252. Kapitel
Qualitätsmanagement
1. Grundlagen des Qualitätsmanagements
Die Erbringung einer exzellenten Produkt- und Dienstleistungsqualität im Rahmen eines systematischen Qualitätsmanagementsystems ist ein zentraler Ansatzpunkt zur Steigerung der Kundenorientierung. Wie dies in Unternehmen realisiert werden kann und welche Phasen, Instrumente und Methoden hierbei eine besondere Rolle spielen, wird innerhalb des ersten Bausteins der Kundenorientierung näher betrachtet. Die Bedeutung der Qualität ist dabei sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis unumstritten (Beckett 2008; Bruhn 2008). Nachdem die Qualitätsförderung ihren Anfang in den USA und Japan nahm, erfuhr die Thematik seit der Einführung des European Quality Award 1992 auch in Europa einen Bedeutungsschub. In den folgenden Jahren wurden mehrere Qualitätspreise etabliert (z. B. Ludwig-Erhard-Preis in Deutschland seit 1997, Esprix in der Schweiz seit 1999, Malcolm Baldrige Award in den USA seit 1988), die zunehmende Beachtung finden und dazu führen, dass Qualitätskonzepte wie das EFQM-Modell (European Foundation for Quality Management) von zahlreichen Unternehmen eingesetzt werden.
26Studie:
Das Georgia Institute of Technology stellte fest, dass – über eine Zeitspanne von fünf Jahren – bei Preisträgern des amerikanischen Qualitätspreises Malcolm Baldrige Award, d. h. Unternehmen mit einem ganzheitlichen Qualitätsmanagement, der Anstieg von Gewinn und Umsatz mehr als doppelt so hoch ausfiel, als beim Durchschnitt der im Aktienindex S&P 500 vertretenen Unternehmen (Dubacher 2005).
Schaubild 2–1 verdeutlicht den Zusammenhang von Kundenorientierung und Qualitätsmanagement. Es wird deutlich, dass ein Qualitätsmanagementsystem primär auf die erste Dimension der Kundenorientierung, das Leistungsangebot, wirkt.
Schaubild 2–1: Zusammenhang von Kundenorientierung und Qualitätsmanagement
1.1 Zum Begriff Qualität
Der Qualitätsbegriff zeichnet sich in Theorie und Praxis durch divergierende Sichtweisen und uneinheitliche Interpretationsansätze aus. Die heterogenen Auffassungen über den Begriff Qualität machen deutlich, dass es bis heute nicht gelungen ist, ein in Ansätzen tragfähiges und allgemein akzeptiertes Qualitätsverständnis zu schaffen. Versteht man Qualität als Ergebnis eines Leistungserstellungsprozesses, 27so besteht Einigkeit darüber, dass zwei generelle Begriffsansätze zu unterscheiden sind (Meffert/Bruhn/Hadwich 2015):
- Produktbezogener Qualitätsbegriff,
- Kundenbezogener Qualitätsbegriff.
Produktbezogener Qualitätsbegriff: Qualität wird in diesem Fall als die Summe bzw. das Niveau der vorhandenen Eigenschaften von Produkten oder Dienstleistungen definiert. Beim produktbezogenen Qualitätsbegriff ist eine hohe Qualität – im Vergleich zu entsprechenden Leistungsangeboten der Wettbewerber – durch ein überlegenes Niveau von vorab festgelegten Eigenschaften des eigenen Angebotes, wie z. B. Stabilität, Haltbarkeit, gekennzeichnet. Diese enge Auffassung rückt die Betrachtung objektiver, messbarer Kriterien in den Vordergrund („Product Based“). Bei Dienstleistungen ist diese Qualitätsauffassung aufgrund der Integration des Kunden bzw. anderer externer Faktoren in den Erstellungsprozess sowie die Immaterialität des Leistungsergebnisses problematisch, da aufgrund dieser Eigenschaften eine „Objektivität“ nur teilweise zu gewährleisten ist.
Aufgrund der hohen Relevanz des kundenbezogenen Qualitätsbegriffs im Rahmen der Kundenorientierung wird dieser im Folgenden detaillierter dargestellt. Der kundenbezogene Qualitätsbegriff ist auf die Wahrnehmung der Produkteigenschaften bzw. Leistungen aus der Kundenperspektive fokussiert („User Based“). Bei dieser Begriffsauffassung entscheiden nicht die objektiv vorhandenen Qualitätsmerkmale, sondern vielmehr stellt deren subjektive Wahrnehmung in den Augen der Konsumenten die Grundlage des Qualitätsurteils dar. Demzufolge beurteilen die Kunden, welche Qualitätseigenschaften als wichtig erachtet werden und ob sie ihren Erwartungen entsprechen (Bruhn 2013b, S. 31). Eine Messung der Qualität erfolgt bei dieser Begriffsdefinition somit nach subjektiven Kriterien.
Im Folgenden wird eine Definition des Begriffes Qualität zugrunde gelegt, die zwar produkt- und kundenbezogene Aspekte vereint, jedoch die Kundenerwartungen in das Zentrum der Begriffsdefinition stellt (in Anlehnung an die ISO-Norm und die Definition der Deutschen Gesellschaft für Qualität).
28Qualität
ist die Fähigkeit eines Anbieters, die Beschaffenheit einer Sach- oder Dienstleistung aufgrund von Kundenerwartungen auf einem bestimmten Anforderungsniveau zu erstellen. Sie bestimmt sich aus der Summe der Eigenschaften bzw. Merkmale einer Leistung, bestimmten Anforderungen gerecht zu werden (Bruhn 2013b, S. 33).
Die Qualität steht in einem Spannungsfeld, auch „magisches Dreieck“ genannt, das sich aus der Sicht der Kunden, der Wettbewerber und des eigenen Unternehmens ergibt. Obgleich die Kundenanforderungen den primären Maßstab für das Qualitätsmanagement eines Unternehmens darstellen, sind im Rahmen einer umfassenden Sichtweise gleichfalls die Wettbewerber sowie das eigene Unternehmen in die Betrachtung zu integrieren. Eine Übersicht der Anforderungen der drei aufgeführten Gruppen zeigt Schaubild 2–2.
2. Strategische Ansatzpunkte des Qualitätsmanagements
2.1 Total Quality Management als Grundlage des Qualitätsmanagements
Die Prinzipien des Total Quality Management (TQM) bilden die strategische Grundlage zur Umsetzung eines Qualitätsmanagements im Unternehmen (Schildknecht 1992; Rogers 2013). Unter Total Quality Management ist eine auf der Mitwirkung aller ihrer Mitglieder beruhende Führungsmethode einer Organisation zu verstehen, die Qualität in den Mittelpunkt stellt und durch Zufriedenheit der Kunden auf langfristigen Geschäftserfolg sowie auf Nutzen für die Mitglieder der Organisation und für die Gesellschaft zielt (Deutsche Gesellschaft für Qualität e. V. 1995). Total Quality Management ist somit nicht nur Bestandteil eines Unternehmensführungskonzeptes, sondern dominiert als grundlegende Denkhaltung sämtliche Managementaktivitäten im Sinne einer ganzheitlichen Qualitätskultur (Kamiske 2015).
29
Schaubild 2–2: Anforderungen aus Kunden-, Wettbewerbs- und Unternehmenssicht
Im Laufe der Zeit sind mit einer wachsenden Zahl von Publikationen auch zahlreiche Entwicklungsrichtungen entstanden. Die inhaltlichen Schwerpunkte des Total Quality Management können jedoch auf folgende Aussagen reduziert werden (Kamiske 2015, S. 2):
- Total: Im Rahmen des TQM-Konzeptes werden sämtliche Personengruppen, die an der Leistungserstellung beteiligt sind (Mitarbeitende des Unternehmens, alle Kundengruppen, Lieferanten usw.), in den Qualitätsprozess einbezogen.
- Quality: Innerhalb des TQM erfolgt eine konsequente Orientierung aller Aktivitäten des Unternehmens an den Qualitätsanforderungen der externen und internen Kundengruppen.
- 30Management: Die Verantwortung und Initiative für eine systematische und permanente Qualitätsüberzeugung und -verbesserung im Rahmen eines partizipativ-kooperativen Führungsstils wird von den obersten Führungsebenen des Unternehmens übernommen.
TQM ist demzufolge ein langfristig angelegter Ansatz, dessen Ziel die ständige Optimierung der Qualität der Produkte und Dienstleistungen sowie die Effizienz der internen Prozesse ist, um so die bestmögliche Befriedigung der Kundenwünsche zu erreichen. Bei der Abgrenzung der Begriffe Total Quality Management und Qualitätsmanagement besteht häufig noch Unsicherheit. Ausgehend vom TQM als umfassende qualitätsorientierte Strategieausrichtung umfasst das Qualitätsmanagement die Analyse, Planung, Organisation, Umsetzung und Kontrolle der qualitätsbezogenen Maßnahmen des Unternehmens.
2.2 Regelkreiskonzept des Qualitätsmanagements
Der grundsätzliche Aufbau eines Qualitätsmanagements kann anhand des so genannten Regelkreiskonzeptes beschrieben werden (Bruhn 2013b). Von diesem Konzept ausgehend wurden in der Unternehmenspraxis vielfach eigene Qualitätsmanagementsysteme implementiert, die sich – trotz individueller Ausgestaltung – an vier idealtypischen Phasen des Qualitätsmanagements orientieren (DIN ISO 9001:2008; Schaubild 2–3):
- Qualitätslenkung,
- Qualitätsprüfung,
- Qualitätsmanagementdarlegung.
Qualitätsplanung : Die Qualitätsplanung als erste Phase eines systematischen Qualitätsmanagements umfasst das vorausschauende Planen und Weiterentwickeln der Qualitätsanforderungen an die Leistungserstellung sowie die Formulierung von kundengerichteten Qualitätszielen und -strategien. Die Qualitätsplanung konkretisiert somit alle Qualitätsanforderungen unter Berücksichtigung der...