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Kurzwortbildung im Deutschen und Schwedischen

Eine kontrastive Untersuchung phonologischer und grammatischer Aspekte

AutorBarbara Lux
VerlagNarr Francke Attempto
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl377 Seiten
ISBN9783823300052
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis70,40 EUR
Dieser Band behandelt vergleichend das Phänomen der Kurzwortbildung im Deutschen und im Schwedischen. Auf der Grundlage von selbst erstellten Korpora werden phonologische Aspekte wie Silbenzahl und Silbenstruktur der Belege sowie die Pluralbildung substantivischer Kurzwörter analysiert. Dabei zeigt sich, dass das Deutsche und das Schwedische Kurzwörter und andere Wortschatzeinheiten an der Peripherie des Lexikons wie etwa Fremdwörter sehr unterschiedlich behandeln. Während das Deutsche verschiedene Wortschatzbereiche recht stark isoliert, hat das Schwedische eher integrative Züge. Neben konkreten Erkenntnissen über das phonologische und grammatische Verhalten von Kurzwörtern in den Untersuchungssprachen macht diese Arbeit deutlich, dass zwischen dem Deutschen und dem Schwedischen tiefgreifende Unterschiede in der Behandlung der Peripherie des Wortschatzes bestehen. Damit sind die Ergebnisse nicht nur für die Kurzwortforschung, sondern auch für die Lexik des Deutschen und des Schwedischen im Allgemeinen interessant.

Dr. Barbara Lux studierte an der Eberhard Karls Universität Tübingen Skandinavistik, Linguistik des Englischen und Linguistik des Deutschen und promovierte im Fach Linguistik des Deutschen.

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Leseprobe

1. Einleitung


Sowohl im Gegenwartsdeutschen als auch im Gegenwartsschwedischen sind Kurzwörter verschiedener Art wie dt. Abi < Abitur, Kripo < Kriminalpolizei und LKW < Lastkraftwagen oder schwed. mick < mikrofon, koll < kontroll und mc < motorcykel ‚Motorrad‘1 nicht nur im schriftlichen, sondern auch im mündlichen Sprachgebrauch ein häufiges Phänomen. Nachdem sie im 20. Jahrhundert von sprachpflegerischer Seite oft als Sprachverfall gegeißelt wurden, z.B. als „Hottentottensprache“ in Muttersprache (1927: 250) oder von Webinger (1944:108f.) als „Unart“, „Verkrüppelungen“ und „Verstümmelungen unserer heiligen Muttersprache“, sind Kurzwörter heutzutage in vielen Fällen selbstverständlicher Bestandteil der Kommunikation. Die vorliegende Arbeit widmet sich dem Phänomen der Kurzwortbildung im Deutschen und Schwedischen aus synchroner Sicht und untersucht anhand von eigens für diese Arbeit erstellten Kurzwortkorpora vor allem phonologische und grammatische Aspekte von Kurzwörtern in den Untersuchungssprachen.

Gerade schwedische Kurzwörter sind noch eher spärlich erforscht. Bis auf einige kürzere Arbeiten, die in Kapitel 2.4.2 vorgestellt werden, existieren keine detaillierten Beschreibungen schwedischer Kurzwörter. Besonders Untersuchungen, die auf einer größeren Datengrundlage basieren, waren bislang ein Desiderat (vgl. Nübling 2001:196, Nübling/Duke 2007:231). Die vorliegende Arbeit soll den Auftakt dazu bilden, diese Forschungslücke zu schließen und eine produktive Forschung zu schwedischen Kurzwörtern zu etablieren. Da diese Arbeit einen der ersten Schritte auf dem Weg zu einer empirisch begründeten schwedischen Kurzwortforschung darstellt, lag eine kontrastive Ausrichtung der Untersuchung nahe. Auf diese Weise können die Ergebnisse der deutschen Kurzwortforschung produktiv für das Schwedische genutzt werden. Aufgrund der engen Verwandtschaft mit dem Schwedischen und der Tatsache, dass zu deutschen Kurzwörter bereits eine produktive Forschung vorhanden ist, bot sich das Deutsche als Vergleichssprache an. Trotz der engen Verwandtschaft der Untersuchungssprachen zeigen sich neben Gemeinsamkeiten auch deutliche Unterschiede zwischen deutschen und schwedischen Kurzwörtern, die sowohl strukturelle und grammatische Aspekte betreffen als auch auf grundlegendere Unterschiede zwischen den Untersuchungssprachen zurückzuführen sind. Neben generellen Unterschieden im phonologischen System geht es dabei auch um die Frage, in welchem Umfang Kurzwörter und andere periphere Wortschatzelemente in das jeweilige Sprachsystem integriert werden. Aus praktischen Gründen beschränkt sich die Analyse auf die Standardvarietäten der Untersuchungssprachen, d.h. dialektale Besonderheiten und regionale Kurzwörter werden nicht berücksichtigt. Es liegt auf der Hand, dass in einer sprachvergleichenden Arbeit die Ausführungen zu den Einzelsprachen weniger detailliert ausfallen als bei einer Arbeit, die sich auf eine Untersuchungssprache beschränkt. Im Gegenzug lassen sich gewisse einzelsprachliche Charakteristika erst im Vergleich zu einer anderen Sprache deutlich erkennen.

Das Phänomen der Kurzwortbildung berührt faszinierenderweise sehr viele Teilbereiche der Sprachwissenschaft wie Phonologie, Morphologie, Semantik, Pragmatik, Lexikologie und Soziolinguistik, die allesamt zu detaillierten Betrachtungen einladen. Im Rahmen einer einzelnen Untersuchung ist es jedoch keinesfalls möglich, all diese Gesichtspunkte zu berücksichtigen, ohne dass die Diskussion in Oberflächlichkeiten verharrt. Statt eines Rundumschlags, der versucht ist, sämtliche interessanten Aspekte der Kurzwortbildung zu berücksichtigen, soll der Fokus vielmehr auf einige ausgewählte Punkte gelegt werden, die auf der Basis von eigens für diese Arbeit erstellten Korpora ausführlich diskutiert werden. Hierbei handelt es sich um die Fragen nach den präferierten phonologischen Strukturen bei Kurzwörtern in den Untersuchungssprachen sowie nach dem Verhalten von Kurzwörtern bei der Pluralflexion. Zu diesen Fragen werden jeweils detaillierte Korpusauswertungen vorgenommen, auf deren Grundlage Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen dem Deutschen und dem Schwedischen diskutiert werden. Eine derartige Beschäftigung mit grundsätzlichen Fragen zu präferierten Strukturen bei Kurzwörtern ist notwendig und schafft die Voraussetzungen dafür, dass in späteren Arbeiten weitere Aspekte kontrastiv untersucht werden können.

Als übergeordnete Thematik hat sich dabei die Frage herauskristallisiert, in welchem Verhältnis Kurzwörter in den Untersuchungssprachen zueinander und zu den restlichen Lexemen des Wortschatzes der jeweiligen Sprache stehen. Zu diesem Zweck wird schließlich auch eine Analogie zu Fremdwörtern gezogen, womit gezeigt wird, dass Kurzwörter wie auch Fremdwörter zur Peripherie des Wortschatzes einer Sprache gehören und dass solche peripheren Lexeme in einzelnen Sprachen in unterschiedlichem Umfang in das Sprachsystem integriert werden. So ist das Schwedische im Hinblick auf diverse Aspekte wie Orthographie, Aussprache und Flexion weit integrativer als das Deutsche, das Kontraste zwischen peripheren und zentralen Wortschatzelementen weitgehend erhält.

Die vorliegende Untersuchung beginnt mit der Erläuterung des genauen Untersuchungsgegenstandes und der Vorgehensweise, ehe phonologische und grammatische Eigenschaften der gesammelten Kurzwortbelege ausgewertet werden und schließlich die Ergebnisse im Hinblick auf den Grad der Integration von Kurzwörtern in das jeweilige Sprachsystem der Untersuchungssprachen diskutiert werden. In Kapitel 2 wird zunächst der Untersuchungsgegenstand dargestellt und eine Typologie verschiedener Kurzworttypen vorgestellt, anhand derer sowohl die deutschen als auch die schwedischen Belege klassifiziert werden. Außerdem werden Kurzwörter von weiteren Phänomenen abgegrenzt, die in dieser Arbeit nicht behandelt werden. Schließlich folgt noch ein Überblick über die bisher erfolgte Forschung zu deutschen und schwedischen Kurzwörtern, wobei besonderes Augenmerk auf die bislang wenig rezipierten schwedischen Arbeiten zur Kurzwortbildung gelegt wird. Dabei fällt auf, dass die in der deutschen Forschung verwendete Terminologie zwar nicht immer einheitlich ist, sich im Schwedischen dagegen bislang noch gar keine Kurzwortterminologie etablieren konnte, was auch daran liegt, dass das Phänomen der Kurzwortbildung im Schwedischen mitunter sehr unterschiedlich weit gefasst wird.

Darauf folgt in Kapitel 3 eine Darstellung der genauen Vorgehensweise bei der Erstellung der Kurzwortkorpora, die dieser Arbeit zugrunde liegen. Gleichzeitig werden erste Ergebnisse präsentiert, was die Häufigkeiten von Kurzwörtern insgesamt und die Verteilung einzelner Kurzworttypen in den Korpora angeht, wobei zentrale von weniger zentralen Kurzworttypen abgegrenzt werden. Der Großteil der Korpusauswertung erfolgt jedoch in den Kapiteln 4 und 5. Zunächst werden in Kapitel 4 phonologische Aspekte der in den Korpora enthaltenen Belege diskutiert, genauer gesagt die Silbenzahl und die Silbenstruktur, d.h. das Vorkommen von offenen und geschlossenen Silben. Dies führt zu der Feststellung, dass in den Kurzwortschätzen der Untersuchungssprachen tendenziell solche Strukturen bevorzugt werden, die einen Gegensatz zu den Lexemen der entsprechenden Normalwortschätze bilden. Diese Tendenz ist jedoch einzelsprachlich unterschiedlich stark ausgeprägt. Kapitel 5 widmet sich schließlich einem grammatischen Aspekt, nämlich der Pluralflexion, die besonders gut geeignet ist, um Unterschiede zwischen den Untersuchungssprachen und den Zusammenhang zwischen phonologischer Struktur und Pluralmarkierung aufzuzeigen. Hierzu werden die substantivischen Belege der Kurzwortkorpora ausgewertet und im Hinblick darauf untersucht, mit welchen Mitteln sie Plural markieren. Dabei zeigt sich, dass bei deutschen Kurzwörtern überwiegend andere Wege der Pluralmarkierung beschritten werden als im restlichen deutschen Sprachsystem. Statt des üblichen Reduktionssilbenplurals bilden deutsche Kurzwörter meist eine Pluralform mit dem Suffix -s. Bei dem Kurzworttyp der Buchstabierwörter wie LKW < Lastkraftwagen tritt außerdem eine weitere Besonderheit auf: Belege dieses Typs bilden häufig endungslose Pluralformen, was jedoch nicht dem im deutschen Pluralsystem bekannten Nullplural entspricht, sondern als Flexionslosigkeit, also eine Art Pseudo-Nullplural, einzustufen ist. Schwedische Kurzwörter nutzen zur Pluralmarkierung dagegen weitgehend die üblichen Mittel des schwedischen Pluralsystems und unterscheiden sich in dieser Hinsicht nicht wesentlich von anderen schwedischen Substantiven.

In Kapitel 6 werden schließlich die Ergebnisse der Auswertungskapitel zusammengeführt. Die in den vorigen Kapiteln festgestellten Kontraste zwischen den Untersuchungssprachen lassen sich auf tiefer liegende Unterschiede zurückführen. Im Hinblick auf silbenstrukturelle Präferenzen beruhen die Gegensätze darauf, dass das Deutsche eher als Akzent- oder Wortsprache, das Schwedische jedoch eher als Silbensprache anzusehen ist, in beiden Sprachen jedoch im Kurzwortschatz ein gewisser Gegenpol zum Normalwortschatz geschaffen werden soll. Die unterschiedliche Art der Pluralflexion von Kurzwörtern wird als Indiz dafür gesehen, zu welchem Grad Kurzwörter und andere periphere Wortschatzeinheiten in das deutsche und schwedische Sprachsystem...

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