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Leben aus dem Ursprung

Sieben Wege zu Gott

AutorBeda Maria Sonnenberg
VerlagVerlag Herder GmbH
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783451345975
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Die kirchliche Tradition kennt viele Gebetsformen, die seit Jahrhunderten in Gebrauch sind. Ungezählte Menschen aller Zeiten und Kulturen sind diese Wege gegangen und haben sie als Quelle tiefer Spiritualität erfahren. Ein neuer Blick auf die klassischen Gebetsformen der katholischen Kirche ermöglicht einen kreativen und intensiven Zugang zu spiritueller Fülle. Diese Fülle trägt nicht nur im eigenen Leben, sie öffnet auch für den Austausch mit Gläubigen anderer Religionen.

Beda M. Sonnenberg, Dr. theol., geboren 1966, gelernter Maschinenschlosser, trat 1987 ins Kloster Plankstetten ein. Er wurde Priester und arbeitete viele Jahre als Religionslehrer und in der Jugendarbeit. 2006 wurde er Novizenmeister, seit 2010 ist er Abt. Nach wie vor ist er für viele Menschen geistlicher Begleiter.

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Leseprobe

Leben aus dem Ursprung
Sieben Wege zu Gott

Liebe Leserin, lieber Leser!

„Leben aus dem Ursprung. Sieben Wege zu Gott“ heißt dieses Buch, das Sie in Ihren Händen halten. Wege können auch als Formen oder Weisen verstanden werden, über Gott nachzudenken oder mit ihm ins Gespräch zu kommen. Aber: Kann ich überhaupt „über ihn“ nachdenken? Der unendliche Gott und seine Kreatur – jedes menschliche Denken wird hinter ihm zurückbleiben! Sollte ich nicht einfach nur auf seine Stimme, auf sein Wort hören, ihm „nach-denken“, ihm „nach-sinnen“ und ihm „nach-sprechen“, damit ich seine Gedanken und seine Sprache kennenlerne, damit ich mit ihm sprechen kann, um ihn zu verstehen? Doch wer ist eigentlich dieser Gott?

Wer ist Gott?


Nicht selten geben unsere Gefühle dem Gebet eine eigene Klangfarbe. Jede Situation hält ihre eigene Sprachwelt bereit, aus der ich als Beter meine eigenen Worte schöpfen kann, um Gottes Wirken auszudrücken. Erfahre ich Gottes Herausreißen aus der Not, bewege ich mich in einer Sprachwelt, in der mir Worte des Dankes, des Jubels und des Lobpreises zur Verfügung stehen. Stehe ich der überwältigenden Welt der Natur gegenüber, suche ich nach Worten des Preisens und der Ehre. Widerfährt mir Enttäuschung, so werde ich klagen und weinen. Gott nimmt mich an die Hand und führt mich von Lebenswelt zu Lebenswelt, durch Stimmungen und Gefühlslagen, in denen ich Worte und Ausdrücke vorfinde, mit denen ich meinem Erleben eine sprachliche Gestalt geben kann.

Die Sprache ist nicht der einzige Weg, einen Zugang zu Gott zu finden. Zur Zeit des Mose suchten die benachbarten Völker Israels, allen voran die Ägypter, einen anderen Zugang zu ihren Gottheiten: Sie sahen im Bild gleichsam die Tür, die ihnen den göttlichen Raum eröffnete.1 Das Bild eines Gottes, eine Figur, ein Amulett, ein Talisman waren losgelöst von der Stimmungslage des Menschen. Wollte der gläubige Ägypter aus seiner Lebenssituation heraustreten und Schritte in seine übernatürliche Welt machen, so musste er sich ein Bild und damit eine Gottheit suchen, die ihm diesen heilsamen Raum eröffnete. Das Bild war gleichsam die Tür, die Gott und Mensch verband. Diese Form von Frömmigkeit führte zwangsläufig in den Polytheismus.

Mit dem Verbot „Du sollst dir kein Gottesbild machen“ (Ex 20,4) drängt Gott das Bild zurück und gibt dem Wort den Vorzug. Im Bild, in der Figur, im Amulett, im Talisman, im Heiligtum ist eine bestimmte Situation festgelegt worden, die keine Spontaneität und Individualität zugelassen hat. Die Gottheiten sind für bestimmte Lebenssituationen zuständig. Dadurch sind sie auf einen Ort oder eine Zeit festgelegt und werden so für den Menschen verfügbar und berechenbar. Die Gottheit bleibt nicht souverän, sondern wird als Erfüllungsgehilfe menschlicher Wünsche verstanden.

Sieben Wege des Gebets – wenngleich natürlich nicht nur sie – führen mich hin zu einem Gott, der sich von Mose und vielen anderen Gottesmännern und -frauen erfahren ließ. Dem Führer des Volkes Israel hat er sein Wesen mit einem Bild und mit einem Satz erschlossen. Mit Mose finde ich in eine Erlebnis- und Sprachwelt, die im Bild wurzelt und zur Sprache führt. Zunächst weidet er Schafe und Ziegen in einer Kulturlandschaft, geht dann über die Steppe hinaus in die Wüste zum Gottesberg Horeb. Weidegründe und Steppenlandschaften waren damals für Hirten und Herden nicht nur Lebensbereiche, sondern auch Konflikträume. Ihnen stand dafür eine reichhaltige Sprache bereit. Mose geht über diese Landschaften hinaus, lässt die Kulturräume und ihren Wortschatz hinter sich. Er macht sich auf in die Wüste und geht damit in die Welt des Wahrnehmens, wo sich das Sprechen in das Denken zurückverwandelt. Die Wüste ist der Quellort der Gedanken und der Wurzelgrund des Gotteswortes, das zum Hören, zum „Nach-denken“, „Nach-sinnen“ und „Nach-sprechen“ einlädt.

Wie zeigt sich Gott?


Jenseits der Steppe lässt sich JHWH am Gottesberg Horeb von Mose auf zwei Weisen wahrnehmen: Da ist zunächst das Bild vom Dornbusch, der brannte und nicht verbrannte. In einer zweiten Weise stellt er sich mit den Worten vor: „Ich bin der Ich bin da“. Der eine Gott stellt sich dem Mose zuerst in einem Bild und dann mit einem Satz vor. Ein Gottesverständnis ist im Übergang begriffen: In dem Bild und dem Wort sind zwei Gottesvorstellungen unterschiedlichen Alters und verschiedener Herkunft erkennbar – das Bild, das in der Welt Ägyptens verwurzelt war, und das Wort, mit dem sich Gott seinem Volk Israel offenbart. Zum Verständnis dieser Gotteserscheinung muss man sich vor Augen führen, dass Mose von der Tochter des Pharao als Sohn angenommen wurde und in der Frömmigkeitswelt Ägyptens aufgewachsen ist. Gott geht am Gottesberg Horeb auf das ägyptische Vorleben des Mose ein und stellt sich deshalb in einem Bild vor. Dies war Mose durch seine ägyptische Erziehung vertraut. Erkennbar wird, dass Gott auf den Menschen Mose mit seiner Geschichte, seiner Erziehung, seiner Denkwelt eingeht und sich darin eindeutig zu erkennen gibt: Im Bild und im Satz, die nicht im Gegensatz zueinander stehen, sondern einander entsprechen und Dasselbe aussagen.

Gott erschließt sich in einer Erscheinung, in einem Bild: Am Berg Horeb schlägt aus einem Dornbusch eine Flamme empor und verbrennt ihn nicht. Um diese Gottesoffenbarung zu verstehen, betrachte ich die zwei Elemente und höre auf ihre Symbolsprache. Der Dornbusch ist ein Bild für den Menschen, der in Sünde gefallen ist und sich gegen Gott verfehlt hat. Denn Dornen und Disteln lässt Gott dem Menschen wachsen, der gegen ihn gesündigt hat (vgl. Gen 3,18). Mit den Dornen, Disteln und dem Unkraut der Erde kommt eine menschliche Seite zum Ausdruck, mit der auch Mose zutiefst vertraut war: Unterdrückung, Gewalt und Mord. Gott bringt diese Seite zum Ausdruck im Symbol des Dornbusches, in dem er für den Menschen erkennbar wird. Das zweite Element besteht in der Flamme, die aus dem Dornbusch emporschlägt. Die Flamme und das Feuer versinnbildlichen die Gegenwart Gottes und seine Wirklichkeit: „Der Herr zog vor ihnen her, bei Tag in einer Wolkensäule, um ihnen den Weg zu zeigen, bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten. So konnten sie Tag und Nacht unterwegs sein. Die Wolkensäule wich bei Tag nicht von der Spitze des Volkes, und die Feuersäule nicht bei Nacht“ (Ex 13,21f).

Im Bild vom brennenden Dornbusch wird etwas von der Wirklichkeit Gottes wahrnehmbar, die sich später in einer Person verdichten wird: Das Göttliche, so stark und mächtig es in der Flamme und im Feuer aufleuchtet, erscheint in den menschlichen Bezügen von Schuld und Sünde. Gott nimmt sich so weit zurück, dass Schuld und Sünde als Wirklichkeit erhalten bleiben. Er spielt seine Macht gegenüber dem schwachen und sündhaften Menschen nicht aus – darin zeigt sich seine Stärke. Gott schützt das menschliche Leben; das zeigt sich in den Worten: „Komm nicht näher heran!“ (Ex 3,5). Mose fühlt sich von dieser Gotteserscheinung angezogen, wird aber von Gott auf Distanz gehalten. Durch den Abstand zum brennenden Dornbusch wird er nicht geschädigt oder gar verbrannt. Gott will Leben, das in der Erfahrung von Nähe und Distanz spürbar wird, in dem sich Freiheit und Liebe zu einem Ganzen fügen.

Wenngleich Götterbilder festgelegt sind und festlegen, so schenkt dieses Gottesbild durch seine Distanz Lebendigkeit. Gott gibt sich zu erkennen, indem er Nähe und Distanz zugleich zeigt. Weil Gott so ist, lässt sich dieses lebendige Gottesbild aufgrund von Nähe und Distanz nicht vollständig einprägen. Jede Erfahrung mit Gott bleibt in seinem Wesen unvollständig, bleibt immer nur Ahnung und Vermutung. Gott will das, weil der Mensch dadurch offen bleibt für Gott und die Welt, in der dieser sich zu erfahren gibt.

Im brennenden Dornbusch gibt Gott dem Mose zu verstehen, dass ihm die aktuelle Lebens- und Sprachwelt der Israeliten gewärtig ist. Er hat das Elend vor Augen, die Klage seines Volkes wahrgenommen und spiegelt es im Erscheinungsbild des Dornbusches wider. Mit den Worten: „Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs“ (Ex 3,6) stellt sich JHWH dem Mose wie seinem Volk auf eine vertraute Weise vor. Damit deutet er an, dass er sich selbst treu bleibt und seine Vergangenheit nicht verrät. Mit dem Wissen, dass Mose ein geborener Hebräer ist, sieht er nicht über dessen Herkunft hinweg, sondern nimmt sie als Hintergrund wahr, auf dem er sich in vertrauter Weise zeigen kann.

Wenngleich Gott Wert auf Distanz und Freiräume legt, bleibt er seinen Zusagen treu. Die Erwähnung der Patriarchen lenkt den Blick auf die Geschichte. Was Gott den Vätern versprochen hat, wird sich erfüllen. Dies wird auch in der Mosegeschichte an einer anderen Stelle deutlich, denn Gott ist „der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs“ (Ex 3,6). Das, was er Abraham, Isaak und Jakob zugesichert hat, bleibt gültig und wird erfüllt. Was aber hat Gott den Erzvätern versprochen?

Zu Abraham sagte Gott: „Ich schließe meinen Bund zwischen mir und dir samt deinen Nachkommen, Generation um Generation, einen ewigen Bund: Dir und deinen Nachkommen werde ich Gott sein. Dir und deinen Nachkommen gebe ich ganz Kanaan, das Land, in dem du als Fremder weilst, für immer zu eigen, und ich will ihnen Gott sein“ (Gen 17,7f).

Zu Isaak sagte Gott: „Geh nicht nach Ägypten hinunter, bleib in dem Land wohnen, das ich dir verspreche. Halte dich als Fremder in diesem Land auf! Ich will mit dir sein und dich segnen. Denn dir und deinen...

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