2 Modelle
Während in Kapitel 1 eine Einordnung der Begrifflichkeiten und ein kurzer Überblick über ähnliche Begriffe erfolgte, liegt in diesem Kapitel der Schwerpunkt auf der Darstellung psychologischer Hintergrundinformationen, die bei der Entwicklung von Kompetenzmodellen wichtig sind. Leser, die einen schnellen Überblick über die relevanten Informationen in den einzelnen Unterkapiteln erlangen möchten, finden eine kurze Zusammenfassung zu Beginn jedes Unterkapitels. Die Hintergrundinformationen betreffen die folgenden fünf Bereiche:
Arbeits- und Anforderungsanalysen,
Modelle zur Beschreibung psychologischer Eigenschaften,
Modelle zur Beschreibung relevanter Kompetenzen für ausgewählte berufliche Tätigkeiten,
Modelle zur Beschreibung berufsbezogener Leistungen.
Diese Bereiche spielen in verschiedener Form zusammen und sollten berücksichtigt werden bei der Entwicklung eines Kompetenzmodells. Daher widmen wir uns in diesem Kapitel noch einmal ausführlicher den verschiedenen theoretischen Herangehensweisen der Arbeits- und Anforderungsanalyse.
Unterschiedliche Modelle zur Beschreibung psychologischer Eigenschaften
Es existieren verschiedene Modelle zur Beschreibung psychologischer Eigenschaften im Allgemeinen sowie zur Beschreibung psychologischer Eigenschaften im beruflichen Kontext. Wenn diese Eigenschaften relevant sind für die Leistung in bestimmten beruflichen Tätigkeitsbereichen, dann sprechen wir von Anforderungsmerkmalen. Wie bereits mehrfach erwähnt, bilden diese die Tiefenstruktur von Kompetenzmodellen. Daher widmen wir uns in diesem Kapitel auch verschiedenen Modellen zur Beschreibung menschlicher Eigenschaften, um den Leser mit den psychologisch etablierten Begrifflichkeiten vertraut zu machen.
Bislang haben wir immer ganz global von „Relevanz im Beruf“ oder „Relevanz in bestimmten Tätigkeitsbereichen“ gesprochen. Damit haben wir Bezug genommen auf berufliche Leistungen im Allgemeinen. Allerdings ist offensichtlich, dass man berufliche Leistungen auch differenziert betrachten kann und dies auch tun sollte. Einen Kollegen bei der Bewältigung von dessen Aufgaben zu unterstützen, kann ebenso relevant und wertvoll sein wie das Erreichen der eigenen Kernziele, wie etwa die zu Jahresbeginn vereinbarten Umsatzzahlen. Andererseits sind gerade für diese beiden Beispiele durchaus andere Anforderungen und Kompetenzen relevant. Daher werden wir in Kapitel 2.3 näher auf Modelle zur Beschreibung bestimmter beruflicher Leistungen eingehen, bevor wir ein allgemeines Kompetenzmodell vorstellen.
In Kapitel 2 sollen unter anderem die folgenden Fragen beantwortet werden:
Was leisten Arbeits- und Anforderungsanalysen? Welche Formen der Arbeits- und Anforderungsanalyse unterscheidet man?
Welche Modelle psychologischer Eigenschaften, die auch im Berufsleben eine Rolle spielen, gibt es?
Welche Modelle zur Beschreibung von beruflichen Leistungen gibt es?
2.1 Grundlegendes zu Arbeits- und Anforderungsanalysen
Überblick über die wichtigsten Inhalte dieses Abschnitts
Mithilfe von Arbeits- und Anforderungsanalysen kann man die Tiefenstruktur von Kompetenzmodellen ermitteln.
Es kann zwischen Aufgaben- und Ergebnisanforderungen (z. B. Durchführung von Mitarbeitergesprächen, Erhöhung der Umsatzzahlen), Verhaltensanforderungen (z. B. verbindlich auftreten) und Eigenschaftsanforderungen (z. B. Gewissenhaftigkeit, Intelligenz) unterschieden werden.
Als Wege zur Ermittlung von Anforderungen bietet sich an: Befragung von Experten (= erfahrungsbasiert-intuitive Methode), systematische Analyse des Arbeitsplatzes/der Tätigkeit (= arbeitsplatzanalytisch-empirische Methode), sowie Ermittlung des Zusammenhangs zwischen Merkmalen der Person und beruflichen Leistungen (personenbezogen-empirische Methode). Für letztere Methode bietet es sich ebenfalls an, einschlägige wissenschaftliche Untersuchungen zu berücksichtigen, die diesen Zusammenhang bereits geprüft haben.
Ebenen der Arbeits- und Anforderungsanalyse
Bereits in Kapitel 1.2.5 wurden der Unterschied bzw. die Gemeinsamkeiten zwischen Arbeits- und Anforderungsanalysen und Kompetenzmodellen erörtert. Mit Arbeits- und Anforderungsanalysen können berufsrelevante Anforderungen (d. h. berufsrelevante psychologische Eigenschaften) ermittelt werden. Es wurde ebenfalls bereits erwähnt, dass Anforderungen auf drei Ebenen ermittelt werden können – auf der Eigenschaftsebene, der Verhaltensebene sowie auf der Aufgaben- und Ergebnisebene (Schuler & Höft, 2004b). Dabei zielt man auf der Eigenschaftsebene darauf ab, relevante Eigenschaften, wie z. B. Gewissenhaftigkeit oder Flexibilität, also Merkmale der Person, zu ermitteln. Das Ergebnis einer Arbeits- und Anforderungsanalyse auf der Verhaltensebene sind Verhaltensweisen, die zur erfolgreichen Bewältigung einer beruflichen Tätigkeit unerlässlich bzw. sinnvoll sind. Wie der Begriff schon sagt, wird auf der Aufgaben- und Ergebnisebene analysiert, welche Aufgaben und Ergebnisse eine Tätigkeit mit sich bringt und welche grundsätzlichen Anforderungen daraus entstehen. Beispielhafte Ergebnisse der verschiedenen Ebenen der Arbeits- und Anforderungsanalyse sind in Abbildung 3 dargestellt.
Abbildung 3:
Drei Ebenen der Arbeits- und Anforderungsanalyse
Alle drei Ebenen sind nützlich bei der Ermittlung von Anforderungen. So lässt sich aus den Resultaten der Aufgaben- und Ergebnisebene leicht ableiten, welche grundlegenden Qualifikationen und Kenntnisse ein Mitarbeiter haben sollte. Beispielsweise könnte das Einweisen von Auszubildenden erfordern, dass man von der Industrie und Handelskammer (IHK) als Ausbilder zertifiziert ist; die Durchführung von Mitarbeitergesprächen erfordert Basis-Kenntnisse darüber, wie ein solches Gespräch aufgebaut und geführt werden sollte. In ein Kompetenzmodell können solche Ergebnisse als Basisqualifikationen oder Fachkompetenzen einfließen.
Verhaltensebene ist konkret
Resultate auf der Verhaltensebene haben den Vorteil, dass sie sehr konkret sind. Damit sind sie sehr gut geeignet, um plastisch darzustellen, was in einer bestimmten beruflichen Tätigkeit gefordert ist und wie man dies am besten umsetzt. Resultate der Verhaltensebene können in ein Kompetenzmodell einfließen, indem sie zur konkreten und verhaltensnahen Illustration der jeweiligen Anforderungen bzw. Kompetenzen herangezogen werden.
Eigenschaften als stabile Merkmale
Resultate der Eigenschaftsebene stellen in der Regel psychologische Merkmale einer Person dar, die über die Zeit stabil sind. Sie sind zwar weniger konkret, aber gerade wegen ihrer größeren Globalität kann man in der Regel davon ausgehen, dass sie für viele berufliche Situationen und Tätigkeiten gelten. Abbildung 4 veranschaulicht, wie die Resultate der verschiedenen Ebenen in ein Kompetenzmodell einfließen können.
Abbildung 4:
Einbezug verschiedener Ebenen der Arbeits- und Anforderungsanalyse in ein Kompetenzmodell
Drei Herangehensweisen
Bislang haben wir die Ebenen beschrieben, auf denen Arbeits- und Anforderungsanalysen ansetzen können. Daneben unterscheidet man drei prinzipielle Möglichkeiten, um etwas über relevante Tätigkeitsmerkmale und Anforderungen zu erfahren. Diese werden im Folgenden kurz dargestellt.
Vorgehensweisen der Arbeits- und Anforderungsanalyse
erfahrungsbasiert-intuitiv
arbeitsplatzanalytisch-empirisch
personenbezogen-empirisch
(Schuler, 2000)
Erfahrungsbasiert-intuitiv
Bei der erfahrungsbasiert-intuitiven Vorgehensweise befragt man sogenannte Subject-Matter-Experts (SMEs, also Experten auf dem jeweiligen Gebiet, für das Anforderungen ermittelt werden sollen) dazu, welche Anforderungen für eine bestimmte berufliche Tätigkeit wohl relevant seien. Diese Form der Anforderungsanalyse kann einzeln in Form von Interviews oder in Gruppen als Workshops durchgeführt werden. Die auf Basis eines solchen Vorgehens entwickelten Kompetenzmodelle werden häufig auch als normativ entwickelte Modelle bezeichnet.
Die Critical-Incident-Technik wird gerne als eine Möglichkeit der erfahrungsbasiert-intuitiven Vorgehensweise herangezogen. Diese Technik basiert im Wesentlichen darauf, dass Experten nach besonders positiven und besonders negativen Beispielen für relevante Verhaltensweisen der Arbeitsplatzinhaber befragt werden (vgl. S. 107).
Arbeitsplatz-analytisch-empirisch
Bei der arbeitsplatzanalytisch-empirischen Vorgehensweise versucht man mithilfe von standardisierten Instrumenten (Checklisten, Fragebögen) wichtige Charakteristika des Arbeitsplatzes zu ermitteln, um dann im nächsten Schritt auf die Anforderungen an Arbeitsplatzinhaber zu schließen, die aufgrund dieser Charakteristika entstehen.
Personenbezogen- empirisch
Bei der personenbezogen-empirischen Vorgehensweise schließt man aufgrund von Eigenschaften der Arbeitsplatzinhaber auf relevante Anforderungen....