1. Ein Abenteuer:
Ja zum Leben sagen
Eine junge Frau stürmt in ein Pariser Café und zieht den Blick eines Manns auf sich … ein reiches Mädchen und ein armer junger Mann kämpfen Seite an Seite gegen das Böse … ein Liebespaar flieht durch den Dschungel, bis die beiden vor einem Abgrund stehen ...
In Filmen bedeutet Romantik auch immer Abenteuer. Wir erleben die Spannung, die Gefahr, Entdeckung, Jagd und eine neue Liebe mit sich bringen. Alles ist aufregend, dramatisch und attraktiv. Doch Hollywood bringt Abenteuer selten mit Ehe in Verbindung. Wir auch nicht – wenn überhaupt, ist für uns eher das Gegenteil der Fall. Wir sagen: „Warum heiraten sie nicht, kommen zur Ruhe und lassen sich häuslich nieder?“
In Hollywood haben Abenteuer und ältere Menschen nichts miteinander zu tun, abgesehen von einer löblichen Ausnahme, nämlich Judi Dench, die in den beiden Best-Exotic-Marigold-Hotel-Filmen in Indien im reifen Alter ihre große Liebe findet.
Aber Abenteuer ist wichtig. Abenteuer ist deshalb wichtig, weil viele von uns in der Versuchung stehen, sich häuslich niederzulassen und dort sitzen zu bleiben. Die Marigold-Filme bringen eine Saite zum Klingen, weil sie Fragen ansprechen, die sich viele von uns stellen – zum Beispiel: Wer bin ich? Wer sind wir? Und was wollen wir mit der Zeit anfangen, die Gott uns schenkt? Entgeht uns vielleicht etwas Besonderes, womöglich sogar das entscheidende Etwas?
Wir mussten über die Schilderung einer Bekannten lächeln, die uns erzählte, was sie vor Kurzem gemeinsam mit ihrem Mann bei einem Besuch bei Freunden erlebt hatte:
Je älter wir werden, umso weniger können wir den Winter hier im Norden leiden. Eine Möglichkeit, dem trostlosen Wetter zu entfliehen, besteht darin, dass wir Freunde besuchen, die auf einer Insel vor der Küste Floridas wohnen. Seekühe, Pelikane, Palmen und warmes Salzwasser, das die Zehen umspült, sind wahrhaft Balsam für eine durchgefrorene Seele.
Das Allerbeste ist es aber, dass wir von lieben Freunden umgeben sind und uns richtig entspannen können.
Eines Abends setzten wir uns nach einer großartigen Mahlzeit vor den Fernseher und schauten Basketball. Wir alle, die beiden Labradorhunde eingeschlossen, waren erschöpft und machten es uns gemütlich. Ach, so schön kann das Leben sein!
Auf einmal merkte ich, dass ich blinzelte und schlaftrunken war. Ich war eingenickt – genauso wie die anderen auch. Im Fernsehen lief inzwischen eine Late-Night-Talkrunde. Einer der beiden Männer war auf dem Sofa eingeschlafen. Der andere schlief im Sitzen. Meine Freundin hatte sich eingekuschelt und war eingenickt. Beide Hunde hatten sich auf dem Boden ausgestreckt und schnarchten.
Mir gefiel, wie verletzlich wir in dieser Situation wirkten. Wann bekommen uns unsere Freunde schon einmal schlafend zu Gesicht? Ich war froh, dass mein Mann und ich nicht die Einzigen sind, die vor dem Fernseher einschlafen. Es war so gemütlich und geborgen ...
Neue Wege, neue Überraschungen
Gemütlich und geborgen ist natürlich wunderbar, aber wann ist der Punkt erreicht, an dem wir es uns zu gemütlich gemacht haben? Wann müssen wir von der Couch aufstehen und für Veränderung sorgen?
Der Schweizer Arzt und Psychiater Paul Tournier schreibt in seinem Buch Jeder Tag ist ein Abenteuer, dass wir nur dann Erfüllung finden, wenn wir unser Leben als Abenteuer verstehen. In erster Linie bezieht er das auf die Ehe in all ihren Phasen. Er schreibt, dass man die Ehe als Abenteuer behandeln müsse, um sie zu einem Erfolg zu machen – mit allen Reichtümern und Schwierigkeiten, die ein Abenteuer mit sich bringt, das man mit einem anderen Menschen teilt.
Es hängt von Ihrer Persönlichkeit ab, was genau „Abenteuer“ bedeutet. Für richtige Gewohnheitstiere könnte es bedeuten, einmal einen anderen Weg zum Supermarkt zu nehmen. Doch für Paare, die schon seit Langem verheiratet sind, liegt eine große Chance darin, etwas ganz Neues zu versuchen: neue Ideen, neue Gespräche, neue Menschen, die man kennenlernt. Veränderungen wecken das Gehirn auf und bahnen sogar den Neuronen neue Wege. Das tut unserer Ehe gut und auch unserer Gesundheit.
Doch welcher Weg ist der richtige? Denn „Neues“ ist nicht unbedingt mit „Neuheiten“ gleichzusetzen. Viele von uns kennen Paare, die im Herbst des Lebens nur noch dem Vergnügen hinterherjagen. Diesem Stress wollen sich die wenigsten von uns aussetzen. Doch andererseits wollen wir auch nicht immer in den alten Gleisen stecken bleiben. Hören Sie auf Paul Tournier: Er schreibt, dass wir unser ganzes Leben lang immer neue Abenteuer brauchen und wir ein gemeinsames Ziel entdecken, indem wir „auf Gott warten, dass er uns ein neues Abenteuer schenkt“.
Hier ist sein Rezept für eine gelingende Ehe: „Dieses Christus übergebene Leben ist auch deshalb ein ständiges Abenteuer, weil es ein Leben des Hinhorchens ist, des Hinhorchens auf Gott, auf seine Stimme, auf seine Engel. […] Es handelt sich darum, unaufhörlich in ihnen die Zeichen Gottes zu entdecken.“ Und weiter: „Es ist das schwierige und anspruchsvolle Abenteuer des Glaubens, voller Leidenschaft und Poesie, voll von Entdeckungen, neuen Auftrieben und Überraschungen. […] Ja zu sagen zu Gott heißt Ja zu sagen zum Leben. […] Auch jede Ehe kann wieder zu einem Abenteuer werden, selbst wenn sie nur noch Formsache, Gewohnheit war und Langeweile und Herzenskälte in ihr vorherrschten.“2
Weniger Platz, mehr Freiraum
Wenn die Kinder aus dem Haus sind, überlegen sich die Eltern oft, ob sie das große Haus am Stadtrand aufgeben und aufs Land oder in eine Wohnung in der Innenstadt ziehen sollen, wo alles zu Fuß erreichbar ist. Im Internet finden wir endlose Listen mit den besten Wohnorten fürs Rentenalter und wir fragen uns, wie es uns denn beispielsweise irgendwo auf dem Land ergehen würde. Aber Paul und Becky dachten nicht nur darüber nach.
Vor einiger Zeit zogen die beiden aus einem Vorort weit weg vom Zentrum in eine Stadtwohnung mit einem atemberaubenden Blick aufs Wasser. Paul braucht nun nur noch zwölf Minuten mit dem Bus zu seinem Arbeitsplatz in der City statt der bisherigen zwei Stunden mit dem Auto. Morgens erleben sie den Sonnenaufgang in ihrem Schlafzimmer und sehen, wie sich die Sonnenstrahlen glitzernd auf dem Wasser spiegeln (allerdings wird es ohne Vorhänge fast fünfzig Grad heiß, wie Paul erklärt). Überall gehen sie zu Fuß hin, reden tatsächlich mit ihren neuen Nachbarn in der Stadt und haben eine Gemeinde mit vielen jungen Leuten gefunden. Alles in allem empfinden sie ihr Leben nun als viel entspannter.
Für Becky und Paul war der Umzug in die Stadt fast so wie nach Hause zu kommen. Als frisch verheiratetes Paar hatten sie in der Stadt gewohnt und sich später geschworen, eines Tages auch wieder dorthin zurückzukehren.
Doch zunächst wollten sie ihre Kinder am Stadtrand großziehen. „Paul opferte sein Leben für seine Familie“, erzählt Becky. „Wenn ich mal in die Stadt fuhr, fragte ich mich immer: ‚Wie schafft er das eigentlich?‘“
„Ich war immer erschöpft“, sagt Paul. „Ich war von der Frage nach dem Schlaf förmlich besessen. Andauernd fragte ich mich: ‚Wenn ich um soundso viel Uhr zu Bett gehe, wie viel Schlaf bekomme ich dann?‘ Becky und ich lebten aneinander vorbei. Mir ging der Gedanke durch den Kopf: ‚Wenn wir mit fünfzig schon so weit voneinander entfernt sind, wie wird das erst mit siebzig aussehen?‘“
Als die Kinder erwachsen waren und Paul befördert wurde, schien der richtige Zeitpunkt für einen Umzug gekommen zu sein. Als ihre älteste Tochter zu Besuch war, blickte sie ihren Vater an und stellte fest: „Wenn das so weitergeht, bist du bald tot. Ich will aber, dass meine Kinder Großeltern haben.“ Und sie „befahl“ Paul und Betty, in die Stadt zu ziehen.
Jetzt war Betty an der Reihe, ein Opfer zu bringen. „Ihr fiel es sehr schwer, ihr bisheriges Leben aufzugeben“, erzählt Paul. „Aber es war notwendig, eben damit wir wieder dieses gemeinsame Leben führen konnten.“
„Und zu diesem neuen Lebensabschnitt gehört auch, dass wir besser darüber Bescheid wissen, was den anderen gerade beschäftigt“, ergänzt Becky.
„Wir arbeiten zusammen“
Auch Kevin und Karen sind abenteuerlustig; allerdings entsprechen sie nicht unbedingt dem typischen Bild, das man sich von Abenteurern macht. Beide arbeiten als Hauptamtliche in ihrer Ortsgemeinde mit. Exotische Urlaube sind nicht ihre Sache (wenn man einmal davon absieht, dass Kevin vor einigen Jahren eine Partnergemeinde in Nigeria besuchte). Schon lange wohnen sie in ein und demselben Haus. Doch Kevin und Karen stillen ihre Abenteuerlust und ihre Sehnsucht nach neuen Erfahrungen, indem sie ein gemeinsames Ziel verfolgen.
Als ihre beiden Kinder noch klein waren, machten sie eine Entdeckung, die ihre Ehe veränderte. Karen und Kevin leiteten damals eine kirchliche...