Was ist Zufriedenheit?
Das, was ich nicht habe…
Nach einem Yoga-Kurs sitzen wir in Frauengespräche vertieft plaudernd noch etwas zusammen. Natürlich bleiben die Männer dabei nicht ungeschoren.
Während eine Frau klagt, wie schwierig es mit ihrem Mann zu Hause sei und dass sie am liebsten allein wäre, jammert ihre Nachbarin, dass sie das Alleinsein nicht mehr aushielte und sich so sehr einen Partner wünschte. Wir schlugen vor zu tauschen!
Der Antrieb nach dem Glück zu suchen, liegt in der zumindest latenten Unzufriedenheit, die wir in uns und an den Dingen um uns herum erkennen. Wir sind mit dem, was wir gerade haben, in der einen oder anderen Art unzufrieden, gerade so wie die beiden Frauen in ihrem Gespräch.
Diese Unzufriedenheit in unserem Inneren kann zwar durch materielle Güter gelindert werden, aber sie meldet sich bereits nach kurzer Zeit, und dann auch stärker, wieder zurück.
Womit genau sind wir eigentlich unzufrieden, was macht uns zu Suchenden?
Woher kommt diese Unzufriedenheit, in welcher Weise manifestiert sie sich und was können wir wirklich tun, um den Weg zur Zufriedenheit zu erreichen?
Das Gegensatzpaar Zufriedenheit und Unzufriedenheit sowie die interessante Verbindung mit dem persönlichen Selbstwertgefühl wird in diesem Kapitel näher betrachtet.
Wahre Zufriedenheit
Wer würde sich selbst schon als zufrieden bezeichnen?
Und was bedeutet es? Das Wort zufrieden besagt, dass es sich um etwas handelt, das zum Frieden hin führt, und Frieden wiederum bedeutet keinen Streit; also Ruhe und Stille.
Ist es das, was wir wollen und suchen?
Wir glauben, um uns gänzlich zufrieden fühlen zu können, müssten alle unsere Wünsche umfassend erfüllt sein. Wenn wir gefragt werden, ob wir mit unserem Leben zufrieden wären, fällt die Antwort meist nur bedingt positiv aus. Eigentlich schon, denn ich habe ja alles zum Leben, was viele nicht haben, oder: Ich sollte eigentlich glücklich und zufrieden sein, denn ich kann mir fast alles leisten. Es folgt aber meist ein schüchternes aber: Zu viel Arbeit, die Beziehung ist nicht so, wie man sie sich wünscht, die Umweltprobleme machen Sorgen, die Eltern werden älter und zunehmend hilfsbedürftig, mit den Kindern hat man seine Schwierigkeiten, die eigene Gesundheit lässt auch schon nach und die Politik stimmt schon gar nicht. Sicher könnten Sie dieser Liste noch eine ganze Reihe von persönlichen Einträgen hinzufügen.
Wann stimmt wirklich alles in unserem Leben?
Gibt es das überhaupt - Zufriedenheit?
Wenn sich jemand als zufrieden bezeichnet, wird er oft von seinen Mitmenschen belächelt und als naiv oder geistig etwas beschränkt angesehen. Schließlich, so ist die Meinung unserer Gesellschaft, muss doch jeder intelligente Mensch sehen, was in dieser Welt alles verkehrt und schlecht ist. Bei aller erdenklichen Anstrengung ist dieser Zustand des Nicht-Perfekten nicht auszurotten. Kritisieren und Nörgeln sind somit zwar in gewisser Weise normal, aber agieren ihrerseits als beeinträchtigende Quälgeister.
Stellen Sie sich vor: Sie wären in einem Paradies, wo es diese beschriebenen Probleme nicht mehr gibt. Glauben Sie, damit könnten Sie dann tatsächlich vollauf zufrieden sein?
Basiert die innere Zufriedenheit vielleicht auf anderen Dingen als der Erfüllung der Wünsche, die uns ein angenehmes und problemloses Leben verschaffen sollen? Die Lebensumstände können gut, ja sogar glücklich sein - wir tun ja auch viel dafür, um das Maximum an Glück zu erreichen -aber da meldet sich doch wiederholt ein inneres Gefühl, das trotz des erreichten äußeren Wohlstand sagt: etwas fehlt mir - ich bin nicht erfüllt!
Von was aber sollte man erfüllt sein - gibt es darauf eine Antwort?
Kann Ihnen der Intellekt die Antwort auf diese Frage zufriedenstellend geben, oder müssen Sie dazu Ihr Gefühl, das Herz fragen? Was suchen Sie - ist es etwas, das mit Wahrheit oder Echtheit zu tun hat? Sind es Lebenswerte, die Ihnen fehlen oder die Sie nicht erkennen?
Brauchen wir nicht die Zuversicht, dass es möglich ist, aus dieser Unzufriedenheit einmal ganz herauszukommen, um das tägliche Leben mit all seinen Hürden zu meistern? Brauchen wir nicht das Gefühl von Freude, Liebe und Glück, um das Leben zu bewältigen?
Glückliche Momente haben Sie wahrscheinlich alle bereits einmal kennengelernt - aber wie lange haben diese angedauert? Vieles ist bei genauer Betrachtung zweifelsfrei richtig und gut in unserem Leben - aber ist es gut genug, um uns restlos und dauerhaft zufrieden zu machen?
Eine bedeutende Form der Zufriedenheit stellt das Gefühl von Selbstwert dar, also dass man mit sich selbst zufrieden ist. Der Mangel an Selbstwert ist einer der größten Mängel für Menschen unserer Zeit. Aber auch hier gilt wieder die gleiche Problemanalyse wie bereits zuvor – ein Selbstwert, der auf Dingen von außen (beispielsweise Lob oder Anerkennung) aufbaut, ist nicht wirklich dauerhaft und tragfähig, da wir uns dieses immer wieder erarbeiten müssen.
In unserer Erziehung haben wir gelernt, dass wir uns für jede Zugehörigkeit zu einer sozialen Gemeinschaft dieser als würdig erweisen müssen. So stehen wir schon ab frühester Kindheit unter dem Druck, miteinander konkurrieren zu müssen, um auf Basis unserer Intelligenz, unserer Fähigkeiten und unserer Attraktivität von einer Gemeinschaft angenommen zu werden. Eine der frühesten Ängste ist nicht dazu zu gehören, einsam, verlassen oder ausgeschlossen zu sein. Es handelt sich um das Bestreben der sozialen Existenz, das uns treibt und ursächlich mit unserem Selbstwert verbunden ist.
Um einen stabilen und vor allem unabhängigen Selbstwert aufzubauen, ist eine innere Entwicklung, sind innere Werte nötig. Um diese geht es nicht nur im folgenden Kapitel, sondern auch im gesamten Buch.
Echte Zufriedenheit hat nur wenig mit äußeren Umständen zu tun. Es ist vielmehr ein aus vielen Komponenten zusammengesetzter geistigseelischer Zustand. Der Buddha gibt eine unkonventionelle aber logische Antwort darauf, wie das zu erreichen ist: Es geht nicht um die Befriedigung oder Erfüllung aller Wünsche, da sich diese immer weiter steigern und nie zu einer kompletten Erfüllung kommen. Vollkommene Zufriedenheit kann nur aus einer Umkehr der bisherigen Vorgangsweise entstehen – der Wunschlosigkeit. Das heißt, von dem ewigen Haben-Wollen und Festhalten einmal loszulassen und einen Schritt zurückzutreten.
Es hört sich einfach an, ist aber die schwerste Aufgabe im Leben.
Wir wollen viel; etwas besitzen und das festhalten, was uns gehört. Nicht selten kämpfen wir um materiellen und geistigen Besitz, um das Recht-Haben. Es ist das Festhalten, um besser dazustehen oder um Unannehmlichkeiten auszuweichen; schlichtweg um alles, was uns lieb und wert erscheint. Wir glauben auch irrigerweise, wenn wir all das festhalten, den Zustand der völligen Zufriedenheit erreichen zu können. Es ist nicht das Festhalten, es ist das Loslassen, das uns zufrieden macht.
Vielleicht haben wir Angst, ein Leben ohne ständige Wünsche könnte uninteressant sein. Es ist sicher ein Schwimmen gegen den allgemeinen Strom. Wer sagt uns schon, woher die innere Unzufriedenheit wirklich kommt? Der Buddha nennt drei Dinge die man nicht braucht: Habenwollen, Ablehnung und eine unklare Sicht auf unsere Erfahrung der Welt.
Detailliert betrachtet stellen wir fest, dass Habenwollen ein sehr unangenehmes Gefühl sein kann. Wir können nicht einfach in diesem Moment glücklich sein, nein, erst „wenn ich das bekomme“. Das zieht und schmerzt innerlich.
Ebenso schaden wir uns in erster Linie selbst mit dem Ablehnen und Zurückweisen von Menschen, Dingen und Situationen. Durch unseren Widerstand verfestigen wir unangenehme Situationen und Gefühle.
Vielleicht haben wir manchmal objektiv Recht, jemanden nicht zu mögen – aber wer erfährt dieses ablehnende Gefühl? Wir selbst, denn es ist in unserem Bewusstsein. Das heißt keinesfalls, dass wir Unrecht befürworten oder bei Schwierigkeiten wegschauen sollen. Wir können klar sehen, was los ist, ohne dass wir selbst in Ablehnung und negative Gefühle fallen. Das zu üben bringt wahre Stärke.
Wenn wir durch Loslassen einiger Wünsche und Vermeidung von Ablehnung mehr Platz in uns geschaffen haben, finden wir in uns vielleicht Gefühle wie Freiheit, Leichtigkeit und Glück – ganz ohne ersichtlichen Grund. Sie kommen wenn wir die anderen Ablenkungen verringern. Dann nehmen wir uns selbst ganz anders wahr, fühlen uns wertvoller und mehr mit allem verbunden.
Die verwirrten Zustände, Habenwollen, Ablehnung und unsere wahre Natur nicht zu sehen werden oft kurz mit Gier, Hass und Verblendung bezeichnet, also seien Sie nicht überrascht, wenn Sie auf diese Begriffe stoßen.
Dhammapada 27
Gib dich nicht der Nachlässigkeit hin
und vertraue nicht den Versprechen der Sinnengier.
Nur durch Meditation und Besinnung,
gewinnt man ein großes Glück.
Dhammapada 334
Beim Menschen, der genusssüchtig wandelt,
wächst der Durst gleich einer Schlingpflanze an;
So bewegt sich Jener von Dasein zu Dasein,
wie der Affe im Wald,
der ständig nach Früchten sucht.
Einsichtsübung: Meine Zufriedenheit
Setzen Sie sich dazu an einen ruhigen, angenehmen Platz und fokussieren Sie Ihre Achtsamkeit auf Ihr bevorzugtes Meditationsobjekt, bis sich Ihr Geist soweit gesetzt hat,...