Was ist bloß mit uns los? Sind wir einfach nur ignorant oder zu inkonsequent und verweichlicht – oder sind wir gar lebensmüde? Unser westlicher Lebensstil scheint seit geraumer Zeit darauf ausgerichtet, eine bewusste Demontage zu betreiben. Das betrifft nicht nur unsere Umwelt, sondern auch ganz besonders unseren Körper. Wir misshandeln und vergewaltigen ihn jeden Tag aufs Neue. Wie ich das meine? Ich meine damit die großen Mengen an Zucker und Fett, die wir tagtäglich verzehren. Ich meine die Geschmacksverstärker, die Süßstoffe, die künstlichen Aromen, die Farbstoffe, die Konservierungsstoffe, die Unmengen an Ärger und Stress, die wir uns selbst aufhalsen, den Alkohol und die Zigaretten, mit denen wir versuchen zu kompensieren, das Vielzuviel an Essen, den schlechten Schlaf und die schlechte Laune und natürlich den Bewegungsmangel, der unsere Gesundheit auf das Höchste belastet.
Die Zeit, in der wir leben, ist eine schnell vergängliche und fordernde. Wir müssen erfolgreich sein. Unser Beruf erfordert ein Übermaß an Zeit, Disziplin und Engagement. So konstruktiv und bemüht wir unser Berufsleben gestalten, so destruktiv und desinteressiert wirken wir an uns selbst. Die Konsequenz, die wir bei der Arbeit an den Tag legen müssen, wird im Privaten ad acta gelegt. Am Wochenende lecken wir die Wunden, die eine auszehrende Arbeitswoche hinterlassen hat, und suchen Trost in einem kulinarischen Verwöhnprogramm, bei dem es an nichts fehlen soll. Dazu ein, zwei Gläschen Wein oder auch gern mal mehr. Anstatt eines aktiven Ausgleichs suchen wir Entspannung nur mehr im Nichtstun. Sport betrachten wir als zusätzliche Anstrengung, die wir uns in unserer wohlverdienten Freizeit keinesfalls antun wollen. Am Montag steigen wir wieder in unser Hamsterrad und hasten gedankenlos weiter. Wie lange das gut gehen kann – daran verschwenden wir keinen Gedanken. Wir hoffen einfach, dass alles bleibt, wie es ist, und unser Körper mitspielt. Wir lenken uns ab mit der Vorfreude auf den Feierabend, den wir mit dem einen oder anderen gemütlichen Bier begehen, oder auf die Genüsse des kommenden Wochenendes, an dem ein Ausflug in die Weinregion zu unserem Lieblingsheurigen auf dem Programm steht.
Doch diese Rechnung wird nicht aufgehen. Über Jahrzehnte überfordern wir unseren Körper, und diese Rücksichtslosigkeit wird uns teuer zu stehen kommen. Täglich riskieren wir unsere Gesundheit in der Hoffnung, heil davonzukommen. Wir wissen genau, dass es nicht ideal läuft, sind aber Meister im Verdrängen. Uns wird es schon nicht erwischen. Betroffene im Umfeld bemitleiden wir – das Leben ist oft ungerecht und grausam. Wir vergessen jedoch, dass die meisten von uns ihr Schicksal selbst in der Hand haben. Wir selber sind es, die unsere Gesundheit gefährden. Wir essen zu viel und zu ungesund. Wir bewegen uns nicht. Es ist nicht höhere Gewalt, sondern unser Lebensstil, der viele Erkrankungen, die sogenannten Zivilisationskrankheiten, verursacht. Dabei stellen dank der modernen Medizin unzählige Krankheiten, die früher den Tod bedeuteten, keine Gefahr mehr für unsere Gesundheit dar. Wissenschaftler entwickeln Impfungen und Therapien gegen Krebs. Laufend werden neuartige Behandlungsstrategien vorgestellt, die schnellere und bessere Heilungschancen versprechen. Europas Gesundheits- und Sozialsysteme bieten uns die besten Möglichkeiten für ein langes, gesundes und glückliches Leben. Wir hätten also alle Voraussetzungen! Aber wir lassen das alles ungenutzt. Stattdessen leben wir ein Leben, mit dem wir uns, unseren Körper, und unsere Gesundheit eigenhändig demontieren!
Jeder will alt werden, aber niemand will alt sein!
Der Wunsch nach einem langen Leben, verbunden mit Vitalität und jugendlicher Leichtigkeit, ist etwas zutiefst Menschliches. Wer bekommt etwa nicht gerne Komplimente über sein Aussehen? Wir sind stolz darauf, wenn wir Menschen jüngerer Generationen Paroli bieten oder ihnen in Bereichen, in denen Jugend Vorteile verschafft, sogar Leistungsgrenzen aufzeigen können. Nicht nur Stars, Prominente und Mitglieder der Schickimicki-Gesellschaft eifern dem Ideal ewiger Jugendlichkeit nach. Die Idee des Anti-Agings, auch wenn dieser Begriff schon zu oft und auch missbräuchlich verwendet wurde, ist meines Erachtens ein natürlicher, legitimer Wunschgedanke, der zu Recht in den Köpfen vieler Menschen, sowohl Frauen als auch Männer, verankert ist. Ja, auch wir Männer wollen nicht alt aussehen! Und in dieser Formulierung steckt auch der aus meiner Sicht springende Punkt: Alt werden wollen wir alle, alt sein will niemand – und alt aussehen schon gar nicht!
Bedauerlicherweise ordnen aufgrund der Verknüpfung mit dem Aussehen viele Menschen den Begriff Anti-Aging ausschließlich der Kosmetikindustrie oder Schönheitsmedizin zu. In diesen Kategorien findet er zwar seine Berechtigung, er sollte jedoch keinesfalls darauf reduziert werden. Anti-Aging darf nicht allein auf die Oberfläche und das Äußere bezogen werden. Der Wissenschaft ist der Zusammenhang zwischen inneren und äußeren Werten bezüglich Gesundheit schon lange bekannt. Aus diesem guten Grund definiert die World Health Organisation (WHO) Gesundheit auch als „Zustand seelischen und körperlichen Wohlbefindens“. Ebenso sollten wir uns darüber im Klaren sein, was es eigentlich bedeutet, zu versuchen, das Fortschreiten des Alterns aufzuhalten. Das biografische Alter, also das Alter, das unsere Lebensjahre zählt, ist davon natürlich ausgeschlossen. Die Zeit lässt sich nicht anhalten. Dem biologischen Altern jedoch können wir sehr wohl entgegenwirken. Dieses beschreibt nämlich lediglich den Zustand unserer inneren Werte und unserer inneren Beschaffenheit und lässt sich durch verschiedene Untersuchungen und Messverfahren bestimmen. Dieses „gemessene Alter“ des Körpers weicht nicht selten von seinem kalendarischen Alter ab. So kann es schon mal vorkommen, dass ein Dreißigjähriger die „inneren Werte“ eines Fünfzigjährigen aufweist oder im Idealfall auch umgekehrt.
Begriffe wie Anti-Aging stellen für mich somit lediglich moderne Umschreibungen für den großen Bereich der Präventionsmedizin dar. Um den gesundheitlichen und ganzheitlichen Aspekt zu betonen, bevorzuge ich die Bezeichnung Well-Aging.
Mein Zugang, meine Überzeugung und meine Absichten
Vorsorgemedizin ist die beste Art der Medizin! Was keineswegs bedeuten soll, dass wir keine Reparaturmedizin mehr brauchen. Gelobt sei der Chirurg, der uns den entzündeten Blinddarm entfernt, und der Orthopäde, der uns bei einem Bandscheibenvorfall behandelt! Doch hätten wir beispielsweise unseren Bandscheibenvorfall durch einen gesunden, vorsorglichen Lebensstil nicht vielleicht doch verhindern können?
Mein persönliches Bestreben in meinem Beruf als Arzt ist es, Krankheiten zu verhindern, bevor sie entstehen, und die Gesundheit meiner Patienten möglichst lange zu erhalten. Und aus diesem Grund möchte ich Ihnen gerne neue Erkenntnisse aus den Bereichen Lifestyle-, Präventions- und Well-Aging-Medizin präsentieren, die mich faszinieren und von denen ich überzeugt bin, dass sie die Schlüsselfaktoren für ein gesundes, langes und vitales Leben sind. Möglicherweise werden Sie sich manchmal provoziert fühlen, wenn ich die eine oder andere Ihrer Lebensgewohnheiten eindringlich infrage stelle. Das ist nicht meine Absicht – sehr wohl aber geht es mir darum, Sie wachzurütteln und Ihnen bewusst zu machen, was hier auf dem Spiel steht.
Ich möchte Sie motivieren. Ich möchte Sie begeistern. Ich möchte Sie von meiner persönlichen Einstellung vom richtigen Umgang mit dem eigenen Körper überzeugen. Nicht weil ich meine Meinung für besonders wichtig erachte, sondern weil ich den Erhalt unserer Gesundheit für über alle Maßen bedeutend und wertvoll erachte.
Ich möchte, dass sie zukünftig einfach alles daransetzen, um möglichst gesund alt zu werden, möglichst fit zu bleiben und möglichst gut auszusehen.
Verjüngung geht doch, zumindest in der Tierwelt
Sich zu verjüngen und dem Alter damit ein Schnippchen zu schlagen, schien für uns Menschen lange Zeit ein ewig unerfüllbarer Wunschtraum zu bleiben.
Beobachtungen aus der Tierwelt, wie etwa die Untersuchungen der Biologin Annette Baudisch, zeigen jedoch, was in der Natur alles möglich ist. Die Meeresqualle Turritopsis nutricula etwa besitzt die Fähigkeit, sich mehrmals zu verjüngen. Haie sind bekannt dafür, dass ihre Zähne laufend nachwachsen. Und wenn der Süßwasserpolyp Hydra in Teile zerstückelt wird, kann sich aus jedem der Fragmente ein vollständiges Tier regenerieren. Dieses biologische Wunder ist für die Hydra ein Leichtes, da ihr Organismus nahezu komplett aus Stammzellen besteht. Das sind Zellen, die in der Lage sind, sich in jede benötigte Körperzelle zu verwandeln und so jedes beliebige Organ neu zu bilden. Wie beneidenswert!
Nacktmulle gehören zu den Nagetieren. Sie finden hier nicht Erwähnung, weil ich ihr Aussehen für besonders attraktiv hielte. Für den...