Sexualität birgt immer die Gefahr in sich, unerwünschte Gefühle, seien sie angst- oder lustvoller Art, zu aktivieren, was die Hingabe natürlich erheblich beeinträchtigen kann. Lustangst ist ein trauriges Thema und leider eine häufige Realität.

8. So müssen wir zwischen sexueller Aufgeklärtheit » und sexueller Reife unterscheiden. Sexuelle Reife ist nicht durch Wissen, Technik und vielfache Erfahrungen zu...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Zum Buch2
Über den Autor2
Titel3
Impressum4
INHALT5
VORWORT7
EINFÜHRUNG11
I. DER WILLE ZUR LUST19
Die Lust entdecken24
Die Lust entsteht im Kopf31
Lusterleben41
Erektion und Beziehung53
Ejakulation und Beziehung56
Weibliche Erregung und Beziehung61
Sexuelle Stellungen und Beziehung65
Orgastische Potenz69
Wie komme ich zum Orgasmus?77
«Huckepack-Orgasmus»79
II. KÖRPERLUST UND BEZIEHUNGSLUST82
Körperlust82
Beziehungslust94
Beziehungsdynamische Reifegrade der Lust99
Beziehungsdynamische Möglichkeiten des Lusterlebens106
Sexualität im Dienste von …111
Guter Sex erhält die Beziehung – schlechte Beziehung zerstört die sexuelle Lust119
Die sexuellen und Beziehungsprobleme in Abhängigkeit von den frühen Mütterlichkeits- und Väterlichkeitsstörungen127
Lilith-Komplex und Sexualität135
Die Not mit der Sexualität148
Prostitution im Spiegel von Sex und Beziehung157
Das Don-Juan-Syndrom (Ich ficke, also bin ich)164
Das Dornröschen-Syndrom (Ich muss erweckt werden)167
Sexualität als Therapeutikum172
III. KLEINER RATGEBER «LUSTSCHULE»181
Was kann hilfreich für «Körperlust» sein?182
Was kann hilfreich für die Beziehungslust sein?190
Erotisches Zwiegespräch und Verhandeln198
Beispiel für Verhandlungsgespräche211
Beispiele für Vorspiel-Zwiegespräche219
Beispiele für erotische Nachgespräche223
Ein Plädoyer für die Lustschule230
ZUSAMMENFASSUNG234

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