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E-Book

Sozial-emotionale Entwicklung fördern

Wie Kinder in Gemeinschaft stark werden

AutorSimone Pfeffer
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl96 Seiten
ISBN9783451804724
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Was sind emotionale und soziale Kompetenzen und warum ist ihre Förderung wichtig? Welche Unterstützung benötigen Kinder zwischen 2 und 6 von Erzieherinnen und Eltern, damit sie ihren Platz in der Gruppe finden und sich zu selbstbewussten und sozial kompetenten Persönlichkeiten entwickeln? Das Buch bietet konkrete Hilfen für den Umgang mit Konflikten und Bedürfnissen und zeigt, wie die Kinder altersgerecht und individuell gefördert werden können.

Simone Pfeffer ist Professorin für Soziologie an der Ohm-Hochschule Nürnberg, Supervisorin, Lehrtrainerin und Autorin pädagogischer Fachbücher.

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Leseprobe

2


Sprache – Ausdrucksmittel von Gefühlen


  • Auf welchen Ebenen findet die Verständigung über Gefühle, Bedürfnisse und Interessen statt?
  • Welche Fähigkeiten bilden die Grundlage, um Interessen verhandeln zu können?
  • Gibt es einen Zusammenhang von Sprachentwicklung und Sozialverhalten?
  • Wie kann das Erkennen und Verstehen von nonverbalen Zeichen unterstützt werden?
  • Wo kann eine Förderung der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit ansetzen? Welche Art von Wortschatz ist wichtig, um Konflikte zu lösen?

Ein bedeutsamer Einflussfaktor im Entwicklungsprozess der emotionalen und sozialen Kompetenz ist die Sprachentwicklung (Koglin/​Petermann 2006, S. 25). Das Bewusstsein über das eigene Befinden, die Ausdrucksmöglichkeiten von Gefühlen und Bedürfnissen und der Austausch mit anderen sind auch abhängig von der Ausprägung der sprachlichen Fähigkeiten.

2.1 Kommunikation findet auf mehreren Ebenen statt


Auf der nonverbalen Ebene teilt eine Person über ihren mimischen und gestischen Ausdruck Gefühle und Bedürfnisse mit, die andere Personen wahrnehmen und deuten. Auf der sprachlichen Ebene werden Worte und Sätze als Symbole für Gefühle und Bedürfnisse eingesetzt. Sie werden von parasprachlichen Merkmalen wie Stimmlage, Sprechgeschwindigkeit oder Betonung begleitet, die die Wortbedeutung emotional färben. Die Entwicklung der Sprache – verbal und nonverbal – ist ein vielschichtiger Prozess. Die Qualität des Entwicklungsprozesses beeinflusst das Miteinander und die Qualität der Austauschbeziehungen.

In der Bauecke

Jens und Tobias bauen nebeneinander in der geräumigen Bauecke mit Bausteinen. Jens ist viereinhalb Jahre, Tobias ist vor kurzem fünf geworden. Zunächst ist die Atmosphäre in der Bauecke harmonisch und friedlich. Tobias gestaltet eine Zooanlage mit verschiedenen Tiergehegen, während Jens an einem Haus mit Parkplätzen arbeitet. Tobias breitet sich im Zuge seiner Bauaktivität immer mehr aus und beansprucht zunehmend Platz und Bausteine. Jens zeigt zunächst einige Male nonverbal, dass er sich bei seiner Tätigkeit gestört fühlt. Er runzelt die Stirn, schaut ärgerlich, versucht seinen Raum mit dem Körper abzuschirmen und nimmt sich mehrere Bausteine auf einmal, um sie zu »bunkern«. Tobias reagiert nicht auf die Signale von Jens, sondern baut weiter an seinem Zoo. Als Jens schließlich kaum noch Platz und Bausteine hat, schubst er Tobias heftig weg und nimmt sich Bausteine aus einem Zoogehege von Tobias.

Leicht ist vorstellbar, dass sich diese Situation zu einem handfesten Streit auswächst. Dabei ist die Situation anfangs nicht angespannt, sondern friedlich. Die Spannung baut sich auf, weil die Bedürfnisse auf der einen Seite nicht wahrgenommen und auf der anderen Seite nicht deutlicher geäußert werden. Tobias nimmt die verschiedenen nonverbalen Hinweise von Jens nicht wahr oder entschlüsselt sie nicht in der situativen Bedeutung. Jens hingegen übermittelt seine Befindlichkeit ausschließlich über die Körpersprache. Als Tobias darauf nicht reagiert, versucht er nicht, verbal seine Interessen zu verhandeln, sondern lässt Tobias so lange gewähren, bis seine Wut über die Grenzverletzung so groß ist, dass er körperlich angreift und nun seinerseits Grenzen verletzt.

Diese Situation wäre bei zwei- bis dreijährigen Kindern noch als adäquate Kommunikation zu deuten, da sie sich am Anfang ihrer Sprachentwicklung befinden und ihnen daher verbale Möglichkeiten, diesen Konflikt auszutragen, kaum zur Verfügung stehen. Im Alter von Tobias und Jens hingegen könnten jedoch bereits andere kommunikative Möglichkeiten zum Einsatz kommen.

2.2 Unsicherheit im Ausdruck zeigt sich auch im Sozialverhalten


Mangelnde sprachliche Ausdrucksfähigkeit und deren Folgen im sozialen Bereich betreffen gerade deutsche Kinder, die im sprachlichen Bereich wenig Anregung oder Förderung erfahren haben. Eine ähnliche Problematik zeigt sich bei der sogenannten »doppelten Halbsprachigkeit« des Teils der Kinder mit Migrationshintergrund, die zwar die Muttersprache und die deutsche Sprache halbwegs sprechen können, aber nicht wirklich gut beherrschen. Das Problem sind nicht die sprachlichen Fehler, so die Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Christiane Winter-Heider, sondern die Unsicherheit im Ausdruck, was sich unter anderem im Sozialverhalten zeigt: »Wenn man seine Gefühle nicht in Sprache ausdrücken kann, dann regiert entweder die Faust oder man zieht sich zurück. Die einen reagieren mit Aggression, die anderen ziehen sich zurück. Jene, die sich zurückziehen, sind nicht besser dran, sie bekommen weniger Unterstützung, weil sie weniger auffallen« (Winter-Heider 2010). Wichtig für die Sprachentwicklung ist hier nicht nur die Förderung der deutschen Sprache, sondern auch die der Muttersprache, um generell die sprachliche Ausdrucksfähigkeit zu unterstützen. In Kanada oder in Schweden ist es zum Beispiel selbstverständlich, neben Französisch- oder Englischunterricht auch Unterricht in der Herkunftssprache zu erhalten, denn die gute Beherrschung der Muttersprache wirkt sich auch positiv auf die Sprachfähigkeit in einer Zweitsprache aus.

Das im Beispiel beschriebene Verhalten von Tobias und Jens lässt auch noch andere Interpretationen zu. So könnte Tobias Nicht-Wahrnehmung der Signale auch damit erklärt werden, dass er in seine Tätigkeit vertieft ist und wenig Aufmerksamkeit für andere hat. Dann wäre die Förderung der Empathie ein schlüssiger Ansatzpunkt. Ebenso könnte man bei Jens annehmen, dass er über die grundlegenden sprachlichen Fähigkeiten zwar verfügt, aber Probleme bei der Durchsetzung eigener Bedürfnisse hat. Dann wäre hier die Arbeit an Ressourcen, wie zum Beispiel an Selbstwert und Mut, sinnvoll. Die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten zeigen, wie wichtig die Beobachtung und eine ganzheitliche Sicht sind, um jedes Kind individuell fördern zu können.

Praxis-Anregungen zur Förderung


Welche Problemverursacher gibt es?

  • Der nonverbale Ausdruck von Emotionen (hier von Grenzverletzungen) wird nicht wahrgenommen oder in der situativen Bedeutung erfasst.
  • Gefühle und Bedürfnisse können nicht verbalisiert, Interessen nicht verhandelt werden.

Ansatzpunkte einer Förderung können sein:

  • Emotionen bei sich und anderen wahrnehmen und sprachlich ausdrücken
  • Nonverbalen Ausdruck (Mimik, Gestik) wahrnehmen und verstehen
  • Emotionswortschatz erweitern.

Der Gefühlswürfel

Ein inzwischen recht bekanntes pädagogisches Instrument ist der Gefühlswürfel. Auf den verschiedenen sechs Seiten eines Würfels sind grundlegende Emotionen als Gefühlsgesichter mit der entsprechenden Mimik abgebildet. Je nach Alter und Fähigkeiten der Kinder kann der Würfel unterschiedlich genutzt werden.

Mit jüngeren Kindern oder Kindern mit geringen sprachlichen Fähigkeiten in der deutschen Sprache werden zunächst die verschiedenen Gesichter erkundet und die Emotionen benannt.

Mit älteren Kindern kann der sprachliche Ausdruck gefördert werden, indem Geschichten zu Gefühlen erzählt werden.

Variante: Für manche Kinder ist es leichter, dabei über Erlebnisse anderer Personen zu berichten. Als weitere Möglichkeit können auch Fantasiegeschichten erzählt werden, in denen das jeweilige Gefühl vorkommt.

Übungseffekt: Emotionsvokabular erweitern, eigene und die Gefühle anderer verbalisieren, Emotionswissen erweitern → Ursache und Wirkung von Gefühlen und deren Zusammenhänge erkennen.

Eine genaue Anleitung und eine Vorlage zur Herstellung eines Würfels findet sich in:

Mößner, B.; Pfeffer, S.; Pfister, H. (2008): Wunderfitz – Das große Förderbuch. Emotionale und soziale Kompetenz, Kreativität. Freiburg: Herder, S. 8.

Situationsbilder und Bildergeschichten weitererzählen

Anhand von Bildvorlagen fragen sich die Kinder, wie es den darauf dargestellten Personen geht: Welche Gefühle haben sie? Wodurch werden diese Gefühle verursacht? Wie wird sich die Situation weiterentwickeln?

Übungseffekt: Emotionsvokabular erweitern, Gefühle verbalisieren, Emotionswissen erweitern → Ursache und Wirkung von Gefühlen und deren Zusammenhänge erkennen und darstellen, Lösungen sehen.

Geeignete Abbildungen finden sich unter anderem in:

Plauen, E.O. (1993): Vater und Sohn. Bildgeschichten. Ditzingen: Reclam.

Weller, B. (2005): Nur Mut! Bilderbox. Braunschweig: Schubi Lernmedien.

Den Wortschatz fördern – Sprachliche Grundlagen der Problemlösung

Weiter kann gezielt ein bestimmter Wortschatz gefördert werden, der im sozialemotionalen Bereich bedeutsam ist und benötigt wird, um Beziehungen zu gestalten, Gefühle zu äußern, Interessen zu vertreten sowie Probleme und Konflikte friedlich zu lösen.

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