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Kreditwürdigkeitsprüfung bei Verbraucherdarlehensverträgen

Eine Untersuchung der Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung nach der zweiten Verbraucherkreditrichtlinie (RL 2008/48/EG) und den hierzu ergangenen deutschen Umsetzungsgesetzen

AutorAdrian Kesting
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl424 Seiten
ISBN9783752853865
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis69,99 EUR
Bei dem Werk handelt es sich um die Dissertation von Adrian Kesting, die von Herrn Prof. Dr. Rott (Institut für Wirtschaftsrecht an der Universität Kassel) betreut wurde. Die Dissertation wurde am 6. Juni 2018 mit dem Wissenschaftspreis des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften der Universität Kassel ausgezeichnet. Die Dissertation besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil werden die europarechtlichen Grundlagen der Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung nach der zweiten Verbraucherkreditrichtlinie (RL 2008/48/EG) untersucht. Der zweite Teil befasst sich mit der Umsetzung der einzelnen Richtlinienvorgaben zur Kreditwürdigkeitsprüfung im deutschen Recht, wobei zwischen der Zeit vor und nach Inkrafttreten der Regelungen in §§ 505a ff. BGB unterschieden wird. Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge sind nicht Gegenstand des Werks.

Der Autor hat an den Universitäten Passau und Münster Rechtswissenschaften studiert. Nach der Referendarzeit in Hamburg hat er bei Prof. Dr. Rott (Institut für Wirtschaftsrecht an der Universität Kassel) promoviert. Der Autor ist Notarassessor in Mecklenburg-Vorpommern.

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Leseprobe

Einführung und Gang der Untersuchung


I.

Verbraucher nehmen heutzutage massenhaft Kredite in Anspruch. Die Ursache dafür liegt nicht nur in der offensiven Werbung der Kreditinstitute für ihre Kreditprodukte und der Lockwirkung von Konsumgütern.1 Auch die Einfachheit und Schnelligkeit, mit denen Kredite zur Anschaffung von Konsumgütern erlangt werden können, tragen ihren Anteil dazu bei. Hinzu kommen die gesellschaftliche Akzeptanz und die weit verbreitete Selbstverständlichkeit, Gegenstände des gewöhnlichen Gebrauchs wie Haushaltsgegenstände, teure Smartphones und insbesondere Kfz auf Kredit zu finanzieren. Sparen bildet die Ausnahme. Sind Verbraucher jedoch nicht gewohnt zu sparen, so können sie auch nicht überblicken, inwieweit ihr frei verfügbares Einkommen dafür ausreichen wird, Kreditverbindlichkeiten zu erfüllen.2

Zirka 6,85 Millionen Verbraucher ab 18 Jahren waren laut dem Schuldneratlas der Creditreform AG im Jahr 2016 überschuldet, was in Bezug auf diese Bevölkerungsgruppe einem Gesamtanteil von 10,06 % entspricht.3 Aus dem Überschuldungsreport 2017 des Instituts für Finanzdienstleistungen („iff“) geht hervor, dass im Jahr 2016 geschätzt bis zu 622.000 Personen auf ihre Restschuldbefreiung gewartet und gut 617.000 Personen eine soziale Schuldnerberatung in Anspruch genommen haben.4 Die durchschnittliche Schuldenhöhe (Median) der Ratsuchenden betrug im

Jahr 2016 14.690 Euro, wobei die Schuldenhöhe bei 18 % dieser Personen mehr als 40.000,00 Euro betrug.5

Hauptgläubiger waren Banken.6 Dabei waren, laut einer Statistik des Statistischen Bundesamts, Personen infolge von Zahlungsverpflichtungen aus einem Hypothekarkreditvertrag mit durchschnittlich 109.807 Euro zwar weit tiefer verschuldet, als Personen, deren Schulden aus einem Ratenkreditvertrag herrührten. 7 Allerdings war die Anzahl derjenigen Personen, die infolge von Zahlungsverpflichtungen aus einem Ratenkreditvertrag überschuldet waren um ein Vielfaches höher, als die Anzahl der Personen, deren Überschuldung ihren Ursprung in der Eingehung eines Hypothekarkreditvertrages fand. 8

Als Grund für die Überschuldung gaben die in den Schuldnerberatungsstellen beratenen Personen unter anderem Arbeitslosigkeit/reduzierte Arbeit (24,3 %); Einkommensarmut (11,1 %), gescheiterte Selbstständigkeit (8,6 %), Erkrankung (9,9 %); Trennung, Scheidung (9,9 %) sowie ihr Konsumverhalten (9,6 %) an.9 Damit zeigt sich, dass eine Überschuldung zwar vielfach durch unvorhersehbare Lebensumstände ausgelöst wird, denen weder von Seiten des Kreditgebers noch von Seiten der Verbraucher durch eine Kreditwürdigkeitsprüfung hinreichend entgegengewirkt werden kann. In vielen Fällen lässt sich eine Überschuldung jedoch darauf zurückführen, dass Verbraucher ihre finanzielle Leistungsfähigkeit vor Eingehung von Kreditverträgen überschätzen.10 Sie handeln insbesondere aufgrund der Werbung über Kreditprodukte und ihren persönlichen Finanzierungswünschen vielfach sehr irrational, wenn es um die Frage einer Kreditaufnahme geht. Eine sorgfältige Prüfung, inwieweit sie angesichts ihrer laufenden Einnahmen und Ausgaben finanziell dazu in der Lage sein werden, Kreditverpflichtungen zu erfüllen, wird nur in wenigen Fällen vorgenommen. Hierzu sind Verbraucher in der Regel auch nicht in gleicher Weise fähig, wie ein professionell agierender Kreditgeber, der sich die hierfür erforderlichen Informationen beim Verbraucher beschaffen kann.11 Gerade junge Menschen sind aufgrund ihrer geschäftlichen Unerfahrenheit besonders gefährdet. Dabei kann eine Überschuldung nicht nur für den einzelnen Verbraucher und sein familiäres Umfeld langfristige und gravierende Folgen haben. Auch die Sozialsysteme werden infolge der weit verbreiteten Überschuldung belastet.12 Zudem leidet die Gesamtwirtschaft, wenn Haushalte aufgrund von Überschuldung dauerhaft nicht mehr aktiv am Wirtschaftsleben teilnehmen können.13

Es gibt verschiedene Wege, der Überschuldung von Verbrauchern präventiv entgegenzuwirken. Dazu zählt insbesondere die frühzeitige Unterrichtung, wie sie beispielsweise in Hamburg im Rahmen des Projekts „SOS-Schüler ohne Schulden“ erfolgt.14 Sofern die drohende finanzielle Überforderung des Verbrauchers vor Abschluss eines Kreditvertrages für den jeweiligen Kreditgeber erkennbar ist, ist es zudem geboten, diesem eine Mitverantwortung im Rahmen der Kreditvergabe aufzuerlegen, indem er zu einer verantwortungsvollen Kreditvergabe verpflichtet wird.

Um der unionsweit zunehmenden Überschuldung von Verbrauchern entgegenzuwirken, hat der Unionsgesetzgeber im Rahmen der zweiten Verbraucherkreditrichtlinie15 mit Art. 8 RL 2008/48/EG eine Richtlinienvorgabe eingeführt, nach der Kreditgeber dazu verpflichtet werden sollen, vor Eingehung eines Verbraucherkreditvertrages16 die Kreditwürdigkeit des Verbrauchers auf Grundlage ausreichender Informationen zu prüfen.

In Deutschland wurde Art. 8 RL 2008/48/EG zunächst mit § 509 BGB a.F. sowie § 18 Abs. 2 KWG a. F. umgesetzt. Diese Vorschriften – die für Verbraucherkreditverträge, die vor dem 21.03.2016 abgeschlossen wurden, nach wie vor Anwendung finden17 – führten bislang ein Schattendasein. Nicht eine einzige Gerichtsentscheidung wurde in den einschlägigen Zeitschriften veröffentlicht, in der die Voraussetzungen der Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung Gegenstand eines Rechtsstreits waren. Eine verbreitete Auffassung im Schrifttum bestand – trotz der zivilrechtlichen Normierung in § 509 BGB a.F. – lange Zeit darin, dass Kreditgeber die Kreditwürdigkeit von Verbrauchern nur in ihrem eigenen Interesse prüfen und nicht zum Schutz des einzelnen Verbrauchers zu prüfen haben.18 Erst nachdem der EuGH in zwei Entscheidungen aus dem Jahr 201419 den verbraucherschützenden Zweck von Art. 8 RL 2008/48/EG festgestellt hat, hat sich in der vorherrschenden Meinung im Schrifttum ein Wandel vollzogen. 20

In der Wohnimmobilienkreditrichtlinie hat der Unionsgesetzgeber mit den Art. 18 ff. RL 2014/17/EU eine eingehende Pflicht des Kreditgebers zur Prüfung der Kreditwürdigkeitsprüfung vor Abschluss von Immobiliar-Verbraucherkreditverträgen vorgegeben. In Umsetzung dieser Richtlinienvorgaben sind am 21.03.2016 die Regelungen der §§ 505a ff. BGB sowie § 18a KWG in Kraft getreten, die nunmehr zwischen Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen – in Umsetzung der Vorgaben aus Art. 8 RL 2008/48/EG – und Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen – in Umsetzung der Vorgaben aus Art. 18 ff. RL 2014/17/EU – differenzieren. Zudem sind in § 505d BGB erstmalig spezielle zivilrechtliche Rechtsfolgen für den Fall vorsehen, dass der Kreditgeber gegen seine Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung verstößt. Insoweit befasst sich diese Arbeit ausschließlich mit Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen.

II.

Der Anlass dieser Arbeit bestand in der zu Beginn dieser Arbeit geplanten Neufassung der Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung in den Vorschriften der §§ 505a ff. BGB, zu denen im Referentenentwurf vom 18.12.201421 ausgeführt wurde, dass die Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung – mit Rücksicht auf die Entscheidung des EuGH vom 27.03.2014 (LCL Le Crédit Lyonnais SA/Fesih Kalhan)22 – auch im Interesse des Verbrauchers bestehen soll.

Das Ziel dieser Arbeit liegt darin, die Anforderungen einer ordnungsgemäßen Kreditwürdigkeitsprüfung zum Schutz des einzelnen Verbrauchers bei Kreditverträgen, die in den Anwendungsbereich der zweiten Verbraucherkreditrichtlinie fallen (Allgemein-Verbraucherkreditverträgen23) zu definieren und festzustellen, unter welchen Voraussetzungen Rechtsfolgen zugunsten des einzelnen Verbrauchers eingreifen, wenn der Kreditgeber gegen die Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung verstoßen hat. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf Teilzahungsdarlehen i.S.v. § 498 Abs. 1 Satz 1 BGB. Datenschutzrechtliche Fragen werden nicht behandelt.24

III.

Der erste Teil dieser Arbeit beschäftigt sich mit den europarechtlichen Grundlagen. Im ersten Abschnitt wird dazu die Entwicklung der Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung im europäischen Rechtsetzungsverfahren zum Erlass der zweiten Verbraucherkreditrichtlinie dargestellt und im zweiten Abschnitt werden sodann die einzelnen Richtlinienvorgaben untersucht, die für die Umsetzung der Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung ins nationale Recht sowie für die richtlinienkonforme Anwendung der nationalen Umsetzungsgesetze von Bedeutung sind. Den Schwerpunkt bilden das Prinzip der Vollharmonisierung (Art. 22 Abs. 1 RL 2008/48/EG), die Pflicht zur Kreditwürdigkeitsprüfung gemäß Art. 8 RL 2008/48/EG sowie die Sanktionsregelung des Art. 23 RL 2008/48/EG.

Gegenstand des zweiten Teils...

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