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E-Book

Mit leichtem Gepäck

Siebzehn Mal um die Welt

AutorMaud Parrish
VerlagEdition Erdmann in der marixverlag GmbH
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl360 Seiten
ISBN9783843805674
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Noch immer herrscht Goldgräberstimmung in Kalifornien, als die 17-jährige Maud Parris 1895 in San Francisco heiratet - und es augenblicklich bereut. Denn 'Freiheiten für normale Frauen, die gab es in San Francisco nicht'. Die junge Frau mit dem großen Freiheitsdrang verlässt ihren Mann, schnappt sich ein Banjo und reist mit leichtem Gepäck und ein bisschen Geld in der Tasche über Seattle nach Alaska. Schnell schließt sie sich dort den Spielern und Spekulanten an, die ihren Traum vom Abenteuer verkörpern. - Get your gun, Maud! - Sie wird eine von ihnen, verdient ihr Geld spielend und tanzend. Wenn sie genug zusammen hat, reist sie weiter. Später, während eines längeren Aufenthalts in Peking, etabliert sie sich selbst als Geschäftsfrau und eröffnet einen Spielsalon, dessen Einnahmen es ihr ermöglichen, zu tun, was sie am liebsten macht: reisen, fremde, geheimnisvolle Orte aufsuchen, die Welt erobern: Afrika, Asien, Südamerika, Europa, die Südseeinseln, den Orient. Siebzehn Mal hat sie den Erdball umkreist, hat Kriege und politische Unruhen erlebt. Vom russisch-japanischen Krieg über die Turbulenzen des 1. Weltkriegs bis zu den Ereignissen am Vorabend des 2. Weltkriegs, den sie bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin erlebt - reisend hat Maud Parrish die Zeitläufe und politischen Veränderungen auf der Welt erfahren. Und schließlich hat sie über die Erfahrungen ihres Lebens ein Buch geschrieben. Es ist spannender als jeder Abenteuerroman: der Bericht einer mutigen, wachen, unerschrockenen Frau die mitten im Weltgeschehen unterwegs ist.

Maud Parrish, geboren 1878 in San Francisco, sollte so der Wunsch der Eltern eine Pianistin werden, aber das junge Mädchen war zu zierlich, ihre Hände zu klein. Auch die von den Eltern arrangierte Ehe hielt nicht lange. Aufgewachsen auf San Franciscos Russian Hill, von wo aus man einen guten Blick auf den Hafen hatte, erwachten in ihr Fernweh, Reisefieber und Wanderlust. 1895 unternahm sie die erste ihrer großen Reisen, die sie immer wieder rund um die Welt führten. 1939 schrieb sie darüber ihr erstes und einziges Buch. 1976, im Alter von 98 Jahren, starb sie in ihrer Heimatstadt. Conny Lösch lebt in Berlin und hat unter anderem Bücher von Greil Marcus, Jon Savage, Don Winslow und Ian Rankin übersetzt. Susanne Gretter studierte Anglistik, Romanistik und Politische Wissenschaft in Tübingen und Berlin. Sie lebt und arbeitet als Verlagslektorin in Berlin. Sie ist Herausgeberin der Reihe 'Die kühne Reisende'.

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Leseprobe

I


ZURÜCK ZUM URSPRUNG


Der Goldene Westen


Gibt es nicht immer ein »vorher«? Ich kann mir nicht vorstellen, dass etwas einfach so anfängt – dass ein Kind vom Wesen her schlecht und ein anderes gut ist, einfach nur durch Zufall. Hinter diesem »gut« und »böse« muss noch etwas anderes stecken. Wenn man zwei Hunde hat, von denen der eine immer am Feuer sitzt und der andere draußen in den Hügeln herumschnuppert, schlägt man doch auch nicht den einen, nur weil er nicht so ist wie der andere. Vielleicht ist das Schicksal daran Schuld oder die Vorfahren.

In meiner Familie gibt es seit Generationen Vagabunden und Abenteurer. Ich weiß nicht, wie es dem ein oder anderen am Ende ergangen ist. Sie zogen los, um etwas zu erleben. Einer meiner Großväter starb noch vor meiner Geburt in Indien. Andere kamen nach Amerika, als es noch neu war. Wenn es allmählich friedlicher zuging, zog jede Generation ein Stück weiter nach Westen. Meine Mutter wurde in einem kalifornischen Goldgräberlager geboren. Mein Vater nahm mit sechzehn aus Ohio Reißaus. Nach der Feier zur Fertigstellung der First Transcontinental Railroad in Utah zog er nach Kalifornien. Er arbeitete in Minen und Holzfällerlagern. Später verdiente er in Trinity County, im Norden des Staats viel Geld mit Holz. Als ich 1878 in San Francisco geboren wurde, war er noch immer im Holzgeschäft.

Da San Francisco an der Westküste liegt, gab es im Westen kein Land mehr, in das man hätte ziehen können. Aber wieso hätte durch meine Adern anderes Blut fließen sollen, nur weil ich zufällig ein Mädchen war? Hätte ich mit gefalteten Händen ruhig zu Hause sitzen sollen?

Manche Menschen lassen sich vor lauter Angst, ihre Eltern zu enttäuschen, davon abhalten, Sachen zu machen und zu verreisen, aber ich habe immer gewusst, dass mich meine Eltern verstehen und mir Beifall spenden würden, wenn ich meinen eigenen Weg ging.

Allerdings versuchten sie, mich »ordentlich« zu erziehen; ich genoss keinerlei Freiheiten. Nicht mal zur Tanzstunde durfte ich, wobei mir meine Mutter, die selbst Instrumente spielte und eine recht gute Musikerin war, Tanzen und Klavier, Banjo und Mandoline beibrachte. Abgesehen davon, ging es zu Hause zu wie im Kloster. San Francisco war damals ein ziemlich raues Pflaster und ich vermute, das ist auch der Grund, weshalb meine Mutter so streng war.

Ich durfte zu Hause Jungs empfangen – mit ordentlicher Genehmigung – und ich hatte Liebhaber. Den ersten mit vierzehn, den besten Jungen auf der Welt. Hätte ich ihn geheiratet, wäre es höchstwahrscheinlich gut gegangen, aber meine Mutter war anderer Ansicht. Sie ließ mich nie machen, was ich wollte. Vermutlich war ich recht wild und eigensinnig. Ich dachte, da sie nur siebzehn Jahre älter war als ich, wusste sie es nicht besser und hat sich wohl Sorgen gemacht, weil es in der Stadt so derb zuging. Trotzdem wollte ich weg – wer kann es mir verdenken? Innerlich verkrampfte ich ständig, als bekäme ich keine Luft mehr. Als mich dann der Sohn eines reichen Mannes heiraten wollte, dachte ich: »Dadurch werde ich Freiheiten bekommen.« Geliebt habe ich ihn nicht – den armen Kerl – aber meine Familie hießes gut und sein Vater besaß Anleihen an der Pacific Mail Company und auch in Panama.

Das Haus meines Vaters befand sich auf dem Russian Hill. Von dort konnte man den ganzen Hafen sehen, die Schiffe in der Bucht waren eine Verlockung für mich. Wenn sie auf den Pazifik hinausfuhren, malte ich mir aus, wo sie anlegen würden – die Inseln, die ich mir vorstellte, wie Blütenblätter an einer riesigen Lotuspflanze. Dann musste ich mich wieder dem »Tu dies nicht und das nicht« unterwerfen.

Der junge Mann sollte eine gute Anstellung in der Firma seines Vaters erhalten und nach Panama reisen. Als ich ihm mein Ja-Wort gab, dachte ich an all die fernen Orte. Seit ich denken kann, hatte ich lebendige Geographie im Kopf.

Also wurden wir vermählt. Ich war erst sechzehn. Es war einer der stürmischsten Tage; Wind und Regen hätten den Klang der Orgel beinahe übertönt. Wegen des Donners, der die Kirche beben ließ, konnte ich die Worte des netten kleinen Predigers nicht hören. Aber als er mich fragend ansah, wisperte ich leise: »Ich will.«

Wenn ich im Kino eine Hochzeit sehe, gerät mir bis zum heutigen Tag das Blut in Wallung.

Mein Ehemann hatte Geschichten aus Panama gehört. Wie schlimm es dort sei. Ein Mann sei delirierend zurückgekehrt. Er beschloss, in dem Büro in San Francisco zu bleiben. Als ich feststellte, dass er keinerlei Abenteurergeist besaß, wollte ich nichts mehr mit ihm zu tun haben. Egal, wie ein Mann ist, sagte ich, Mut muss er haben.

Doch dann sollten wir ein Baby bekommen. Erst hatte ich gar nichts zu tun und als das kleine Baby kam, war es besser. Aber nach nur zwei Monaten war es schon wieder nicht mehr da. Ich dachte, ich würde verrückt werden, so gefesselt ans Haus – und dass etwas Schreckliches passieren würde wenn ich nicht herauskäme. Ich weiß nicht, was mit mir los war, nur dass ich unglücklich war.

Dann eines Tages – nie hatte ich etwas zu tun – wurde eine Fuhre Kohle geliefert. Jedes Mal, wenn eine Schaufel die Schütte herunterrutschte, schauderte es mich. Ich stand am Fenster, sah zu und dachte: »Ich muss hier bleiben, bis das alles verbrannt ist!« Ein schrecklicher Gedanke. Und noch viele weitere Fuhren. »So wird es den Rest meines Lebens sein«, und ich wusste, dass ich das nicht ertragen konnte. Wenn ich an die Endlosigkeit all dessen dachte, schmerzte mein Kopf, als würde ein Feuer darin lodern.

Und so lief ich davon. Wären Löwen hinter mir her gewesen, hätte ich es nicht eiliger haben können. Ohne ihm etwas zu sagen. Ohne meiner Mutter oder meinem Vater etwas zu sagen. Freiheiten, die gab es für normale Frauen in San Francisco nicht. Aber ich hatte welche gefunden. Es gab damals keine Bürojobs für junge Frauen. Man heiratete, sonst wurde man zur alten Jungfer oder konnte gleich zur Hölle fahren. Sucht es euch aus.

Das hat es nicht besser gemacht – nur allen Sorge bereitet. Schließlich fanden mich meine Eltern und nahmen mich mit nach Hause. Die Familie meines Ehemanns kam, einige den ganzen weiten Weg aus ihrer schönen Heimat im »alten New England« und flehten mich an zu ihrem einzigen Sohn zurückzukehren. Ich konnte es einfach nicht. Aus der Sicht einer anderen mochte nichts verkehrt an ihm gewesen sein. Für eine andere hätte er vielleicht einen guten Ehemann abgegeben. Also versuchte ich eine Scheidung zu erwirken.

Aber der arme alte Richter sagte, ich sei zu jung. Es müsse eine Versöhnung geben. Und dann erzählte er noch irgendwas vom vornehmen alten Osten und dem frischen jungen Westen, die sich miteinander vertragen sollten. Aber seine schönen Worte waren eine Prophezeiung von kurzer Dauer. Als ich aufstand, um den Gerichtssaal zu verlassen, gab sich die Abordnung aus dem vornehmen alten Osten ein kleines bisschen zu spöttisch für den Geschmack meiner kleinen ein Meter achtundsiebzig großen Mutter, die in Kalifornien geboren und aufgewachsen war. Sie schlug meinem Noch-Ehemann ein paar Zähne in den Rachen, plättete zumindest ein Grinsen aus Maine. Pa warf ihn eine Treppe hinunter. Die gegnerischen Anwälte stellten gelassen ihre Aktentaschen ab und bearbeiteten sich gegenseitig.

Mein Vater nahm mich mit auf sein Land im Trinity County, um dem Skandal zu entkommen. Dort hatte ich Zeit, über alles nachzudenken, ich spazierte oder ritt durch die Wälder. Ich wusste, dass ich zu dem Ehemann, an den mich das Urteil des Richters weiterhin juristisch band, nicht zurückkehren würde. Und das bedeutete, dass ich nicht in San Francisco leben konnte. Manche betrachten das Leben schwarz-weiß; andere – und das sind die glücklichen – in altgoldenen Tönen. Aber mein Leben damals ließ mich rot sehen. Fernweh kann bisweilen das herrlichste überhaupt sein, aber wenn es an einem nagt und einem in die Eingeweide sticht, besonders im Frühjahr, einem aber Hände und Füße gebunden sind, dann ist das schrecklich. Also ging ich. Ohne einer Menschenseele etwas davon zu sagen.

Ab nach Norden


Ich hatte ein bisschen Geld und mein Banjo. Keine Ahnung, was ich machen würde, wenn mir das Geld ausging, aber ich zog trotzdem fort, erst nach Seattle, von wo aus ich blitzschnell eine Schiffspassage nach Alaska bekam. Die Luft war erfüllt von der Goldgräberstimmung am Klondike. Die Verlockungen des Abenteuers zogen mich an Bord und das Gefühl des Gebundenseins blieb an Land.

Hier sah ich Menschen, die ich verstand. Hier waren sie alle aus Fleisch und Blut, die Menschen, die meine Phantasie bevölkerten, die auf meiner geistigen Landkarte der guten alten Mutter Erde gelebt hatten, und gereist waren. Die Phantasie ist herrlich, anregend wie ein Cocktail, aber erst die Realität beschert einem das vollständige Fünf-Gänge-Menü mit Champagner. Die Goldgräber, Unterhändler, Abenteurer,...

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