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E-Book

Lernen aus Fehlern

Wie man aus Schaden klug wird

AutorElke M. Schüttelkopf
VerlagHaufe Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783648134795
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,49 EUR
Ein Fehler ist keine Katastrophe. Die Autorin zeigt an vielen anschaulichen Beispielen, wie sich Fehler als Chance oder als Lernimpuls nutzen lassen. Sie erklärt auch, wie Sie mit Fehlern individuell und konstruktiv umgehen können. Inhalte: - Was eine konstruktive Fehlerkultur auszeichnet und welche Vorteile sie bringt - Fehler aufzeigen: Welche Stärken Sie dafür brauchen und wie Sie als Führungskraft richtig reagieren - Fehlerverhalten ansprechen: Wie Sie richtig Kritik üben und konsequent Verhaltensänderungen bewirken - Methoden zur systematischen Fehlerbearbeitung: So lernen Sie im Team aus Fehlern 

Elke M. Schüttelkopf Elke M. Schüttelkopf ist Management-Trainerin, Executive-Coach und Unternehmensberaterin. Mit ihren Forschungsarbeiten sowie ihrer langjährigen Beratungspraxis hat sie sich als Fehlerkultur-Spezialistin im deutschsprachigen Raum etabliert. Die Österreicherin unterstützt u. a. Unternehmen erfolgreich dabei, eine bessere Fehlerkultur zu implementieren.

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Leseprobe

Wenn Fehler in Katastrophen münden


Fehler passieren. Wir sind beim Laufenlernen gestolpert und haben uns die Knie blutig geschlagen. Wir haben beim Ballspielen so manche Vase in Scherben geschossen. Wir haben in der Schule die eine oder andere Schularbeit vermasselt. Doch was macht das schon? Fehler zu machen ist schließlich menschlich.

Doch Fehler ist nicht gleich Fehler. Das Fehlermachen als menschlich anzusehen und es dabei bewenden zu lassen, kann gefährlich werden. Daher lohnt es sich, den Blick zu schärfen und zu erkennen: Es gibt kleine und große Fehler, es gibt billige und teure Fehler, folgenlose und folgenschwere Fehler.

BEISPIEL:
Am Freitag, den 13. Januar 2012, lief das Kreuzfahrtschiff Costa Concordia gegen 19 Uhr aus dem Hafen Civitavecchia aus. Die Route durch das westliche Mittelmeer führte an diesem Abend an der Insel Giglio vorbei, für die ein Aufsehen erregendes Manöver eingeleitet wurde: Die Costa Concordia sollte sich vor der Insel »verneigen«, von der Schifffahrtsroute abweichen und mit voller Beleuchtung und unter Einsatz der Schiffshörner in unmittelbarer Küstennähe für ein ganz besonderes Spektakel sorgen.
Der weitere Verlauf ist aus den Medien bekannt. Die meisten der 3.200 Passagiere saßen gerade beim Abendessen, als das Schiff um 21:45 Uhr mit einem Felsen kollidierte. Nur 95 Meter von der Küstenlinie entfernt, schrammte der Luxusliner in 8 Meter Tiefe ein Riff, das ein 70m langes Leck in die Schiffshaut riss. Binnen weniger Minuten war der Großteil des Rumpfes geflutet, die Stromversorgung und die Antriebsmaschinen fielen aus, das Ruder war blockiert. Manövrierunfähig trieb das Schiff über das Meer, drehte sich um die eigene Achse und wurde dann von Wind und Wellen wieder in Richtung Küste geschoben. Nach mehr als einer Seemeile Irrfahrt lief das Schiff erneut auf Grund. In tiefer »Verneigung« kam es in der Nähe des Küstenortes Porto Giglio auf einem Felsen zum Liegen.
Trotz der winterlichen Wassertemperaturen sprangen etwa 200 Passagiere über Bord, um an Land zu schwimmen. Die meisten der 4.229 Menschen (davon etwa 1.000 Besatzungsmitglieder) wurden im Laufe der Nacht mit den Rettungsbooten sowie den zu Hilfe eilenden Schiffen, Fähren und Hubschraubern gerettet. 32 Menschen jedoch verloren bei diesem waghalsigen Manöver ihr Leben.

Fehlannahmen rund um Fehler


Irrtum Nr. 1: Pech gehabt!

BEISPIEL:
Als bei der Schiffstaufe der Costa Concordia das Topmodel Eva Herzigová im Sommer 2006 die Champagnerflasche auf den Luxuskreuzer knallen ließ, passierte ... gar nichts. Die Flasche blieb ganz. Ein gewaltiger Schreck durch-fuhr die anwesenden Seeleute: ein schlechtes Omen! Und dann war es ausgerechnet Freitag, der 13., an dem die Costa Concordia auf Grund lief. Die Reederei sprach gleich von einer »bestürzenden Tragödie«.

Wie so oft, war es auch im Fall des Kreuzfahrtschiffes nicht das Schicksal, das seinen unerbittlichen Lauf nahm. Vielmehr handelte es sich um eine Reihe von Fehlern, die Menschen passiert sind bzw. von ihnen gemacht wurden.

Fehler werden nicht vom Schicksal gesteuert. Sie sind keine Auswirkung von Glück oder Pech. Die wahre Tragödie liegt darin, dass zum einen ein schwerer Fehler verursacht wurde, der vermeidbar war, und zum anderen massive Fehler im Umgang mit dem Fehler gemacht wurden, die letztlich zum letalen Ausgang führten.

Irrtum Nr. 2: Fehlerverläufe sind schicksalhaft!

BEISPIEL:
Die Katastrophe setzte sich langsam in Gang. Es begann mit einer Fehlentscheidung sowie einigen leichten und schweren Verhaltensfehlern, die zu einem Unfall mit schweren Beschädigungen am Luxuskreuzer führten: Das Kreuzfahrtschiff rammte einen Felsen.
Zu diesem Zeitpunkt handelte es sich nicht nur um einen teuren Fehler, sondern auch um einen gefährlichen Fehler. Zu diesem Zeitpunkt handelte es sich nicht nur um einen Sachschaden, sondern war bereits die Sicherheit der 4.229 Menschen an Bord gefährdet. Aber der tödliche Ausgang war noch abwendbar.
Das tödliche Unglück trat nicht plötzlich ein, sondern im Verlauf einer Nacht: Die Kollision erfolgte um 21:45 Uhr. Binnen weniger Minuten lagen die Fakten auf dem Tisch: Der Rumpf und die Maschinenräume stehen unter Wasser, die Elektrizität ist ausgefallen, das Schiff ist nicht mehr manövrierfähig, die Stabilität des Schiffes ist akut gefährdet. Das alles ist kritisch, aber noch keine Katastrophe. Doch dann verlief vieles anders, als es laufen soll.
Gegen 21:54 Uhr informierte die Schiffsführung die Reisenden lediglich über ein Problem mit der Stromversorgung. Kurz nach 22 Uhr beschwichtigte der Kapitän die Küstenwache und täuschte sie über die wahren Verhältnisse an Bord. Und erst um 22:33 Uhr – mehr als eine Dreiviertelstunde nach der folgenschweren Kollision – ertönte auf der Costa Concordia das Hornsignal, das die Passagiere aufforderte, sich an Deck zu den Rettungsbooten zu begeben. Viel zu spät!
Als dann um 22:54 Uhr der offizielle Befehl zum Verlassen des Schiffes gegeben wurde, hatte der Luxuskreuzer bereits eine beträchtliche Schlagseite. Durch die starke Seitenlage lagen bereits viele Gänge unter Wasser bzw. wurden durch die zunehmende Neigung unpassierbar. Zahlreiche Rettungsboote waren blockiert und konnten nicht mehr zu Wasser gelassen werden. Um 23:19 Uhr entzogen sich der Kapitän und einige Offiziere im allgemeinen Chaos ihrer Verantwortung und flüchteten vom Schiff. Die verbleibende Besatzung erwies sich bei den Rettungsmaßnahmen als unkoordiniert und unzureichend ausgebildet.
Die Schadensbilanz: 32 Todesopfer, zahlreiche verletzte und traumatisierte Überlebende, Verlust des 400 Mio. Euro teuren Kreuzfahrtschiffes, Bergungskosten in Höhe von ca. 1,5 Mrd. Euro, Verschrottungskosten von 100 Mio. Euro und mehrere Millionen Euro für Gerichtskosten sowie Schadensersatz. Bis zum Abschluss des Strafverfahrens werden zudem noch unzählige negative Medienberichte das Image der Reederei belasten.

Das Beispiel zeigt: Fehler können gravierende Folgen nach sich ziehen. Doch der fatale Verlauf ist nicht dem Schicksal geschuldet, er ist das Resultat eines desaströsen Umgangs mit Fehlern.

Unfälle kommen vor. Damit jedoch selbst gravierende Unfälle nicht in die Katastrophe münden, wurden seit dem Untergang der Titanic eine Reihe von Sicherheitsmaßnahmen etabliert. Ein Kreuzfahrtschiff wie die Costa Concordia kann binnen 80 Minuten ordnungsgemäß evakuiert werden. Das heißt: Um 22:30 Uhr hätten die Rettungsmaßnahmen bereits eine Dreiviertelstunde laufen können. Um 22:30 Uhr hätte sich demnach bereits die Hälfte der Passagiere in den Rettungsbooten auf dem Weg zum sicheren Ufer befinden können.

Doch so lief es leider nicht! Vielmehr wurde der Unfall vertuscht, die Passagiere und die Küstenwache belogen, die Evakuierung verschleppt. Statt wie vorgesehen gegen 23:15 Uhr konnte die Bergung der letzten Personen erst im Lauf des Wochenendes abgeschlossen werden. Für einige Passagiere und Besatzungsmitglieder kam jede Hilfe zu spät. Sie mussten die Fehler, Versäumnisse und Unterlassungen der Verantwortlichen mit ihrem Leben bezahlen.

Was wir aus diesem Beispiel lernen können:

  1. Fehler können im Vorfeld erahnt und gemindert bzw. verhindert werden: Fehler lassen sich vermeiden!
  2. Kritische Fehler müssen nach ihrem Auftreten schnell erkannt und gebannt werden: Ein konstruktiver Umgang mit Fehlern reduziert den Schaden!

Irrtum Nr. 3: Schuldige müssen gesucht und bestraft werden

BEISPIEL:
Der Ärger und die Wut über das Unglück waren groß. Schnell wurde ein Schuldiger gesucht und schnell haben die Medien den Schuldigen des Schiffsunglücks präsentiert: Kapitän Francesco Schettino. Da kamen dann die Charakterfehler Schettinos gerade recht: seine Eitelkeit, seine heimliche Geliebte, seine Unfähigkeit, zu seinen Fehlern zu stehen und sie zu bewältigen. Über Schettino ergoss sich der Spott und Hohn der Öffentlichkeit, als er bekundete, er wäre schon bald nach Beginn der Evakuierung »in ein Rettungsboot gefallen«.
Die Weltöffentlichkeit hat bereits kurz nach dem Unglück das Urteil gefällt: »Schuldig!« Der Kapitän hat den falschen Kurs gefahren! Er hat sich aus der Verantwortung gestohlen! Er hat das ihm anvertraute Schiff und die Passagiere ihrem Schicksal überlassen!

Wenn mitten im Mediensturm Schuldige unter Hausarrest gesetzt bzw. verhaftet werden, atmet die breite Masse auf: Da geschieht Recht – da wird gehandelt – Strafe und Sühne! Doch das ist ein folgenschwerer Irrtum. In Wirklichkeit werden lediglich die Prinzipien der Medien bedient;...

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