EINLEITUNG
Liebe Dich frei
Liebe lässt uns leben. Liebe lässt uns wachsen. Liebe lässt uns einzigartig werden. Liebe lässt uns frei und zugleich mit allem tief verbunden sein. Wenn es die wirkliche Liebe ist. Lernen Sie mit Hilfe dieses Buches zuerst unterscheiden. Finden Sie dann zu Ihrem eigenen und echten Liebesbewusstsein. Erkennen Sie, warum Ihr Traum vom siebten Himmel nur eine Fata Morgana ist, in die Sie sich auf der Suche nach Liebe immer wieder verirren.
Wo ist Ihr Ort, an dem ein Koffer voller sehnsuchtsgefärbter Bilder auf Sie wartet? Wo ist der Ort, der umso magischer wird, je einsamer und unglücklicher Sie sind? Wo ist der Ort Ihrer ersten großen Liebe?
Mein magischer Ort, der zeitlos im Innern auf Erlösung wartet, heißt bei mir »Garten der Liebe«. Sie werden ihn auf keiner Landkarte finden. Aber für mich ist er genau so wahr wie der Ort, an dem ich geboren wurde, oder der Kindergarten oder die Schule, die ich besuchte.
Immer dann, wenn ich mich besonders einsam oder unglücklich fühle, zaubert mir eine geheimnisvolle Kraft diesen Ort mit all seinen Bildern, Eindrücken und Gefühlen so klar und deutlich aus der Seelentiefe nach oben, dass ich jedes Mal überzeugt bin, direkt vor dem Eingangstor zu sein, um kurz darauf enttäuscht festzustellen, dass alles nur eine Fata Morgana ist.
Für immer verloren?
Wenn ich mit anderen Menschen über solche Erfahrungen spreche, stelle ich fest, dass es nicht nur mir so geht. Manchmal glauben wir sogar, das Tor zu diesem rosaroten siebten Himmel wiederzufinden, wenn wir an den äußeren Ort unserer ersten großen Liebe zurückkehren und zu suchen beginnen. Meist bleiben wir dann unnötig im Suchen stecken. So wie ich, als ich feststellen musste, dass aus meinem »Garten der Liebe«, diesem kleinen, stillen Park, mitten im Großstadttrubel, ein Einkaufszentrum geworden ist.
Vom Zauber vergangener Zeiten ist heute in meinem »Garten der Liebe« äußerlich nichts mehr zu spüren. Die Suche nach dem Eingangstor, den lauschigen Ecken, den Bäumen, Sträuchern und Blumen wird für immer erfolglos bleiben. Die kleine Espressobar am Rande des Parks, in der wir unseren ersten italienischen Kaffee tranken, ist jetzt eine Dönerbude geworden. Die Gebäude, Geschäfte und Straßen sind zweckmäßig angelegt, auf Basis der Marktforschung auf die Kundenbedürfnisse ausgerichtet, aber trotzdem fehlt mir etwas ganz Entscheidendes. Dieses Eingangstor zu meinem siebten Himmel.
Ich denke manchmal an einige meiner erfolgreichen Klienten, deren Leben auch auf Nutzen, Zweck und Erfolg ausgerichtet ist, wie bei einem Einkaufszentrum. Das Geld bestimmt, was jetzt für sie wichtig ist. Ein dichtes, gut durchorganisiertes Beziehungsnetzwerk sorgt dafür, dass auch die sozialen Bedürfnisse erfüllt werden. Und doch kommt mir bei all den guten Argumenten, warum das alles wichtig und richtig sein solle, so viel Einsamkeit entgegen. Warum diese Einsamkeit und woher kommt sie? Was fehlt in solch einem Leben? Braucht es vielleicht doch die Fähigkeit, sich wieder wie beim ersten Mal zu verlieben? Oder braucht es etwas ganz anderes? Ein neues Bewusstsein von Liebe?
Liebesübung
Wo immer Sie in diesem Augenblick sind, halten Sie einen Atemzug lang inne, um sich zu fragen: Wie war das bei mir, als ich das erste Mal glücklich verliebt war? Was verbinde ich mit dieser Zeit? Welchen Ort, welche Erfahrungen? Wie geht es mir, wenn ich an diese Zeit denke? Auch wenn Sie keine Antworten bekommen sollten, bedanken Sie sich bei Ihrem Leben für die Zeit Ihrer ersten großen Liebe.
Alles nur Theater
Als ich im Coaching einen dieser lieben Menschen auf seine traurigen Augen ansprach und ihn nach dem Grund seiner Traurigkeit fragte, führte er mich an den Ort seiner ersten großen Liebe, wissend, dass auch sein äußerer Ort nichts mehr mit den inneren Bildern zu tun hatte, die in ihm mit diesem Fleckchen Erde verbunden waren. Beim Spielplatz blieb er stehen. Wir setzten uns schweigend in den Sandkasten und schauten den Kindern beim Spielen zu.
Irgendwann stand er auf und stellte sich vor den Brunnen in der Mitte des Platzes. Eine große Marmorkugel drehte sich auf einem dünnen, sprudelnden Wasserfilm. Dann fiel ihm auf, dass sich die Kugel immer nur um sich selbst drehte. Plötzlich ein kurzes, leises Stöhnen: »Jetzt verstehe ich etwas mehr vom Geheimnis meines Leidens«, flüsterte er in meine Richtung, als ob er mir etwas streng Vertrauliches mitteilen wolle. »Viele Probleme hängen wohl damit zusammen, dass ich glaube, alles müsste sich nur um mich drehen. Im Leben und in der Liebe.« Eine leise Frage schwang in den Worten mit. Aber es brauchte keine Antwort. Wir gingen langsam ein paar Schritte weiter. Dann blieb er wieder stehen.
Vor uns saß ein Liebespaar auf einer Betonbank. Der Mann war still und verzückt neben ihr. Sie hatte eine kleine rote Rose in der Hand und schaute glücklich und zufrieden in die Welt. Ein anderer Mann kam dazu, brachte der Frau eine große rote Rose und küsste leidenschaftlich ihren Hals. Die Frau folgte ihm zu einer anderen Bank. Der Verflossene blieb traurig zurück. Dann kam von irgendwoher wieder ein anderer Mann mit einer noch größeren Rose und überreichte sie gestenreich der Frau. Die Frau tat ganz entzückt und folgte nun ihm. Das Spiel wiederholte sich. Die Rose wurde immer größer und der Abstand zum nächsten Mann immer kürzer. Die Frau aber schaute mit jedem Wechsel immer trauriger aus. Fast schien es so, als wäre sie das eigentliche Opfer in diesem seltsamen Spiel.
Bei genauerem Beobachten erkannten wir, dass hier Schauspieler ihren Auftritt probten. Nach einer Weile fragte mein Klient, ob alle Beziehungen ein Leben lang nach so einer »Mehr-des-Gleichen-Dramaturgie« abliefen oder ob jeder von uns seine ganz eigene, geheimnisvolle Dramaturgie habe, nach der er die großen Tragödien seines Lebens abspiele. Ich wollte nicht sofort antworten und genoss die Pause. Erst dann antwortete ich: »Vielleicht leiden wir Menschen lieber, statt auf die Idee zu kommen, unseren Spielplan irgendwann zu ändern.«
Mein lieber Kunde schüttelte bedächtig den Kopf. »Vielleicht wissen wir auch nicht, wie wir diesen Spielplan so verändern können, dass wir wieder glücklich sind. Wüssten wir es, dann bräuchten wir keiner Fata Morgana mehr nachtrauern«, antwortete er leise und bescheiden. »Vor allem könnten wir dann das, was wir beim Verliebtsein nicht können: Wir könnten wirklich lieben und müssten nicht mehr nur geliebt werden. Wie viel Lebenszeit vergeuden wir, nur um geliebt zu werden? Wie viel Lebenszeit vergeuden wir mit den zum Scheitern verurteilten Versuchen, uns wieder wie beim ersten Mal zu verlieben?« Mein Gegenüber schaute mich mit großen Augen an.
»Kann ich bei Ihnen wieder lieben lernen, statt mich nur zu verlieben und danach noch zu bekriegen?«, fragt er. »Ich rufe Sie an.« Meine Antwort hatte er gar nicht abgewartet.
Exkurs: Wissen
Seit Aristoteles sind wir davon überzeugt, dass Denken und Fühlen in unserem Herzen zu Hause sind. Die Erkenntnisse der modernen Hirnforschung konnten nur wenig an dieser Überzeugung ändern. Gleichzeitig wächst aber das Interesse an deren Forschungsergebnissen so rasant wie nie zuvor.
Beschränkte sich vor einiger Zeit unser Wissen um das Gehirn noch darauf, dass es aus zwei Hälften besteht und dass links die sprachlichen und analytischen Prozesse ablaufen, während rechts unsere »weichen« Fähigkeiten wie Kreativität oder Musikalität entwickelt werden, wissen wir jetzt schon viel mehr.
Wir wissen, dass unser gesamtes Körpergefühl untrennbar mit dem Gehirn verbunden ist. Wir wissen, dass unser Selbstbewusstsein die Leistung von 100 Milliarden Neuronen ist. Wir wissen, wo bestimmte Emotionen zu Hause sind. Wir wissen, dass moralische Fragen im Stirnhirn verarbeitet werden. Selbst für sogenannte Nahtoderlebnisse kennen wir den verantwortlichen Sitz im Gehirn.
Wir wissen sogar, dass sich unser Gehirn permanent neu verschaltet und dass es bis ins hohe Alter lernfähig bleiben kann, wenn wir im Austausch bleiben. Das Wie bestimmt dabei die Verschaltungen im Gehirn. Somit hat die Qualität unserer Beziehungen nicht nur Einfluss auf die Entwicklung unseres Gehirns, sondern auf unser gesamtes System Mensch. Weil es keine tiefere und intensivere Beziehungsqualität gibt als eine Liebesbeziehung, hat eine von Liebe geprägte Beziehung auch einen entsprechenden Einfluss auf die Entwicklung unseres Gehirns.
Ein Lehrplan für die Liebe
Mir war die Dimension einer Frage, wie der meines Klienten, sehr wohl bewusst, als ich plötzlich alleine auf dem Spielplatz stand und um eine gute Antwort rang. »Lieben lernen statt sich nur zu verlieben? Ist dieser Mensch vielleicht des Kämpfens müde? Will er in dem anderen mehr als nur einen Feind sehen? Welches Leid versteckt sich hinter seiner Frage? Welche Sehnsucht will sich zuerst aus diesem Leid befreien? Sehnt sich dieser Mann vielleicht nach einer neuen Beziehungskultur? Einer Beziehungskultur, die es jedem der Beziehungspartner möglich macht, zu wachsen, zu reifen und ein liebesfähiger Mensch zu werden?...