BASICS RUND UM DIE LEISTUNG
Höher, schneller, weiter, stärker – damit Sie Ihre Leistung gezielt analysieren und verbessern können, hilft ein wenig Grundwissen ungemein. Woraus setzt sich körperliche Leistung zusammen? Was passiert beim Sport im Körper? Wie können Sie Ihre Leistung verbessern?
LEISTUNG UND LEISTUNGSFÄHIGKEIT
Wir Menschen sind ein Wunderwerk der Natur und die Natur schafft nichts Überflüssiges: Alles ist eng miteinander verzahnt, beeinflusst sich gegenseitig und ist voneinander abhängig. Das gilt im Großen für Körper und Geist, also Physis und Psyche, reicht aber auch ins Detail von Muskeln, Sehnen und Bändern über das Herz-Kreislauf-System und den Stoffwechsel bis hin zu den Zellen und Hormonen. Wenn Sie einen Hebel drücken, bewegen Sie immer auch an ganz anderer Stelle noch ein oder mehrere Rädchen. Deswegen ist es sinnvoll, zunächst einen Blick auf die Bereiche zu werfen, die für unsere sportliche Leistung grundlegend sind, und auf die sportbiologischen Zusammenhänge. Dann verirren Sie sich nicht im Dschungel der unterschiedlichen leistungsdiagnostischen Verfahren, sondern verstehen, warum es so zahlreiche Tests gibt.
WO LIEGT DER UNTERSCHIED?
Wenn wir über das Thema Leistungssteigerung sprechen, müssen wir zwei Bereiche differenzieren. Das ist zum einen die physische, also körperliche, Leistungsfähigkeit: Sie erlaubt es uns, einen 100-Meter- oder einen 10-Kilometer-Lauf so schnell wie (uns) möglich zu bestreiten. Sie kann relativ leicht über messbare Größen erfasst werden – 13 Sekunden auf 100 Meter oder 55 Minuten über 10 Kilometer – und offenbart uns die »nackte Wahrheit«. Sie zeigt unsere momentane individuelle Leistung ohne Rücksicht auf die Tagesform oder andere Aspekte wie mangelnde Konzentration oder Stress im Umfeld, die unsere aktuelle Leistungsfähigkeit beeinflussen.
Zum anderen gibt es aber auch noch die psychische Leistungsfähigkeit. Sie ist weitaus schwieriger zu erfassen, weil sie starke Schwankungen mit sich bringen kann und tagesform- oder zeitraumabhängig ist. Die psychische Leistungsfähigkeit entscheidet jedoch maßgeblich darüber, ob wir eine neue Bestleistung aufstellen oder nicht. Sie spielt daher eine wichtige Rolle, wenn wir über die Steigerung der Leistung sprechen. Zur psychischen Leistungsfähigkeit gehören die Motivation und die mentale Stärke, also beispielsweise das Durchhaltevermögen, bei einem 10-Kilometer-Lauf permanent die beste Leistung zu erbringen.
Physische und psychische Leistungsfähigkeit stehen also in enger Wechselwirkung zueinander. Zum einen trägt der Grad der jeweiligen Leistungsfähigkeit (physisch und psychisch) und zum anderen ein ausgeglichenes Verhältnis der beiden Aspekte zueinander zu einer guten (körperlichen) Leistungsfähigkeit bei und beeinflusst diese sogar maßgeblich.
LEISTUNG IM FOKUS
Als sportliche Leistung gelten zunächst Höhen, Weiten und Geschwindigkeiten, die zum Beispiel in der Leichtathletik erzielt werden und mit Geräten gut messbar sind. Leistung wird außerdem mit Punkten bei technischen Sportarten wie Turnen, Tanzen oder Eiskunstlauf gemessen, indem ein oder mehrere Richter den Schwierigkeitsgrad sowie die Ausführung einzelner Übungen und den künstlerisch-gestalterischen Ausdruck bewerten. Nicht zuletzt wird Leistung vor allem bei Mannschaftssportarten, aber auch beim Tennis nur in Sieg oder Niederlage gemessen. Die sportliche Leistung kann jedoch auch sehr viel genauer betrachtet werden, und zwar im physikalischen Zusammenhang: Im Radsport etwa geht es um die Kraftübertragung des Sportlers auf das Fahrrad und darum, wie unterschiedliche Eigenschaften des Rads (Rahmengröße, Position des Sattels … ) die Leistung beeinflussen. Auch beim Rudern spielen physikalisch beschreibbare Vorgänge eine bedeutende Rolle, denn dabei hängt die körperliche Leistung (Energieumsatz pro Zeitspanne) eng mit der messbaren physikalischen Leistung zusammen.
GUT DEUTLICH WIRD DER PHYSIKALISCHE ASPEKT BEIM KRAFTTRAINING, IST DOCH »KRAFT« EIN GRUNDBEGRIFF DER PHYSIK.
Genau um diese messbaren Parameter und wie man sie sinnvoll – das heißt leistungssteigernd, aber ohne die Gesundheit zu gefährden – mit dem Training in Zusammenhang setzt, geht es in diesem Buch. Die erbrachte physikalische Leistung auf dem Fahrradergometer, dem Laufband oder im Gegenstrom-Schwimmkanal wird dabei ins Verhältnis zu gemessenen Parametern wie Herzfrequenz (HF), Sauerstoffaufnahme (VO2), Atemminutenvolumen (AMV) oder Laktatkonzentration gesetzt (alle werden im Buch ausführlich erläutert). Anschließend kann die Leistung mithilfe der gemessenen Werte zur Trainingssteuerung genutzt werden.
LEISTUNGSFÄHIGKEIT IM UNTERSCHIED ZUR LEISTUNG
Der Begriff Leistungsfähigkeit ist definiert als die Möglichkeit eines Menschen, zielgerichtet körperliche oder geistige Tätigkeiten auszuüben. Die Leistungsfähigkeit hängt von den physischen und psychischen Komponenten ab. Sowohl die körperliche als auch die seelisch-geistige Ebene ist für uns im Sport von Bedeutung, denn beide beeinflussen die Leistung. Ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste psychische Faktor ist die Motivation: Sie entscheidet maßgeblich über unsere Leistung.
Anders formuliert ist Leistung der aktuelle Zustand, während Leistungsfähigkeit die Leistung ist, die man theoretisch aufgrund der aktuellen körperlichen Lage erbringen könnte.
Klingt kompliziert? Ist es aber nicht: Wenn ein Läufer, der in den letzten Wochen 10 Kilometer normalerweise in 35 Minuten gelaufen ist, im Wettkampf 38 Minuten braucht, war er zwar super vorbereitet und hatte zum aktuellen Zeitpunkt eine hohe Leistungsfähigkeit. Er hat aber die mögliche Leistung zum Zeitpunkt des Wettkampfs nicht erbracht. Trainer sagen: Er konnte sie nicht abrufen. Leistungsfähigkeit bedeutet also, über die physischen und psychischen Möglichkeiten für eine Leistung zu verfügen.
Körperliche und geistige Leistungsfähigkeit nehmen unterschiedlich schnell ab.
WAS PASSIERT IM ALTER?
Es lässt sich leider nicht verleugnen: Unsere Leistungsfähigkeit hängt auch vom Alter ab und wird insgesamt mit den Jahren schlechter. In der Abbildung ist gut zu erkennen, dass sich die körperliche und die geistig-seelische Leistungsfähigkeit im Verlauf des Lebens unterschiedlich entwickeln: Die physische Leistungsfähigkeit ist bis zu einem Alter von etwa 20 bis 25 Jahren sehr hoch (Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit) und nimmt danach recht kontinuierlich ab. Die mentale Leistungsfähigkeit nimmt hingegen in der Regel erst im Alter von etwa 50 Jahren ab, also deutlich später. Ein Grund dafür ist die Informationsaufnahme und die Informationsverarbeitung durch Nervensystem und Gehirn, die deutlich länger stabil bleibt.
Entsprechend sind ältere Menschen auch im Sport oft mental leistungsfähiger, weil sie schon mehr Situationen in ihrem Leben durchlaufen haben, die sie in ihre sportliche Entscheidung mit einfließen lassen können. Sie können auf Erfahrungswerte zurückgreifen. Beispielsweise bleiben sie bei einem Rückstand (etwa im Volleyball oder Tennis) mental stärker und positiver, auch wenn sie punktetechnisch hinten liegen. Dadurch kann das Ergebnis am Ende oft noch »gedreht« und der Rückstand aufgeholt werden. Die physische und psychische Leistungsfähigkeit hängen außerdem von der genetischen Veranlagung und den Umweltfaktoren ab.
WARUM DIE LEISTUNG ABNIMMT
Im Alter verändern sich manche Abläufe im Organismus und mindern damit unsere sportliche Leistungsfähigkeit. So kommt es beispielsweise bei VO2max, der maximalen Sauerstoffaufnahme (siehe >), die unsere Ausdauerleistung beeinflusst, zu einem natürlichen Abfall. Dies geschieht sowohl mit als auch ohne Training. Als Richtwert nimmt die VO2max zwischen dem 25. und dem 70. Lebensjahr in 10 Jahren um 8 bis 10 Prozent ab – bei regelmäßigem Training je Lebensjahrzehnt aber nur um 4 bis 5 Prozent.
Des Weiteren kommt es im Verlauf des Lebens zu einem natürlichen Muskelschwund (man spricht von Muskelatrophie) durch die hormonellen Veränderungen: Die Bildung der dafür bedeutsamen Sexual- und Wachstumshormone geht mit zunehmendem Alter zurück. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Abnahme des Hormons Testosteron etwa ab dem 25. bis 30. Lebensjahr. Testosteron wirkt nämlich anabol, also muskelaufbauend, und weniger Testosteron führt folglich zu...