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Kosmische Erziehung in der Montessori-Pädagogik

Die Entstehung des Konzepts der Kosmischen Erziehung - Die Geschichte des Universums und unserer Erde

AutorHorst Schaub
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl238 Seiten
ISBN9783451804694
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
»Kosmische Erziehung' - dieser zentrale Begriff der Pädagogik Maria Montessoris ist manchen Missverständnissen ausgesetzt. Für Montessori selbst bündelt sich in diesem Ausdruck der Grundgedanke des Bildungsprogramms für Kinder von 6 bis 12 Jahren. In der vorliegenden Darstellung führt einer der besten Kenner erstmals in dieser umfassenden Form in das Konzept der Kosmischen Erziehung ein. In diesem ersten Band zeichnet er die Entstehung des Konzepts bei Maria Montessori und ihrem Sohn Mario nach und behandelt dann ein erstes großes thematisches Feld, die Geschichte des Universums und unserer Erde. Dabei stehen nicht allein die kognitiven, sondern auch die ethisch-praktischen Lernziele gleichwertig im Mittelpunkt.

Dr. Horst Schaub war 1973 bis 1993 Professor für Schulpädagogik im Fachbereich Erziehungswissenschaften der Universität Göttingen und von 1993 bis 2002 Professor im Fachbereich Erziehungs- und Sozialwissenschaften der Universität Hildesheim. Internationales Montessori-Diplom, Mitglied der Deutschen Montessori Gesellschaft und Dozent der Montessori-Vereinigung mit Sitz in Aachen.

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Leseprobe

Erster Teil


Grundlagen der »Kosmischen Erziehung«


1. Was bedeutet »Kosmische Erziehung« in der Montessori-Pädagogik? – Eine erste Orientierung


»Kosmische Erziehung«– dieser Begriff stößt oft auf Unverständnis und ist auch manchen Missverständnissen ausgesetzt. Das erste Kapitel skizziert in einem ersten Anlauf die Bedeutung und die Herkunft dieses pädagogischen Konzepts.

 

Schwierigkeiten mit dem Begriff

»Kosmische Erziehung«– was verbirgt sich hinter dieser Bezeichnung? Der Begriff ist in der allgemeinen pädagogischen Fachsprache wenig verbreitet und außerhalb der Fachkreise erst recht weitgehend unbekannt. Eltern, die ihr Kind in einer Montessori-Schule anmelden wollen, fragen sich deshalb nicht selten, was mit der »Kosmischen Erziehung« auf ihre Kinder zukommt. Aber auch Lehrerinnen und Lehrer anderer Schulen wissen häufig wenig damit anzufangen, und wenn überhaupt, dann sind es oft mehr oder weniger esoterische Assoziationen, die sie damit verbinden – oder es herrscht bei ihnen das Missverständnis, dass die »Kosmische Erziehung« in der Montessori-Schule einfach eine andere Bezeichnung für das Fach sei, das in der Regelschule »Sachunterricht« heißt. Wegen der Gefahr solcher Missverständnisse bei Eltern, Kollegen und in der Öffentlichkeit ist es notwendig, den von Maria Montessori (1870  1952) zusammen mit ihrem Sohn Mario Montessori (1898  1982) entwickelten Begriff »Kosmische Erziehung« und seine konzeptionelle Bedeutung in der Montessori-Pädagogik zu erläutern und ihn in seiner Entwicklung nachvollziehbar und verstehbar zu machen.

»Kosmische Erziehung« als Bildungsprogramm

Der Begriff und die Konzeption der »Kosmische Erziehung« beziehen sich nicht auf ein einzelnes Schulfach, sondern auf Maria und Mario Montessoris umfassendes Bildungsprogramm als »Grundstein der Schulerziehung« für die 6- bis 12-jährigen Kinder (Montessori 1988 : 42). Dieses grundlegende »Bildungsprogramm« ist nicht auf einen inhaltlichen Teilbereich schulbezogenen Lernens eingeschränkt, sondern umfasst in kindgemäßer Weise alle Bereiche unserer natürlichen und kulturellen Welt auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse. Die Kinder werden in die vielfältigen Zusammenhänge dieser Welt eingeführt und erwerben Wissen und Erkenntnisse über die Beziehungen unter den Dingen und die Welt als ein Ganzes. Ihr interessegeleitetes Arbeiten (Lernen) führt zum Staunen über die Vielfalt des Lebens von Pflanzen, Tieren und Menschen auf der Erde und die prachtvolle Größe des Universums. Die Kinder erwerben dadurch gerade in diesem Alter grundlegende Einstellungen im Sinne eines verantwortungsvollen Handelns in ihrer Umwelt und für den Frieden unter den Menschen in der Welt.

Erste Ansätze

In den 1930er Jahren kommt Maria Montessoris globale und universale Sicht der Welt in ihren Friedensvorträgen aus den Jahren 1932  1939 und in ihren ersten Vorträgen zur »Kosmischen Erziehung« im Januar 1936 zum Ausdruck. Die inzwischen 65-Jährige hatte im Anschluss an einen Kurs zur Erziehung 3- bis 6-jähriger Kinder in London zum ersten Mal in sechs Vorträgen ihre Vorstellungen von der Konzeption einer »Kosmischen Erziehung« für die 6- bis 12-Jährigen dargestellt (Montessori 2007, 2008, 2009). In diesen Vorträgen geht Montessori von den »kosmischen Gesetzen« (Naturgesetzen) im Universum und auf der Erde aus, geht dann auf die Wechselwirkungen und Kreisläufe in der Natur ein und kommt in den beiden letzten Vorträgen zur Frage nach der Stellung des Menschen in der auf neuen Erfindungen und moderner Technik basierenden Kultur von heute. Zum Abschluss beschreibt sie die Konsequenzen, die sich daraus für die Erziehung der Kinder ergeben.

Weiterentwicklungen des Konzepts

Die politisch-gesellschaftlichen Lebensbedingungen in diesen Jahren führten dazu, dass Maria und Mario Montessori die praktische Umsetzung dieser Vorstellungen von »Kosmischer Erziehung« erst in den 1940er Jahren, während des Zweiten Weltkriegs, in einer Montessori-Schule in Kodaikanal (Indien) weiterentwickeln und erproben konnten. Die veröffentlichten Vorträge von Maria und Mario Montessori aus diesen Jahren informieren über die sog. Kosmische Theorie als Grundlage der Kosmischen Erziehung und darüber, wie die »packende Geschichte« des Universums und der Erde dem Kind vorgestellt werden kann. Ungefähr zur gleichen Zeit, nämlich in den Jahren zwischen 1938 und 1951, entwickelte Maria Montessori ihre »Theorie der sensiblen Phasen« zu einer »Theorie der vier Entwicklungsstufen« von der Geburt bis zur Reife weiter und veranschaulichte diese 1950 (in Perugia) und 1951 (in Rom) mit zwei farbigen Diagrammen auf Schautafeln. Montessori verknüpfte jede dieser vier Stufen mit einem entsprechenden Erziehungskonzept. Die »Kosmische Erziehung« ist dabei das Erziehungskonzept für die zweite Entwicklungsstufe, die 6- bis 12-Jährigen.

Nach ihrer Rückkehr aus Indien führen Maria und Mario Montessori 1950 in der Universität Amsterdam eine internationale Montessori-Konferenz durch, in der sie zum ersten Mal in Europa über die Entwicklung der Konzeption der »Kosmischen Erziehung« in Indien informieren. In einem seiner Beiträge erzählt Mario Montessori Beispiele aus der Schule in Kodaikanal und vermittelt uns damit einen kleinen Eindruck von der Praxis der Kosmischen Erziehung:

 

Erste Unterrichtserfahrungen

»Wir begannen damit, den Kindern eine Vorstellung vom Universum und vom Sinn des menschlichen Lebens im Kosmos zu geben. Wenn Fragen aufkamen, verhalfen wir ihnen mithilfe einfacher und konkreter Hilfsmittel zu einem genaueren Verständnis der Wirklichkeit und der Ordnung der Weltereignisse.« Die Kinder »glaubten, dass sich Geschichte nur auf das bezöge, was in Indien geschah, und dass ihr Volk das älteste der Welt sei, weil es eine so alte Zivilisation habe. Sie waren verzückt von unseren Geschichten über altägyptische Geschichte und darüber, dass der Mensch ein sehr junges Geschöpf auf der Erde ist. Diese letzte Tatsache illustrierten wir mithilfe eines schwarzen Bandes von 100 Metern Länge, dessen 0,5 cm langes, pinkfarbenes Ende die Geschichte der Menschen...

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