Dieses Kapitel dient der Einführung in die Materie der Filmfinanzierung. Es behandelt die aktuell üblichen, also traditionellen, Methoden der Filmfinanzierung und soll so ein für das Folgekapitel notwendiges Basiswissen vermitteln. Hierfür werden unter anderem Aspekte aufgezeigt, die einerseits förderlich, andererseits aber auch hinderlich für eine Filmproduktion sein können.
Es ist nicht nur für Filmproduktionen ratsam auf eine ausgewogene Mischung verschiedener Finanzierungsformen, das sogenannte "Multi Sources Independent Financing"[4], zu achten. Je diversifizierter die Geldquellen sind, desto besser. Ein Projekt etwa nur durch staatliche Förderungen finanzieren zu wollen ist aufgrund der immer größer werdenden Auswahl neuer Finanzierungsmöglichkeiten nicht ratsam.[5] Als FilmproduzentIn befindet man sich in einem ständigen Konkurrenzkampf um Geldmittel die zuallererst bei traditionellen Anlaufstellen wie Förderungen und Fernsehsendern gesucht werden.
Abbildung 1: Die Finanzierungsstruktur deutscher Kinofilme
(Quelle: Wendling 2012: 39)
Der Konkurrenzkampf um Fördermittel nimmt stetig zu. Einer der Gründe dafür ist, dass die Eintrittsbarrieren in die Filmproduktion, insbesondere in die digitale, durch neue, günstigere Technik, besseren Arbeitsablauf und die gezielte Ausbildung im Bereich neuer Medien, stark reduziert wurden. Die technische und inhaltliche Qualität von Independent-Filmproduktionen steht jener konventioneller Produktionen oft in nichts mehr nach.[6]
Auch der ORF-Fernsehfilm ist sich bewusst, dass es
"[...] eine sehr dynamische Produzentenszene gibt und derzeit eine Art Generationswechsel stattfindet: Der Markt wird nicht mehr nur von einigen wenigen Filmproduzenten beherrscht wie in den 1990er Jahren, sondern es gibt eine Vielzahl von kleineren Produktionsfirmen, die auf ihre Chance hoffen und sie auch nützen."[7]
Eine universal geltende Zahl kann hier nicht genannt werden da verschiedenste Faktoren auf die Kosten einer Kinofilmproduktion Einfluss nehmen. Das Produktionsland und dessen Filmförderungen, der technische und inhaltliche Umfang sowie der angestrebte Verwertungsmarkt bestimmen die Höhe der Herstellungskosten maßgeblich. Deutsche Kinoproduktionen die auf den nationalen Markt abzielen haben ein Durchschnittsbudget von ca. vier bis fünf Millionen Euro.[8] In Frankreich ist diese Zahl mit 22 Millionen Euro knapp sechs Mal höher. Gründe für dieses hohe Budget sind unter anderem eine starke nationale Filmförderung, gesetzlich vorgeschriebene Quoten für nationale Filme in den Kinos und ein erschlossener Weltmarkt. Europäische Kinoproduktionen, die in internationaler und europäischer Koproduktion entstehen haben durchschnittliche Herstellungskosten von etwa 17 Millionen Euro. Hollywoodfilme bzw. international zu verwertende Filme aus den Vereinigten Staaten von Amerika beginnen bei einem Produktionsbudget von 30 Millionen Euro. Blockbuster[9] wie Filme des Produzenten Jerry Bruckheimer (Fluch der Karibik Reihe) erreichen sogar ein Budget von bis zu 250 Millionen Euro.[10]
Solche Blockbuster haben in Deutschland einen Marktanteil von über 65 Prozent während deutsche Eigen- und Koproduktionen mit 15 Prozent eine Minderheit darstellen.[11] 90 Prozent aller europäischen Filmproduktionen bewegen sich in einem Budgetrahmen zwischen 30.000,- und 3 Millionen Euro. Produktionen mit einem Budget von unter 1,5 Millionen Euro werden vom europäischen M.E.D.I.A.-Programm als Low-Budget- bzw. Independent-Filme mit Gewinnabsicht eingestuft.[12]
Für ProduzentInnen ist es in der Vor-Produktionsphase besonders wichtig einen Überblick über Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten sowie deren Richtlinien zu haben. Nur so kann gewährleistet werden, dass das Vorhaben den Finanzierungsvoraussetzungen auch gerecht wird.[13]
Es gibt zahlreiche Finanzierungsquellen die in Anspruch genommen werden können. Hierbei unterscheidet man zwischen formellem und informellem Kapital. Formelles Kapital wird durch institutionelle GeldgeberInnen wie den Staat, Banken, Versicherungen oder Fonds im Rahmen streng geregelter Gesetze und standardisierter Prozeduren vergeben. Informelles Kapital hingegen kommt meist nicht von institutionellen GeldgeberInnen sondern von einem breiten Personenkreis wie von Familienmitgliedern, FreundInnen, Fans etc. Informell bedeutet allerdings nicht unbedingt, dass keine vertraglichen Vereinbarungen getroffen werden. Der Organisationsgrad und die Regelungsdichte sind jedoch weitaus geringer als bei formellem Kapital. Dabei eignet sich informelles Kapital, auch "love money" genannt, besonders gut um möglichst schnell kleinere Finanzbedarfsvolumina zu decken.[14]
"Es verbleiben nicht nur in Mitteleuropa oft nur die informellen Geldgeber (vor allem Familie und Freunde) und - gewissermaßen als 'letzter Hafen' - die staatliche Förderung. Dieses Fehlen von Frühphasenfinanzierern wird weltweit als 'Early-Stage-Gap' (Frühpasen-Finanzierungslücke) bezeichnet."[15]
In dieser frühen Phase des Filmprojekts muss man seine Idee durch ein Treatment bzw. eine Informationsmappe möglichst gut verkaufen können und Verhandlungsgeschickt bei Förderanstalten oder der Akquise von SponsorInnen zeigen.[16]
Bei der Suche nach Förderungen und anderen GeldgeberInnen ist finanzielle Transparenz, also eine Kalkulation die den geplanten Bedarf monetärer Mittel klar und nachvollziehbar darstellt sowie ein Cashflow-Plan zur Liquiditätsermittlung, unerlässlich. Grundsätzlich kann in jeder Phase der Vorproduktion eine Teilkalkulation aufgestellt werden, wobei erst der Drehplan eine aussagekräftige Berechnung der Kosten ermöglicht. Der Drehplan vereint alle für die Kalkulation relevanten Positionen aus dramaturgischer, zeitlicher, räumlicher und ökonomischer Sicht. Bestes Beispiel ist die Anzahl der Drehtage. Sie ist für die Kalkulation essentiell. Jeder Tag kostet schließlich Geld und wird durch den Drehplan determiniert.[17]
Das Österreichische Filminstitut stellt auf seiner Homepage[18] unter anderem eine Kalkulationshilfe zur Verfügung. Die Kostenzusammenstellung einer Filmkalkulation besteht aus folgenden Bereichen:
Vorkosten
Nutzungsrechte
Gagen, Löhne und Honorare
Atelier, Bau und Außenaufnahmen
Technik und Ausstattung
Reise- und Transportkosten
Bild-/Tonmaterial und Bearbeitung
Endfertigung
Versicherungen
Allgemeine Kosten
Kostenmindernde Erträge (werden subtrahiert)[19]
Nachdem so die Fertigungskosten errechnet wurden, bestimmt man die Herstellungskosten durch Addition der Gemeinkosten, Fertigstellungsversicherung, Finanzierungskosten und Überschreitungsreserven. ProduzentInnen kalkulieren üblicherweise 7,5 Prozent der Fertigungskosten für die Gemeinkosten und einen Zuschlag von 2,5 Prozent der Herstellungskosten als von den Filmförderungen gewährte ProduzentInnenvergütung. Im Falle einer unzureichend gewinnbringenden Auswertung des Films wird die Arbeit der Produzentin bzw. des Produzenten zumindest mit dieser Vergütung honoriert.[20]
Der Cashflow-Plan gibt einen Überblick über den Liquiditätsbedarf der während der Produktion auftritt, ist also zeitlich aufgeteilt und berücksichtigt auch Zahlungseingänge durch Förderungen, KoproduzentInnen, den Vertrieb und Verleih sowie die Eigenfinanzierung. Da er nicht nur die Ausgaben sondern auch die Einnahmen aufzeigt wird er bei der Vergabe von Bankkrediten zur Bestimmung der Liquidität herangezogen. Dabei wird auf ein dynamisches Gleichgewicht von Zahlungseingängen und –ausgängen geachtet.[21]
"Diese Informationsquellen gepaart mit den produktionseigenen Informationen aus dem eigentlichen Produktionsprozess ermöglichen eine effiziente Steuerung innerhalb des schnellen Herstellungszeitraums des Films."[22]
Tabelle 1: Der Cashflow-Plan
(Quelle: Clevé/Schmidt-Matthiesen 2010: 125)
Nachdem der Finanzierungsbedarf durch die...