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E-Book

Komplizierte Trauer

AutorHansjörg Znoj
VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl106 Seiten
ISBN9783840927201
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Der Verlust einer nahestehenden Person oder eines Intimpartners hat unmittelbar starke Auswirkungen auf die Lebensumstände. Er fordert eine hohe Anpassungsleistung und kann zu einer chronischen psychischen Störung führen. Andererseits verkomplizieren bereits existierende Probleme den Trauerprozess und können die bestehenden Störungen intensivieren. Der Band fasst die wichtigsten Befunde der Trauerforschung zusammen und erläutert das Vorgehen bei der Therapie einer komplizierten Trauerreaktion. Dieser Leitfaden richtet sich primär an Therapeuten und andere Fachkräfte, die mit trauernden Menschen konfrontiert werden. Er erläutert anhand von Beispielen das klärungs- und bewältigungs- orientierte Vorgehen. Zudem geht er auf die Bedeutung der Ressourcen- und Problemaktivierung ein, um die mit dem Verlust verbundenen Gefühle verarbeiten zu können. Die Neuauflage des Bandes greift aktuelle Forschungsergebnisse auf und berücksichtigt die neuen Diagnosemöglichkeiten beim Vorliegen einer komplizierten Trauer. Praxisorientiert wird aufgezeigt, wie die Behandlung von begleitenden Symptomen individuell angepasst und die Unterstützung bei der Verarbeitung des schweren Verlustes erfolgen kann.

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Kapitelübersicht
  1. KomplizierteTrauer
  2. Einführung
  3. 1Beschreibung von Trauerformen
  4. 2Störungstheorien und Störungsmodell
  5. 3Diagnostik und Intervention
  6. 4Behandlung und therapeutische Unterstützung
  7. 5Erfolgskriterien und mögliche Entwicklungen
  8. 6Weiterführende Literatur
  9. 7Literatur
  10. 8Anhang
  11. Karte
Leseprobe
1 Beschreibung von Trauerformen (S. 4-5)

1.1 Die Trauerreaktion

Der Begriff „Trauer“ ist besetzt von kulturellen Überlieferungen, die meist nicht dem individuellen Erleben entsprechen. Vielfach wird „Trauer“ metaphorisch als Bild einer ruhigen Winterlandschaft, eines Bächleins unter einer Eiskruste oder als entblätterter Baum umschrieben.

Diese Bilder sollen die Kontinuität des Lebens und die Trauer als einen Teil des Sterbens und Werdens in der Natur versinnbildlichen. Dieses Trauern gibt es so nicht; es ist ein Mythos, der wenig Raum für individuelle Gefühle zulässt. Gesellschaftliche Rituale sollen helfen, individuelle Gefühle zu fassen und in sozial akzeptierte Bahnen zu lenken. Weder Betroffene (aktuell Trauernde) noch potenziell Helfende (Familie, Freunde, Seelsorger, Ärzte oder Psychotherapeuten) sind vor solchen Vorstellungen gefeit. Gesellschaftliche Trauerformen und im Verlust erlebte Gefühle und entsprechende psychische Zustände sind nicht gleichzusetzen. Auch entspricht das „Trauern“ nicht dem Gefühl der Traurigkeit. Trauernde sind nicht immer in der Lage, sich traurig zu fühlen; das eigene Erleben wird oft als diskrepant zu den eigenen Vorstellungen und den gesellschaftlich geforderten Zuständen erlebt. Existierende Normen beinhalten zeitliche und örtliche Beschränkungen. Unter die zeitlichen Beschränkungen fallen beispielsweise „Schonzeiten“ des Arbeitgebers und zeitlich begrenzte Bestattungsrituale, unter die örtlichen Beschränkungen fallen Friedhöfe, Aufbahrungsorte und rituelle Begegnungsstätten.

Trauernde befinden sich in der Regel in sozialen Verbänden, die ihrerseits Forderungen stellen. Eine Mutter, welche um ihren verstorbenen Mann trauert, hat Kinder, welche ernährt und gepflegt werden müssen und in ihrer Trauer gestützt werden sollen. Zusätzlich ist sie mit neuen Aufgaben konfrontiert, in die sie sich selbst erst einarbeiten muss. Neben den zahlreichen organisatorischen Aufgaben, welche unmittelbar mit dem Verlust zusammenhängen, stellen sich unter Umständen finanzielle Engpässe ein; allfällige Vorwürfe von Verwandten können zusätzliche Schwierigkeiten bedeuten. Diese Vielzahl von Anforderungen erlaubt oft gar nicht, sich der eigenen Gefühlslagen bewusst zu werden, geschweige denn, für sich selbst zu sorgen. Die folgenden Beispiele zeigen Äußerungen von Menschen, die ihr Kind verloren haben:
• „Ein Teil in mir ist gestorben. Ich werde den Verlust das ganze Leben mit mir herumtragen.“
• „Für mich ist es, als hätte man mir ein Stück aus meinem Herzen herausgerissen.“ • „Dem Tod waren fast fünf Jahre Behandlung vorangegangen. Schlimm: Das dauernde auf und ab, die Ungewissheit, das Hoffen und Bangen. Erlebnis des Todes war für mich und meine Frau sehr traumatisch, kein Gefühl von Erlösung, weder für sie (die verstorbene Tochter), noch für uns.“
• „Andere (Bekannte) bekamen Kinder und ich brachte es nicht einmal fertig, in einen Kinderwagen zu schauen.“
• „Es ist Wahnsinn.“
• „Meine Gefühle sind abgestumpft.“
• „Ich habe viel weniger Vertrauen in die Menschheit.“
• „Ich bin enttäuscht von mir, habe Schuldgefühle.“
• „Erlebe vor allem Hass und keinen Glauben.“
• „Ich war erleichtert, als A. starb. Ich konnte nicht mehr sehen, wie sie die Kräfte verliert und nicht mehr lächelt. Ich habe gewusst, dass sie bei Gott in guten Händen ist.“
• „Trauer, Wut und Zorn auf mich, die Ärzte und alle Beteiligten, dass ihm nicht mehr geholfen werden kann – in der ersten Zeit fiel ich total aus dem gewohnten Rhythmus heraus – Erleichterung, dass seine Qualen, Schmerzen und Leiden ein Ende haben.“
• „Heute liebe ich ihn, wie als er noch lebte. Habe aber mein eigenes Leben wieder gut eingerichtet.“

Es gibt keine genormte Trauerreaktion. Dennoch lassen sich Grundzüge der Trauerreaktion beschreiben. Die oben zitierte Aussage: „Ein Teil in mir ist gestorben, ich werden den Verlust das ganze Leben lang mit mir herumtragen“, erscheint übertrieben, wenn es sich beim Verlust um einen entfernten, kaum bekannten Verwandten handelt. Als Aussage einer Mutter (64-jährig) bezüglich ihres jüngst verstorbenen Kindes erscheint uns jedoch auch die Fortführung des Gedanken – nämlich den Verlust das ganze Leben mit sich herumzutragen – zumindest verständlich, wenn auch nicht unbedingt nachvollziehbar. Die Trauer dauert länger, als dies allgemein unter Laien und Fachpersonen angenommen wird. Im Gegensatz zur Auffassung, dass eine Trauer „aufgelöst“ werden muss, bevor man sich wieder neuen Aufgaben oder Bindungen zuwenden kann, wird heute vertreten, dass das Erleben eines Verlustes in die persönliche Welt „eingebaut“ werden soll. Der Verlust soll akzeptiert werden und es kann dem oder der Trauernden selbst überlassen sein, wie stark die Beziehung zur verstorbenen Person aufrechterhalten bleibt. Die emotionale Belastung, die durch den Verlust einer nahestehenden Person ausgelöst wird, kann sich verschiedenartig äußern. Es kommen intensive Emotionen von Angst, Wut, Schuld und Trauer, aber auch Gefühle der emotionalen Leere, Kälte und Zustände von Erleichterung oder Einsamkeit
Inhaltsverzeichnis
KomplizierteTrauer1
Inhaltsverzeichnis7
Einführung9
1Beschreibung von Trauerformen12
1.1Die Trauerreaktion12
1.2Definition der Trauerreaktion14
1.3Die komplizierte Trauerreaktion23
1.4Verlauf und Prognose27
1.5Differenzialdiagnostische Aspekte28
1.6Komorbidität31
1.7Diagnostische Verfahren und Dokumentationshilfen34
2Störungstheorien und Störungsmodell35
2.1Funktion der verstorbenen Person für das Individuum36
2.2Der normale Verlauf der Trauer und Trauerverarbeitung45
2.3Die Trauerarbeit beeinträchtigende Faktoren48
2.4Entstehung der komplizierten Trauer51
2.5Das Aufschaukelungsmodell der komplizierten Trauer52
2.6Symptome der komplizierten Trauer54
3Diagnostik und Intervention56
3.1Erstgespräch58
3.2Differenzialdiagnose59
3.3Problemanalyse und weitere diagnostische Maßnahmen60
3.5Indikation64
4Behandlung und therapeutische Unterstützung65
4.1Behandlungsmethoden68
4.2Wirkungsweise der Methoden80
4.3Effektivität und Prognose83
4.4Therapieplanung83
4.5Durchführung der Therapie84
5Erfolgskriterien und mögliche Entwicklungen91
5.1Persönliches Wachstum91
5.2Spiritualität und religiöse Gefühle95
6Weiterführende Literatur95
7Literatur96
8Anhang102
Beratungsangebote und Selbsthilfegruppen102
Deutschsprachige Version des „Texas Revised Inventory of Grief“ (TRIG-D)104
Inventar Komplizierte Trauer – Deutschsprachige Version des „Inventory of Complicated Grief“ (ICG-D)105
Karte106

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