3 Weibliche und männliche Sozialisation
und die Auswirkungen
In den Kommunikationstheorien von Watzlawick und Schulz von Thun werden Gründe angegeben, warum Botschaften verfälscht ankommen können. Es stellt sich nun die Frage, wie sich die Theorien unter Berücksichtigung des jeweiligen Geschlechts auswirken.
Jedoch besteht nicht nur eine (angenommene) Verbindung zwischen Geschlechtszugehörigkeit und Kommunikationsstörungen , sondern auch die Kultur, aus der die Familien stammen, spielt eine Rolle (allein schon deshalb, weil es in jeder Kultur ein anderes Empfinden gibt, was ein angemessenes Gesprächsverhalten ist). Hinzu kommen die sozialen Schichten, in denen Worte und Redewendungen an sich oft eine unterschiedliche Bedeutung haben. Durch Bernsteins Untersuchungen sozialer Schichtungskategorien wurde „ein `Beweis` für den angenommenen Bedingungszusammenhang von Sprache und sozialer Herkunft erbracht.“ (Mühlfeld 1975, S.9)
Wie sich nun das Geschlecht auf das Sozialverhalten und somit auch auf das Sprachverhalten auswirkt, werde ich in den folgenden Unterpunkten bearbeiten.
Vorab noch etwas zu dem Begriff „Sozialisation“:
Nach Meulenbelt wird darunter der gesamte Prozeß, bei dem gelernt wird, ein Teil der Gesellschaft zu werden, verstanden. Dabei machen wir uns Normen und Sitten unserer Gesellschaft zu eigen, bis sie ein Bestandteil unserer Persönlichkeit geworden sind. Ein Großteil des Sozialisationsprozesses ist die Sozialisation zu Frau oder Mann.
Die Geschlechtsidentität wird festgelegt in Verbindung mit dem Gefühl, ein Mädchen/ eine Frau oder ein Junge/ ein Mann zu sein. Damit ist die Sozialisation aber noch nicht beendet, da immer neue, andere Erwartungen an älter werdende Menschen gestellt werden. (Wenn Kinder z.B. zur Schule gehen, wird von ihnen dort etwas anderes erwartet als zu Hause. Eine ganz neue Phase beginnt beim Einstieg ins Berufsleben, usw.) Im Sozialisationsprozeß kann es Brüche und Übergänge geben, die mit Konflikten einhergehen können.
Diese Brüche entstehen in der Regel bei Mädchen/ Frauen und Jungen/ Männern nicht gleichzeitig, da deren Sozialisation unterschiedlich verläuft (worauf ich in weiteren Kapiteln zu sprechen komme).
Sozialisation ist ein breiterer Begriff als Erziehung, denn nicht nur die bewussten und unbewussten Einflüsse durch Eltern, LehrerInnen, etc., die versuchen, Kindern „Manieren“ beizubringen, spielen in der Sozialisation eine Rolle. Es kommen die gesellschaftlichen Einflüsse hinzu (z.B. Machtverhältnisse, Medien, sprachliche Inhalte), die nicht speziell zur persönlichen Erziehung gedacht sind. (vgl. Meulenbelt 1985, S.83f)
3.1 Zur Erforschung von Geschlechtsunterschieden
Erklärungsversuche geschlechtsspezifischer Unterschiede in Persönlichkeits-strukturen und sozialen Stellungen basieren auf individual-psychologischen, sozialpsychologischen, soziologischen, kulturanthropologischen, genetischen und historischen Theorien.
Soziologische Theorien fragen nach Art und Funktion eines spezifischen Geschlechtsklassifikationssystem. Sozialisationstheorien suchen nach der Genese individueller Persönlichkeitsmerkmale und Orientierungen. Psychologische Theorien über geschlechtsspezifische Sozialisation führen unterschiedliches Denken und Verhalten von Frauen und Männern auf soziale Einflussfaktoren zurück.
(vgl. Nunner-Winkler in Deutsche Forschungsgemeinschaft 1994, S.61)
Aus den Anfängen der Psychologie existieren zwei Vorurteile:
-Die Frau ist durch ihre Fortpflanzungsfunktion als Person geprägt/
festgelegt.
-Verhalten, Leistungen und Fähigkeiten der Menschen unterscheiden sich nach dem Geschlecht. (Wobei Unterschiede als Überlegenheit des Mannes gedeutet werden.)
Um diese Vorurteile aufrecht zu erhalten bzw. zu beweisen, wurden Zitate von Untersuchungsergebnissen verfälscht, statistische Überprüfungen quantitativer Daten vernachlässigt, etc. – vor allem dann, wenn der erwartete Unterschied sich nicht in den Daten abgezeichnet hat. (Dieses wird belegt durch Haraway 1978, Sherif 1977, Sherman 1978, Unger 1979 u.a. in Hagemann-White 1984, S.11)
In den frühen 70er Jahren gab es eine „Tendenzwende“ innerhalb der Sozialwissenschaften bezüglich ihrer Aussagen über geschlechtsspezifische Unterschiede.
Insgesamt liefert die empirische Forschung keine Belege für klar ausgeprägte und eindeutige Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Die These, dass „gerade geschlechtstypisches Verhalten in hohem Maß situationsspezifisch ist, so dass widersprüchliche und unklare Forschungsergebnisse zu erwarten sind“, wurde von Weitzmann schon 1975 vertreten. (vgl. Hagemann-White „1984, S.42)
In der Psychologie kam es erst in den 80er Jahren zu Fragestellungen und Forschungsentwürfen zur Untersuchung vom Verhältnis Einflussfaktor Geschlecht und Verhalten. (vgl. Hagemann-White 1984, S.11)
Der erste Psychologe, der Erklärungsversuche über die Entstehung von Weiblichkeit und Männlichkeit gab, war Freud. (Frauen wie Mitchell oder Hagemann-White kritisierten Freuds psychoanalytische Theorie teilweise aufgrund von sexistischen Gedankengängen.)
Die allgemeine psychologische Sichtweise besagt u.a., dass das Erlernen von Verhaltensweisen durch Beobachtung und Imitation stattfindet.
„Grund für den Imitationswunsch ist die Assoziation der elterlichen
Fürsorge mit Triebreduktion (...wie Hunger und Durst...oder emotionale
Abhängigkeit...), der Neid auf die soziale Macht(...)oder der Wunsch,
Kontrolle über das eigene Schicksal zu gewinnen...
Geschlechtsrollenidentifikation ist...das Ergebnis einer durch Strafen und
Belohnungen (Skinner 1974) beobachtetes Lernen und Identifikation
erlernten Konformität mit kulturellen Rollenmustern.“
(Nunner-Winkler in Deutsche Forschungsgemeinschaft 1994, S.69)
In der Psychoanalyse wird also die Identifikation von Mädchen und Jungen mit dem Elterteil gleichen Geschlechts betont.
Kinder werden in der Regel für Anpassung belohnt und für Abweichung bestraft, so dass sie die ihnen zugedachte „Rolle“ schnell verinnerlichen. Hiervon wird in der Lerntheorie ausgegangen.
Mischel (1966) bestätigt, dass Kinder Geschlechtsunterschiede, wie auch eine Reihe anderer Verhaltensweisen, erlernen können. Und zwar durch Bestrafen des „falschen“ Verhaltens und Belohnen des „richtigen“ Verhaltens
und durch Beobachten und Imitieren der sie umgebenden (in zwei Geschlechter aufgeteilten) Welt.
Dieser Theorie widerspricht u.a. Bem (1974). Denn wenn weibliches und männliches Rollenverhalten so leicht zu erlernen ist wie auch andere Verhaltensweisen, müsste es auch möglich sein, dieses Rollenverhalten ebenso leicht wieder zu verlernen/ abzulegen. Und das ist es eindeutig nicht...
(vgl. Meulenbelt 1985, S.99) Also kann nicht allein die Lerntheorie ausschlaggebend sein.
Eine einheitliche Sozialisationstheorie existiert auch heute nicht. Hierbei würde sich auch die Frage stellen, welches die „richtige“ ist, da sämtliche Untersuchungsergebnisse zum geschlechtsspezifischen Verhalten nicht ganz eindeutig sind und sich teilweise widersprechen. (Siehe hierzu auch die im Vorfeld zitierte These von Weitzmann, die besagt, dass geschlechtypisches Verhalten situationsspezifisch ist.)
Maccoby und Jacklin untersuchten eine große Anzahl wissenschaftlicher Arbeiten zum Beweis von vorhandenen Geschlechtsunterschieden daraufhin, ob auch tatsächlich Geschlechtsunterschiede nachgewiesen wurden. (Hier muß erwähnt werden, dass sich alle vorhandenen Untersuchungen auf Unterschiede beziehen, nicht auf Übereinstimmungen!) Die Untersuchungsmethoden wurden durchleuchtet. Dabei wurde offensichtlich, dass ein Großteil der angeblichen Beweise von Geschlechtsunterschieden keine wirklichen Beweise sind.
Nach etlichen Auswertungen blieben lediglich drei nachweisbare Eigenschaften...