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Kreativität in Theorie und Praxis

Bildungsförderung in Kita und Kindergarten

AutorDaniela Braun
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl112 Seiten
ISBN9783451804700
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Kindliche Kreativität zu stärken und fördern ist für eine erfolgreiche Bildungsarbeit im Kindergarten unverzichtbar. Die Autorin führt in die Grundzüge der Kreativitätsforschung ein, verdeutlicht die Bedeutung der Kreativitätsförderung in der Elementarpädagogik und beschreibt, wie Erwachsene die kindliche Kreativität als eine der wichtigsten Lebenskompetenzen stärken können.

Dr. Daniela Braun ist Professorin an der FH Koblenz und leitet den dualen Studiengang »Bildung und Erziehung« (B.A.). Bekannt durch Bücher, Vorträge und Forschungsprojekte im Bereich der Frühen Kindheit.

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Kreativität, Bildung und Erziehung


  • Wie hängen Kreativität und Bildung zusammen?
  • Wie entstehen bei Kindern Selbstbildungsprozesse?
  • Warum ist Bildung mehr als bloßes Lernen?
  • Wie hat sich das Verständnis von Bildung und Erziehung im Lauf der Zeit entwickelt?
  • Was sind Ko-Konstruktionen im Zusammenhang mit Bildung?
  • Wie nimmt die Interaktion des Kindes mit seiner Umwelt Einfluss auf seine Selbstbildungsprozesse?
  • Was bedeutet ganzheitliches Lernen bei Kindern?

3.1 Bildung und Selbst-Bildung


In dem Wort Bildung steckt der Begriff »Bild«, der von dem mittelhochdeutschen Wort »bilde« mit der Bedeutung »Bild, Werk, Gestalt, Art, Vorbild« abstammt. Das Verb »bilden« bedeutete im Mittelhochdeutschen »gestalten, formen, darstellen, nachbilden« und »Bildunge«– unser heutiges Wort für Bildung – bedeutete »Bildnis, Gestalt, sinnliche Vorstellung und Vorstellungskraft« (vgl. Köbler 1995, S. 59).

Bildung kommt hauptsächlich von innen

Vergleicht man die Ansätze Deweys mit der aktuellen Diskussion um frühkindliche Bildung, dann wird deutlich, dass seine Auffassungen nichts an Aktualität verloren haben: Individuelle Fähigkeiten, Kenntnisse, Werte, Denkformen, autonomes und soziales Handeln sowie individuelle Einstellungen, Haltungen und Fähigkeiten können nicht von außen vermittelt werden, sondern müssen vom Kind in seinem Inneren – in einem subjektiven Verarbeitungsprozess – aktiv konstruiert und entwickelt werden. In diesem Sinne sind Kinder aktive Gestalter ihrer Bildungsprozesse. Sie konstruieren ein Bild von der Welt, erwerben Fähigkeiten in der Auseinandersetzung mit Problemstellungen, planen Problemlösungen, probieren sich aus und wachsen sowohl an ihren Erfolgen als auch an ihren Misserfolgen (vgl. Braun/​Dieckerhoff 2009). Über ihre Sinne und durch ihr Handeln lernen Kinder die Welt, in der sie leben, kennen. Innere Strukturen entwickeln sich, auf denen alles Denken und Fühlen des Kindes nachhaltig aufbaut. In diesem Sinne sind Bildungsprozesse von Kindern immer auch Selbst-Bildungsprozesse. Sie werden von dem sich selbst bildenden Kind aktiv organisiert und gesteuert, wenn auch manchmal auf eine Weise, die nicht den Erwartungen der Erwachsenen entspricht. Das Kind ist somit Konstrukteur seiner Welt und seines eigenen Selbst. Daher muss im pädagogischen Kontext das Kind als ein selbstständig denkendes und handelndes Wesen verstanden werden.

Frühkindliche Bildung sollte von den Potenzialen des Kindes ausgehen

Kinder sind Akteure und nicht passive Objekte ihrer Lebenswelt. Die Hirnforschung bestätigt diesen vom Konstruktivismus vertretenen inneren Verarbeitungsprozess des Kindes und belegt, dass Prozesse der kindlichen Wahrnehmung nicht objektive äußere Zustände wiedergeben, sondern sich aus subjektiven Konstruktionen und individuellen Interpretationen ergeben (vgl. Braun/​Dieckerhoff 2009). Die moderne Auffassung vom Kind als eigenständige Persönlichkeit und Akteur seiner Bildung hat alle Bereiche der Gesellschaft durchdrungen. Die Erkenntnis, dass frühkindliche Bildung nur effizient unter Aufgreifen der Potenziale des Kindes geschehen kann, ist mittlerweile unstrittig.

3.2 Das Verständnis von Bildung und Erziehung


Frühkindliche Bildung hat Hochkonjunktur. Bildung stellt das eigenwillige, selbsttätige Handeln eines Individuums in den Mittelpunkt. Lernen ist Voraussetzung für Bildung und frühes Lernen folglich Voraussetzung für frühe Bildung (vgl. Schäfer 2003).

  • Bildung ist letztlich immer Selbstbildung, daran ändert auch die Unterstützung durch andere nichts.
  • Lernen muss immer einen persönlichen Sinn ergeben, damit es bildend wirken kann.
  • In Bildungsprozessen werden Handeln, Fühlen, Denken, Werte und sozialer Austausch sowie Sinnerfahrung und Sinngebung in Einklang gebracht.
  • Bildungsprozesse verknüpfen Selbst- und Weltbilder zu einem spannenden Gesamtbild.

Für Laewen (2002) ist Bildung sogar ein Begriff, der sich nicht so ohne Weiteres definieren lässt. Trotz aller Heterogenität in Bezug auf die Deutung des Bildungsbegriffs existiert aber ein Minimalkonsens, der auf den Annahmen von Humboldt basiert. Das Thema von Bildung ist und bleibt das Verhältnis zwischen Mensch und Welt, d. h. die Beziehung zwischen den Menschen und der sie umgebenden Welt. Bildung ist ein aktiver, komplexer und lebenslanger Prozess der Entwicklung einer selbstständigen und selbsttätigen, problemlösungsfähigen und lebenstüchtigen Persönlichkeit (vgl. Goeudevert 2001). Wissen ist nicht alleiniges Ziel von Bildung.

Unterschiede der Begriffe »Bildung« und »Erziehung«

Eine weitere Besonderheit in der aktuellen Bildungsdiskussion ist die Trennungslinie zwischen Bildung und Erziehung. Im Gegensatz zu den meisten westlichen Ländern wird im deutschen Sprachgebrauch zwischen Bildung und Erziehung unterschieden. Der Erziehungsbegriff hat im Gegensatz zum Bildungsbegriff jedoch eine stark hierarchische Komponente, indem der Erziehende dem zu Erziehenden ein bestimmtes Verhalten abverlangt, das auf der Basis gesellschaftlicher Werte und Normen akzeptiert ist, und ihm so eine Anpassung an soziales Leben ermöglicht. Erziehung ist das ethisch vertretbare Einwirken eines Erziehenden auf den zu Erziehenden. Im Abgrenzung zu Erziehung steht der Bildungsbegriff, der einen bestimmten Entwicklungsgrad individueller Freiheit beinhaltet, welcher unverzichtbar ist für die selbstbestimmte Auseinandersetzung mit der Lebenswelt.

Der Bildungsbegriff bei Humboldt

Wilhelm von Humboldt (* 22. Juni 1767 in Potsdam, † 8. April 1835 in Tegel), der Namensgeber der heutigen Humboldt-Universität in Berlin, war ein deutscher Gelehrter und Staatsmann. Humboldt gilt als Begründer der Bildungstheorien überhaupt und schuf die neuhumanistische Bildungstheorie. Darin geht es um Aufklärung und Selbstverwirklichung des Menschen in der Auseinandersetzung mit der Welt. Die Welt ist dabei all das, was der Mensch selbst nicht ist. Bildung ist für Humboldt kein Weg, der nach innen führt, sondern nach außen, hin zur Welt. Mit dem Ziel einer allgemeinen Menschenbildung sind bereits von Humboldt die wichtigsten Dimensionen von Bildung erkannt worden, die für ihn in sprachlichen, ästhetischen, mathematischen und historischen Perspektiven liegen. Richtschnur für eine derart verstandene Bildung ist die Individualität eines jeden Menschen.

Die Grundhaltung von Humboldts Aussagen finden wir übrigens noch heute in den Bildungsplänen der Bundesländer für Kindertageseinrichtungen wieder.

Humboldt hat unser Verständnis von Bildung bis heute geprägt

Die Erkenntnis, dass Bildung mit gesellschaftlichen Verhältnissen verbunden ist, haben wir der Kritischen Bildungstheorie Theodor W. Adornos (1903  1969) zu verdanken. Er stellte jede Bildung in Frage, welche dem Individuum die Möglichkeit zur kritischen Reflexion vorenthält. Ihm ging es um die Betrachtung der gesellschaftlichen Verhältnisse, welche Bildung beeinflussen, ermöglichen oder gar verhindern. Die erste PISA-Studie aus dem Jahre 2001 hat auf der Basis dieser Erkenntnis die Frage gestellt, ob es unterschiedliche Bildungschancen für Kinder aus unterschiedlichen familiären Verhältnissen und Milieus gibt, mit dem Ergebnis, dass Kinder aus benachteiligten Familien auch in Bildungserfolgen benachteiligt sind, was sich aber mit den letzten Ergebnissen der PISA-Studie 2010 glücklicherweise (zumindest bezogen auf Kinder mit anderskulturellen Familienhintergründen) relativiert hat.

Insofern ist auch Selbstbildung ein konstruktiver Prozess, denn das Individuum konstruiert seine individuellen Lernprozesse selbst. Durch die Auseinandersetzung mit Ideen und Konzepten aus der umgebenden Umwelt und deren Interpretation entstehen Erkenntnisse und Wissensbestände. Auch die Informationen, die durch die Sinnesorgane aufgenommen werden, sind nicht objektive Abbilder der Welt, sondern bereits durch die Sinnesorgane selbst gefilterte, verarbeitete und interpretierte Informationen. Entscheidende Bedeutung für die Verwertung der Sinnesreize haben dabei Vorwissen und Vorerfahrungen. Erkenntnisse und Wissensbestände können daher als individuelle Konstruktionen eines aktiv Lernenden bezeichnet werden.

Aus diesem kurzen Exkurs in die historische Diskussion darum, was Bildung ist, welche individuelle und gesellschaftliche Relevanz sie hat und welch subjektive Konstruktionsprozesse mit Bildung verbunden sind, soll deutlich werden, dass das aktuelle Verständnis von kindlichen Selbstbildungsprozessen auf einer breiten Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse aufbaut, welche stets das Individuum in Interaktion mit anderen Menschen bzw. seiner Lebensumwelt versteht. Alle Bildungs- und Lernprozesse sind eingebunden in ein soziales Umfeld. Das Kind befindet sich immer in einer Interaktion mit der sozialen und dinglichen Welt.

Ko-Konstruktion heißt, gemeinsam eine Sicht von der Welt zu entwickeln

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