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E-Book

Kommunikation

Eine pragmatisch-kompakte Einführung für soziale und andere Berufe...

AutorChristian Dorn
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783739287232
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Wenn sich Studierende für das Studium der Sozialen Arbeit einschreiben, haben sie in der Regel keine Vorstellung davon, wie sehr sie an ihrer Kommunikation arbeiten müssen, wenn sie professionelle, zielführende Hilfe für ein breites Klientenspektrum im psychosozialen Bereich leisten wollen. Es reicht eben nicht, sich nur vernünftig artikulieren zu können, man muss kommunizieren lernen, mit dem ganzen Körper, mit und ohne Sprache, und man muss sich gewahr sein, das man immer kommuniziert (mit sich selbst und Dritten...), sei es durch die Gestik, die Mimik, die Körpersprache, ja selbst durch blankes Schweigen. Um diesen komplizierten Prozess zu unterstützen und zu begleiten, habe ich dieses Büchlein geschrieben. Ich bin mir dabei im Klaren, dass ich damit kein 'umfassendes und tiefgreifendes Lehrbuch' vorlege, das können so tolle Leute wie Watzlawick, de Shazer und Insoo Kim Berg, Rosenberg, Schulz von Thun und KollegeInnen viel besser - und das will ich auch gar nicht. Vielmehr habe ich versucht das alltägliche Kommunikationschaos etwas transparenter und damit versteh- und veränderbar zu machen. Mein österreichischer Kollege Pantucek, Studiengangsleiter in St. Pölten und Autor zahlreicher fantastischer Bücher zum Thema Soziale Arbeit, bringt die Sache wunderschön auf den Punkt: 'Soziale Arbeit ist nicht nur irgendeine Profession. Sie lebt von der Faszination, die von Menschen ausgeht. Sie lebt von der Freude am Komplizierten und Komplexen, am nicht völlig durch Analyse Erfassbaren und durch Konzepte Bewältigbaren. Soziale Arbeit ist Kommunikationskunst und Organisationskunst, allerdings nie l'art pour l'art. Dazu ist ihr Gegenstand, die Bewältigung menschlicher sozialer Probleme, zu ernst und ihr Handeln zu erfolgreich.' (Pantucek 1998a: 11) Soziale Arbeit ist 'Kommunikationskunst' und was für einen Chirurgen das Skalpell, ist für den Sozialarbeitenden / die Sozialarbeitende eine gelingende Kommunikation. Ein Präzisionswerkzeug das es zu beherrschen gilt. Denn sowohl bei ÄrztInnen als auch bei SozialarbeiterInnen geht es um Menschen, um Schicksale, um Gelingen und Scheitern, Glück und Unglück. Da bleibt kein Raum für einen Mangel an Kommunikationskompetenz - im Gegenteil, hier gilt eine 0-Fehler Toleranz. Mit diesem kleinen Büchlein will ich ihnen Appetit machen auf mehr. Ich will ihnen zeigen, dass es lohnt, sich mit Kommunikationskunst zu beschäftigen und das eben doch Reden Gold ist, und nicht Schweigen!

Prof. (FH). Dr. Dipl. Soz.-Päd. Christian R. Dorn, Jg.'68. Der ehemalige bay. Polizist lehrt und forscht als promovierter Psychologe und diplomierter Sozialpädagoge seit 16 Jahren an der Fachhochschule Vorarlberg mit den Schwerpunkten Gesundheit, Drogen und Sucht. Seit 13 Jahren begleitet er Cannabispatienten und Menschen mit Suchtproblemen in eigener Praxis. (www.denkprozesse.net)

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Leseprobe

2. Wahrnehmung – „Wie wirklich ist die Wirklichkeit...?“


2.1. Grundlagen der Wahrnehmungspsychologie

Was wir mit eigenen Augen sehen oder mit eigenen Ohren hören, das empfinden wir als unmittelbar gegeben. Das Wahrgenommene betrachten wir als so selbstverständlich, dass wir uns in der Regel keine besonderen Gedanken darüber machen. Wir sind vielmehr felsenfest davon überzeugt, durch unsere Sinnesorgane ein genaues Abbild der jeweils objektiven Realität geliefert zu bekommen. Auch gehen wir davon aus, dass andere Menschen die Umwelt genau so wahrnehmen wie wir und legen diese Annahme der gegenseitigen Verständigung zu Grunde.

Die subjektive Sicht der Dinge entspricht nun aber - trotz der vorhandenen Gewissheit - keinesfalls einer einfachen Abbildung der Welt um uns herum. Von den auf uns einströmenden Eindrücken können wir nur einen begrenzten Teil wahrnehmen. Um an die lebensnotwendigen Informationen heranzukommen, haben sich im Laufe der Stammesgeschichte des Menschen Sinneszellen und Sinnesorgane herausgebildet, die uns dabei unterstützen. Es wäre jedoch ein Fehler, die mit unseren Sinnen wahrgenommene Welt für die Wirklichkeit schlechthin zu halten.

Exkurs: „Der mediale Mensch” (Dorn 2003)

Das nachfolgende Essay, das nach dem Anschlag vom 11. September und nach dem Amoklauf von Erfurt entstanden ist und das ursprünglich nur eine Lehrveranstaltung zum Thema „Kommunikation und Neue Medien“ einleiten sollte, macht diese Problematik deutlich…

Der mediale Mensch

Wir alle sind Erinnerung und einzig die Geschichten, die wir in uns tragen, machen uns zu den Menschen, die wir sind. Was aber, wenn uns diese Erinnerung nicht gefällt? Was, wenn sie uns zu Menschen macht, die wir nicht sein wollen...

Die mediale Durchdringung unserer Gesellschaft führt dazu, dass Erinnerung, Fiktion und Realität immer mehr verschwimmen. Indem uns pausenlos suggeriert wird, dass uns alles und jedes zu interessieren hat, mutieren wir zu Medienzombies, die angesichts der Quantität des Komplexen und der Qualität des Illusorischen zunehmend kritiklos konsumieren. Der Widerstand ist gebrochen – Zeitungen, Radio, Fernsehen, Computer, Internet – es geschieht, und wir lassen es geschehen!

Haben wir es nicht alle gewusst? Bin Laden war es – klar! Das Video beweist es – oder doch nicht? Vielleicht?! Vielleicht ist zwar noch nicht die Antwort auf alles, mittlerweile aber doch auf sehr vieles. Seitdem Hollywood in der Lage ist, Galaxien zu erschaffen und längst versunkene Schiffe aufs Neue zu versenken, beginnen wir zu ahnen, dass der von uns er- und zunehmend gelebte Schein manipuliert sein könnte. Authentizität wird virtualisiert. Menschen und Dinge werden transformiert zu etwas, was sie nicht sind – vielleicht weder sein wollen noch sollen.

Geld macht Macht und Macht macht Geld. Mit Nachrichten wird mittlerweile sehr viel Geld gemacht, und bevor man darauf verzichtet, macht man selbst aus einem qualitativen Nichts ein quantitatives Etwas. Berichte von Menschen über Menschen durch Menschen. Degradiert zu Inhalten, zu StatistInnen, zu KonsumentInnen – manipuliert, überfordert, vergewaltigt.

Explosionen beherrschen seit dem 11. September die Welt. In Israel, in den USA, in Irland, in Indien, in Pakistan, in Afghanistan und – medial unterstützt – reicht die Druckwelle bis in unser Erleben. Es explodieren Hoffnungen, Wünsche, Träume und Mitgefühl. Es explodieren Alte, Kranke, Frauen, Männer, Kinder und zuletzt das Leben an sich. Und wir? Wir sind alle live dabei und maßen uns ein Urteil an. Wir kennen zwar unsere NachbarInnen nicht mehr, wissen aber genau, wer Recht hat und wer nicht, wenn die Bomben fliegen.

Mein Gesicht spiegelt sich im Monitor. Vor mir liegen Körperteile, die einmal Menschen waren. Abgesprungen aus Panik, beflügelt von Todesangst, aufgeschlagen in der Realität. Zerschmettert. Nur Bilder – aber mir geht es nicht gut dabei. Bilder, wofür es keine Worte gibt – noch nicht, oder – nicht mehr? Bilder, die das Menschsein in Frage stellen. Bilder, die Sinnhaftigkeit auflösen und dem Entsetzen den Weg bereiten. Bilder von Menschen, die durch das zerfetzt wurden, was aus unserer Gesellschaft geworden ist, und ich frage mich, ob es diese Bilder auch dann geben würde, wenn niemand sie sehen wollte? Ich habe die Wahl – sie hatten sie nicht. Ich kann nicht verstehen, dass man etwas, was einmal ein Mensch war und nun zu einem Etwas gemacht wurde, noch einmal „ins Visier“ nimmt und – abdrückt! Es wird nie mehr so sein, wie es war, alle sagen das und gehen im Leben weiter. Aber meine Welt hat sich verändert. Profitsucht und Sensationsgier, welche die Menschlichkeit und das Mitgefühl strangulieren, zur Farce degradieren – ich sehe die Bilder, halte inne, fühle und weiß:

Das ist nicht das Leben, das ist menschlich.

Schein treibt unseren Zeitgeist – Sein ist nichts mehr wert. Nur wenige bestehen gegen das, was wir uns täglich vorgaukeln. Wir alle sind dynamisch, jung, schön, reich und glücklich. Was zählt ist, sich zu präsentieren – zu repräsentieren – als das in Erscheinung zu treten, was erwartet wird und Spaß um jeden Preis. Getrieben von der Hoffnung einem diffusen Anspruch zu genügen, nehmen wir den Verlust der Identität in Kauf. Indem Oberflächlichkeit zum Maßstab wird, suggerieren wir uns ein armes Leben in einer reichen Welt. Niemand interessiert sich mehr für die Wesen hinter ihrem polierten Schein. Wir vereinsamen, leiden, scheinen weiter und, wenn überhaupt, erkennen wir oft zu spät, dass der Mensch am Ende nur aus sich selbst wirkt.

Wohin man blickt: solutions for a small planet – alles ist so einfach. Wir beherrschen eine schrumpfende Welt, auf der ganze Konzerne entmaterialisieren. Das Leben reduziert auf Null und Eins. Menschen konsumieren Menschen, Identitäten werden austauschbar, Probleme existieren nicht. Kann das reale Paradies, in dem wir leben, die Sonne, die uns wärmt, der Boden, auf dem wir stehen und das Wasser, aus dem wir großteils existieren, dagegen noch bestehen? Scheinbar nicht. Wir sind unzufrieden im Frieden, langweilen uns im Überfluss, und neben all den uns suggerierten hypes wird die Existenz zur Nebensache. Der Apfel schmeckt, obwohl das Paradies in Flammen steht und die, die löschen könnten, Öl ins Feuer gießen, sich wärmen und zusehen, wie die verbrennen, die nicht einmal wissen, dass es ein Paradies gibt, aber täglich die Hölle erleben.

Unsere ach so tolle Informationsgesellschaft kränkelt! Befallen von einem nach Party und Lifestyle gierenden Virus, lassen wir uns nur zu gern manipulieren und absorbieren ungefiltert das, was man uns glauben machen will. Wir konsumieren um jeden Preis und erkennen dabei nicht, dass Zufriedenheit in Rechnung gestellt und mit Glück bezahlt wird. Emotional bankrott, zerschlissen von der pausenlosen Suche nach einem Glück, von dem wir nicht einmal mehr wissen, worin es besteht, werden funktionierende Selbstkonzepte zum Glücksfall.

Zeit zum Nachdenken bleibt kaum noch und immer seltener erkennen wir dass man das was uns zu Menschen macht, nicht konsumieren kann. Man bekommt es geschenkt oder sucht es, oft verzweifelt, ein Leben lang – Liebe und Mitgefühl. Entscheidend scheint mir, dass wir, wenn wir uns am Ende die Frage stellen ob es DAS wert war in der Lage sind zu sagen was „das“ denn eigentlich war. Leichter zu beantworten ist die Frage für all jene, die das Universum stets im Blick behalten denn sie werden verstehen welche Stellung dem Menschen – auch oder gerade – in einer medialen Welt zukommt.

2.2. Der Wahrnehmungsprozess

Die Wahrnehmung versorgt uns mit Informationen über die Umwelt und über uns selbst. Die Wahrnehmung gliedert sich in drei Stufen: sensorische Rezeption, Empfindung und Musterbildung.

Reiz >> Rezeption >> Empfindung >> Muster bilden

  • Rezeption: spezielle Sinnesorgane mit Rezeptorzellen, Umwandlung von physikalischen Reizen (Licht, Schall, Druck) in Nervenimpulse
  • Empfindung: die „Rohdaten“ aus den Sinnesorganen werden im Gehirn zu Empfindungen verarbeitet (Farben, Gerüche, Lautstärke etc.)
  • Musterbildung: Lichtflecke werden zu Gesichtern, Töne zu einer Melodie etc.

Was für die Wahrnehmung gilt, gilt auch für unsere Kommunikation. Die Tatsache, dass wir Botschaften in einer bestimmten Weise aufnehmen und bewerten, liegt an den sogenannten „Filtern“, die unser Denken, Fühlen und Handeln beeinflussen. Diese Filter arbeiten quasi vollautomatisch in unserem Unbewussten.

2.3. Wahrnehmungsfilter

Unsere persönliche Lerngeschichte, unsere Erkenntnisse, unser Wissen, unsere Interessen, unsere Erfahrungen, usw. wirken als Wahrnehmungsfilter (Erkennen hat auch etwas mit Kennen zu tun). Wir haben gelernt, unsere Welt in einer bestimmten Weise zu sehen (Konstruktion der Wirklichkeit). Dies hilft uns, eine Vielzahl von Informationen aus unserer Umwelt gleichzeitig zu verarbeiten, Komplexität zu reduzieren, Muster zu erkennen. Die fünf wichtigsten Filter unserer Wahrnehmung sind:

  • die Wahrnehmung über unsere Sinne
  • unsere Erfahrungen
  • unsere Meinungen
  • unsere Motivationen und Bedürfnisse und
  • unser Selbstwertgefühl

2.3.1. die Wahrnehmung über unsere Sinne

Wir nehmen die Welt über unsere...

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