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Kultur - Konfession - Regionalismus.

Gesammelte Aufsätze. Hrsg. von Hans-Christof Kraus.

AutorHeinz Gollwitzer
VerlagDuncker & Humblot GmbH
Erscheinungsjahr2008
ReiheHistorische Forschungen 88
Seitenanzahl347 Seiten
ISBN9783428528295
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis69,90 EUR
Die in diesem Band versammelten Arbeiten des Historikers Heinz Gollwitzer (1917 - 1999) beeindrucken den Leser in mehrfacher Hinsicht: Das betrifft zum einen ihren interdisziplinären und international vergleichenden Ansatz, der z. B. den Historismus nicht nur geistes-, sondern eben auch sozialgeschichtlich verortet, der kunstgeschichtliche Fragestellungen nicht nur immanent auf das einzelne Kunstwerk bezogen erörtert, sondern in den öffentlichen Raum einer vergangenen Epoche zu stellen bestrebt ist und der schließlich ein so vielschichtiges Problem wie den politischen Protestantismus nicht in nationalgeschichtlich beschränkter, sondern internationaler Perspektive rekonstruiert. Und zum anderen zeichnen sich Gollwitzers Arbeiten durch eine erstaunliche Kenntnis auch seltener und entlegener Quellen aus. Seine Deutungen sind immer anregend und weiterführend - ob es sich nun darum handelt, die konfessions- und religionspolitischen Hintergründe bestimmter außenpolitischer Konzeptionen nachvollziehbar zu machen, oder ob es um ein neues Verständnis des politischen 'Ghibellinismus' im 19. Jahrhundert geht. Manche seiner Themen, Thesen und Fragestellungen - etwa das von ihm im Jahr 1964 erstmals entworfene Konzept der 'politischen Landschaft' - beginnen, wie neueste Forschungsarbeiten zeigen, erst in der Gegenwart ihre eigentliche Wirkung zu entfalten.

Hans-Christof Kraus studierte Geschichte, Germanistik und Philosophie an der Georg-August-Universität zu Göttingen. 1992 Promotion im Fach Mittlere und Neuere Geschichte. Berufliche Tätigkeit und akademische Lehre an verschiedenen Forschungsinstitutionen und Hochschulen, u.a. in Berlin, München, Speyer, Stuttgart, Jena. 2002 Habilitation für das Fach Neuere und Neueste Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seit 2007 Ordinarius und Lehrstuhlinhaber für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Passau. Mitglied u.a. der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, der Kommission für die Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, der Historischen Kommission zu Berlin, der Preußischen Historischen Kommission.

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Leseprobe
Die politische Landschaft in der deutschen Geschichte des 19. / 20. Jahrhunderts (S. 299-300)

Eine Skizze zum deutschen Regionalismus


I. Im Gegensatz zur Weimarer Verfassung, die, in der Tradition des 19. Jahrhunderts fortfahrend, ihrer Präambel den politisch längst nicht mehr konkreten Stammesbegriff einfügte, hat das Grundgesetz der Bundesrepublik davon abgesehen, von deutschen Stämmen zu sprechen. Im Art. 29 GG betr. Neugliederung des Bundesgebiets taucht statt dessen ein Begriff auf, der allerdings an einen Vorläufer, ebenfalls in der Weimarer Verfassung, anknüpfen kann1: die „landsmannschaftliche Verbundenheit“. Aus dem Protokoll über die Verhandlungen des Parlamentarischen Rates geht hervor, daß man im Redaktionsausschuß die Wendung „landsmannschaftliche Verbundenheit“ sehr bewußt statt „Stammesverbundenheit“ gewählt hat.

Der von der Bundesregierung eingesetzte Sachverständigenausschuß für die Neugliederung des Bundesgebiets hat in seinem großen Bericht vom Jahre 1955 den schon von den Staatsrechtslehrern der Weimarer Republik als „landsmannschaftliches Prinzip“ viel erörterten Terminus technicus in zutreffender und vorbildlicher Weise erläutert3. Wer die Ausführungen des Gutachtergremiums sorgfältig liest, wird indessen bemerken, daß man einige Mühe hatte, das Wesen des Landsmannschaftlichen zu umschreiben. Offensichtlich haben die Väter des Grundgesetzes damit eine sehr flexible, veränderliche Größe in die Verfassung der Bundesrepublik eingeführt, eine Größe, die sich hier deutlich abzeichnet, anderswo jedoch verblaßt und zugunsten kräftigerer Bindungen zurücktritt.

Die Erläuterung des Sachverständigenausschusses besagt, daß sich landsmannschaftliche Verbundenheit mit einzelstaatlicher Zugehörigkeit decken kann, sie bezieht sich jedoch gleicherweise auf Gebiete oder Räume, die innerhalb von Einzelstaaten vorhanden sind oder auch in andere Staaten übergreifen. Mit der zweiten, nichtstaatlichen Kategorie wollen wir uns in der folgenden Skizze hauptsächlich beschäftigen, und wir verwenden zu diesem Zweck den Begriff der historischen oder politischen Landschaft. „Landschaft“ soll in diesem Zusammenhang ausschließlich in der heutigen, territorialen Bedeutung des Wortes verstanden werden, doch sei immerhin auf den ursprünglichen, überwiegend ständischen Sinn aufmerksam gemacht.

Die Prägung „Historische Landschaft“ ist vermutlich durch Friedrich Ratzel in den wissenschaftlichen Sprachgebrauch eingeführt worden4. Im Bereich der politischen Geographie hat sie alsbald Heimatrecht erlangt, und die Ausstrahlung des von der deutschen geographischen Wissenschaft behandelten Begriffs war so stark, daß er als Fremdwort in die russische geographische und geopolitische Literatur übernommen wurde.

Die Erkenntnis des historischen Regionalismus wurde vertieft und befruchtet durch die Kulturraumforschung, in der sich die Vertreter mehrerer Disziplinen zusammengefunden haben6, sowie, im Zusammenhang damit, durch die verschiedenen historischen, kulturgeographischen und philologischen Atlas-Werke. Einer der bekanntesten, aber auch umstrittensten Versuche, ein geographisch- historisches Bild der deutschen Geschichte auf ihren Landschaften aufzubauen, ging von dem Marburger Professor und geopolitischen Einzelgänger Albert von Hofmann aus.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Vorwort6
Inhalt8
I. Kultur und Wissenschaft10
Der Historiker und die Öffentlichkeit12
I.12
II.12
III.14
IV.15
V.17
VI.19
VII.20
VIII.23
Kunst und Öffentlichkeit – Beiträge aus Westfalens Vergangenheit28
I. Westfalen im Sog der „gotischen Bewegung“29
II. Interne Spannungen41
1. Konservativer Antipurismus41
2. Der Streit um den „Apostelgang“45
III. Ein westfälischer Renaissancist50
Historismus als kultur- undsozialgeschichtliche Bewegung58
I. Zum Historismusbegriff59
II. Der Historismus auf seinem Eroberungszug durch die akademische Welt61
III. Historismus und die Gestaltung des öffentlichen Lebens64
IV. Deutungsversuche71
Zur Auffassung der mittelalterlichen Kaiserpolitik im 19. Jahrhundert. Eine ideologie- und wissenschaftsgeschichtliche Nachlese76
Eine ideologie- und wissenschaftsgeschichtliche Nachlese76
I.77
II.83
III.89
Westfälische Historiker des 19. Jahrhunderts in Österreich, Bayern und der Schweiz101
I. Österreich108
Franz Bernard von Bucholtz (1790–1838)108
Wilhelm Heinrich Grauert (1804–1852)111
Julius von Ficker (1826–1902)114
Johann Friedrich von Schulte (1827–1914)120
II. Bayern123
Franz (von) Löher (1818–1892)124
August von Druffel (1841–1891)130
Felix Stieve (1845–1898)132
III. Schweiz-Fribourg137
Karl Alexander von Müller 1882–1964. Ein Nachruf (1967)143
II. Konfession166
Vorüberlegungen zu einer Geschichte des politischen Protestantismus nach dem konfessionellen Zeitalter168
I. Zur Wort- und Begriffsgeschichte168
II. Definitionsversuche171
III. Analogien zum politischen Katholizismus?174
IV. Gliederung nach protestantischen Konfessionen, nach Nationen und Staaten176
V. Institutionelle Sicherungen183
VI. Politische Bewegungen im protestantischen Raum186
1. Politische Transformation genuin religiöser Bewegungen186
2. Fusion mit heterogenen Bewegungen189
a) Protestantischer Konservativismus190
b) Nationalprotestantismus192
c) Protestantischer Liberalismus196
d) Sozialistischer Protestantismus200
VII. Versuche historischer Gliederung204
Deutsche Palästinafahrten des 19. Jahrhunderts als Glaubens- und Bildungserlebnis210
Kirchliche Ökumenizität und weltpolitisches Denken. Deutsche Stimmen aus dem 19. Jahrhundert238
I.240
II.245
III.251
Bemerkungen zum politischen Katholizismus im bayrischen Vormärz und Nachmärz254
I. Bayrisches Katholiken- und preußisches Protestantenprotektorat257
II. Die populistische Komponente des vormärzlichen politischen Katholizismus260
III. Zur katholischen Identität des Altbayerntums263
IV. Zur Akzeptanz des Begriffs „ultramontan“ im katholischen Bayern266
V. Eine Statistik aus dem Jahre 1859270
Der politische Katholizismus im Hohenzollernreich und die Außenpolitik275
Variationen zu einem weitläufigen Thema275
Politischer Katholizismus – keine monolithische Größe276
Die europäische Konstellation und der Hl. Stuhl278
Nur innenpolitische Orientierung des Zentrums?281
Außenpolitik als Weltkirchenpolitik oder kirchliche Weltpolitik284
Ideologische Außenpolitik287
Kontinuierliche Option für Österreich290
Weitere außenpolitische Positionen294
Entwürfe zur Europapolitik und Weltpolitik297
Im I. Weltkrieg303
III. Heimat und Regionalismus306
Die politische Landschaft in der deutschen Geschichte des 19./20. Jahrhunderts. Eine Skizze zum deutschen Regionalismus308
I.308
II.312
III.321
IV.330
Der kulturgeschichtliche Ort der Heimatbewegung gestern und heute (1975)334
Beispiel I335
Beispiel II336
Beispiel III337
Ein breites Spektrum338
Zur gesellschaftlichen Physiognomie339
Heimatideologie342
Und heute?345
Nachweis der Erstveröffentlichung347
I. Kultur und Wissenschaft347
II. Konfession347
III. Heimat und Regionalismus348

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