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Krankhaftes Schwitzen

Ein Ratgeber für Betroffene und Angehörige

AutorFalk G. Bechara, Johannes Schmidt, Klaus Hoffmann, Peter Altmeyer
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl164 Seiten
ISBN9783170294844
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis18,99 EUR
Von Hyperhidrose Betroffene leiden stark unter der Erkrankung. Oft wird übermäßiges Schwitzen nicht als Krankheit erkannt, sondern fälschlicherweise mit mangelnder Hygiene assoziiert, und führt nicht selten zur sozialen Isolation. Auch die Suche nach einem kompetenten Therapeuten und einer geeigneten Behandlungsmethode ist häufig nicht einfach. Neben einer Beschreibung der Anatomie der Schweißdrüsen und des physiologischen Vorgangs des Schwitzens legen die Autoren großen Wert auf die Unterscheidung verschiedener Formen der Hyperhidrose und deren psychosoziale Auswirkungen. Den Kern des Buches bildet die Darstellung aller derzeit verfügbaren Behandlungsmethoden, darunter sowohl konservative Ansätze als auch neueste Operationstechniken. Betroffene, aber auch behandelnde Ärzte erhalten hierdurch einen Überblick über die vielfältigen Ursachen und Therapieansätze. Praktische Tipps zur Kostenübernahme durch Krankenkassen runden den Band ab.

PD Dr. Falk G. Bechara, Klinik für Dermatologie und Allergologie, Ruhr-Universität Bochum, Arbeits-/Forschungsschwerpunkt: Hyperhidrose. Prof. Dr. Johannes Schmidt, Chefarzt der chirurgischen Abteilung, Lutherhaus Essen, Arbeitsschwerpunkt: endoskopisch transthorakale Sympathektomie. Dr. Klaus Hoffmann, leitender Oberarzt der Klinik für Dermatologie und Allergologie, Arbeitsschwerpunkt: Ästhetische Medizin. Prof. Dr. Peter Altmeyer, Direktor der Klinik für Dermatologie und Allergologie, Ruhr-Universität Bochum.

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Leseprobe

3 Hyperhidrose: Das krankhafte Schwitzen


3.1 Einteilung der Hyperhidrosen


Was ist eine Hyperhidrose?

Im Gegensatz zum physiologischen Schwitzen bezeichnet der Begriff »Hyperhidrose« eine Form des Schwitzens, welche über das physiologische Maß hinausgeht.

Im allgemeinen ist hiermit gemeint, dass das Schwitzen die Erfordernisse der Wärmeregulation (Thermoregulation) übersteigt. Die Hyperhidrose, im alltäglichen Sprachgebrauch auch »krankhaftes Schwitzen« genannt, wird somit nicht allein über die Schweißmenge definiert, sondern gilt als Fehlfunktion des Schwitzens an sich.

Dies bedeutet, dass auch ein starkes Schwitzen physiologisch, d. h. im Sinne der Definition, normal sein kann, solange die Thermoregulation regelrecht abläuft (z.B. in der Sauna). Das hat zur Folge, dass es keine scharfe Abgrenzung vom physiologischen zum krankhaften (pathologischen) Schwitzen gibt, sondern die Übergänge zwischen Norm- und Hyperhidrose fließend sein können.

Ist die Hyperhidrose eine wirkliche Erkrankung?

Diese Frage ist ganz klar mit »Ja« zu beantworten. Es besteht heutzutage ein allgemeiner Konsens, dass es sich bei der Hyperhidrose um einen behandlungsbedürftigen Krankheitszustand handelt und keinesfalls um ein rein kosmetisches Problem. Zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten konnten die deutlich reduzierte Lebensqualität von Patienten mit Hyperhidrose aufweisen sowie die Belastung der Betroffenen im Alltag untermauern. Hierbei müssen vor allem drei Bereiche angesprochen werden:

  1. Die schwere psycho-soziale Belastung,
  2. ökonomische- und arbeitsmedizinische Folgen sowie
  3. Folgeerkrankungen, die aufgrund einer Hyperhidrose entstehen können.

Gibt es unterschiedliche Formen der Hyperhidrose?

Ja, man unterscheidet verschiedene Klassen der Hyperhidrose, die anhand unterschiedlicher Kriterien festgelegt werden. In einem ersten Schritt wird die Hyperhidrose in eine primäre und in eine sekundäre Hyperhidrose unterteilt.

Dabei liegt der primären Hyperhidrose definitionsgemäß keine Grunderkrankung oder externe Ursache zugrunde. Demgegenüber tritt die sekundäre (symptomatische) Hyperhidrose als Krankheitssyndrom einer in der Regel internistischen oder neurologischen Ursache auf.

Eine andere Unterteilung erfolgt nach der Lokalisation des Schwitzens (z. B. Hyperhidrosis axillaris [Achselschwitzen], Hyperhidrosis manuum [Handschwitzen]). So können Patienten nur an bestimmten Körperstellen schwitzen (fokale Hyperhidrose) oder auch am gesamten Körper (generalisierte Hyperhidrose).

3.1.1 Die sekundäre (symptomatische) Hyperhidrose


Welche Erkrankungen können eine sekundäre Hyperhidrose auslösen?

Die Liste der möglichen zugrunde liegenden Erkrankungen ist lang. Häufige Ursachen der sekundären Hyperhidrosen sind Infektionskrankheiten (z. B. Lungenentzündung), Tumorerkrankungen, Stoffwechselerkrankungen (z. B. Diabetes mellitus), Störungen im Hormonhaushalt (z.B. Schilddrüsenüberfunktion) oder neurologische Krankheitsbilder (z. B. Morbus Parkinson). Auch Vergiftungen (z. B. Fliegenpilz) können eine sekundäre Hyperhidrose verursachen.

Schwitzen diese Patienten mit sekundärer Hyperhidrose (z. B. im Rahmen eines Infektes) an bestimmten Körperstellen?

Bei diesen zugrunde liegenden Erkrankungen äußert sich die Hyperhidrose vor allem als generalisiertes, krankhaftes Schwitzen, d.h. die Patienten schwitzen am gesamten Körper. Viel seltener hingegen sind sekundäre Hyperhidrosen, die nur in bestimmten Körperabschnitten, also fokal auftreten.

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Merke!

Bei einer sekundären Hyperhidrose schwitzen die Betroffenen meist auch in der Nacht sehr stark. Wenn dies der Fall ist, sollte unbedingt eine Abklärung durch den behandelnden Arzt erfolgen, um der genauen Ursache auf den Grund zu gehen.

Gibt es besondere Ursachen, wenn man sekundär nur an einer Körperstelle krankhaft schwitzt?

Fast immer liegen diesen symptomatischen, fokalen Hyperhidrosen Schädigungen von Nervenbahnen zugrunde. So kann es z. B. nach Schädigung des Sympathikus im Halsbereich (z. B. bei einer Schilddrüsen-Operation) zu lokalisierten hyperhidrotischen Arealen im Kopfbereich kommen. Ein Beispiel für einseitiges Handschwitzen kann ein Karpaltunnel-Syndrom sein. Hierbei kommt es durch eine Einengung von Nerven im Handgelenksbereich zu einer Hyperhidrose der betroffenen Hand.

Kann ich auch am gesamten Körper schwitzen, ohne dass eine schwere Grunderkrankung vorliegt?

Ja, auch wenn dies viel seltener ist als das fokale Schwitzen. Man spricht dann von einer primären generalisierten Hyperhidrose. Hierbei kann der Patient am gesamten Körper schwitzen, ohne dass eine Grundkrankheit vorhanden ist.

Abzugrenzen sind diese Formen des primären generalisierten Schwitzens von einem generalisierten Schwitzen ohne krankhaften Wert. So ist es völlig normal, dass bei großer Hitze (z. B. Sauna), im Rahmen einer Akklimatisierung und auch bei starker körperlicher Anstrengung ein ausgeprägtes generalisiertes Schwitzen auftritt. Gleichermaßen kann das Konsumieren großer Mengen heißer Speisen oder Getränke ebenfalls ein Schwitzen am gesamten Körper hervorrufen.

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Merke!

Personen mit starkem Übergewicht (Adipositas) zeigen häufig ein generalisiertes Schwitzen, welches sich oft nach Gewichtsreduktion normalisiert.

3.1.2 Die primäre fokale Hyperhidrose


Wie wird die primäre Hyperhidrose unterteilt?

Die primäre Hyperhidrose tritt im Gegensatz zur sekundären fast immer fokal, d. h. an umschriebenen Körperstellen auf. Hier sind die betroffenen Stellen vor allem diejenigen, die dicht mit ekkrinen Schweißdrüsen besiedelt sind. Dies sind die Achselhöhlen (Hyperhidrosis axillaris), Handflächen (Hyperhidrosis manuum), Fußsohlen (Hyperhidrosis pedum) sowie der Stirnbereich (Hyperhidrosis faciei). Bezüglich der typischen Lokalisation der primären fokalen Hyperhidrosen siehe auch Abbildung 4.

Wie häufig ist das Phänomen der fokalen Hyperhidrose?

Bis heute gibt es keine gesicherten Daten über die Häufigkeit der Hyperhidrose. Je nach wissenschaftlicher Untersuchung werden für die fokale Hyperhidrose (d. h. das krankhafte Schwitzen an bestimmten Körperstellen) Häufigkeiten von 0,5 bis 3 % der Bevölkerung genannt.

Zu beachten ist jedoch, dass die Dunkelziffer der Hyperhidrose-Patienten höher sein dürfte, da sich viele Patienten wegen der oft als peinlich empfundenen Erkrankung nicht an einen behandelnden Arzt wenden.

Welches ist die häufigste Form des fokalen Schwitzens?

Unter den verschiedenen Formen der Hyperhidrosen scheint die Hyperhidrosis axillaris die häufigste Form darzustellen, gefolgt von der Hyperhidrosis manuum und der Hyperhidrosis pedum. Hierbei können nicht nur isolierte Formen auftreten, sondern durchaus auch kombinierte Schwitzformen, bei denen sowohl die Achselregion als auch die Hände und Füße gleichzeitig betroffen sind. Auch die Kombination von Hand- und Fußschweiß ist oft zu beobachten. Man spricht in diesen Fällen von kombinierten fokalen Hyperhidrosen.

Abbildung 4: Die häufigsten Lokalisationen der primären fokalen Hyperhidrose sind blau markiert: Achselbereich (Hyperhidrosis axillaris), Handflächen (Hyperhidrosis manuum), Fußsohlen (Hyperhidrosis pedum) und Stirnbereich (Hyperhidrosis faciei).

Wann tritt die fokale Hyperhidrose in der Regel auf?

Ein bestimmtes Alter, in dem die Hyperhidrose erstmalig auftritt, gibt es nicht. Prinzipiell kann eine sekundäre Hyperhidrose in jedem Alter auftreten. Bei den fokalen Formen ist es jedoch typisch, dass der Erkrankungsbeginn vor dem 30. Lebensjahr stattfindet. Sehr häufig berichten Patienten mit einer Hyperhidrosis axillaris, dass der Erkrankungsbeginn in zeitlichem Zusammenhang zur Pubertät lag. Hingegen berichten Patienten mit einer Hyperhidrosis manuum und pedum häufig, dass das krankhafte Schwitzen bereits im Kindesalter eingetreten sei und seitdem fortbestehe.

Gibt es eine Einteilung für den Schweregrad der Hyperhidrose?

Zur klinischen Einteilung des Schweregrades einer Hyperhidrose gibt es eine semiquantitative Klassifikation, die zwischen der Hyperhidrosis axillaris sowie der Hyperhidrosis manuum und pedum unterscheidet.

Die Klassifikation (Tab. 1) richtet sich bei der Hyperhidrosis axillaris nach der Größe der Schweißflecken an der Kleidung. Bei der Hyperhidrosis manuum und pedum richtet sich die Einteilung nach dem sichtbaren Schweiß an Hand- und Fußflächen, wobei die Einteilung von sehr feuchter Haut bis hin zu abtropfendem Schweiß reicht.

Tabelle 1: Einteilung des krankhaften Schwitzens in verschiedene Schweregrade: Achselschwitzen (A) und Hand- und Fußschwitzen (P) werden nach der Schwitzfläche und der klinischen Ausprägung beurteilt (Wörle B et al., Leitlinien der DDG. Definition u. Therapie der primären Hyperhidrose © 2007 DDG. Reproduced with kind permisson of Blackwell Publishing Ltd.).

Grad I

Leichte Hyperhidrose

A + P: Deutlich vermehrte Hautfeuchtigkeit

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