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Lust auf Land

Biblische Seiten des Landlebens

VerlagVerlag Katholisches Bibelwerk
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl112 Seiten
ISBN9783460510135
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Die Beiträge in diesem Buch konfrontieren die 'Landsehnsucht' mit Texten der Bibel. Dabei reicht die Spannweite von Vorstellungen des verheißenen Landes bis zu neutestamentlichen Gleichnissen. Zwei Grundsatzartikel beleuchten die biblische Perspektive sowie soziologische Aspekte des Landlust-Trends. Die Beiträge laden zur persönlichen Lektüre ein, die Bibelarbeiten im Anhang erschließen das Thema für die Arbeit in Gruppen.

Dr. Sophie Thöne, geb. 1979, ist ausgebildete Grundschullehrerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Kassel. Sie promovierte zu 'Raum und Geschlecht im Hohelied'. Schwerpunkte u.a.: Liebe und Sexualität, Tierethik, Narratologie.

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Leseprobe

ZUM THEMA


Land-Lust oder Frust?


Zur Bedeutung des Landes in der Bibel


Bettina Eltrop


Sich mit dem Thema „Land“ in biblischen Texten zu beschäftigen ist kein harmloses Unterfangen. Mag das Thema in Deutschland zur Zeit mit einem romantischen „Zurück zur Natur“, mit Gartenträumen und einer gewissen Flucht aus der technisierten, unüberschaubaren Alltagswelt zusammenhängen – für das „Heilige Land“ (im engeren Sinn Israel/Palästina) klingen ganz andere Dinge mit: eng gesetzte Grenzen, mangelnder bis knapper Lebensraum, unsichere oder unrechtmäßige Besitzverhältnisse, gute bis sehr schwierige Bedingungen für die Landwirtschaft.

Das „Land“ gehört zu den ganz großes Themen der Bibel. Das erkennt man schon daran, dass das Thema am Anfang der Bibel breit aufgerollt wird: Es nimmt viel Raum im Buch Genesis ein und wird vor allem in den mythologischen Texten Gen 1–11 facettenreich entfaltet. Ab Gen 12 bis zum Buch Josua geht es im engeren Sinne um den Lebensraum des Gottesvolkes inmitten der anderen Völker: Verheißung des Landes, Landlosigkeit und immer wieder Neuaufbrüche. Über die Bücher der Geschichte und die Propheten zieht sich der Erzählfaden über das Neue Testament bis hin zum Buch der Offenbarung, in dessen letzten Kapiteln es schließlich darum geht, wie es sein wird, wenn die Verteilung und Nutzung des Landes keinen Streit und keine Wunden mehr entfacht, sondern es wirklich nur zum Leben und Heil für alle Menschen dient.

In der hebräischen Sprache gibt es zwei Wörter für „Land“: Der Erdboden, das kultivierbare Ackerland im Gegensatz zur lebensfeindlichen Steppe oder Wüste heißt adamah. Das Land als Festland gegenüber dem Meer und den Flüssen und als Gebiet in seinen geo-politischen Grenzen wird als eretz bezeichnet, wobei es in den biblischen Texten in der Wahl der Begrifflichkeiten auch immer wieder zu Überschneidungen und Unschärfen kommt. Aber mit den verschiedenen Aspekten beider Begriffe lassen sich die „Land“-Texte der Bibel schon einmal ganz grob einteilen:

Beim Thema „Land“ geht es ganz grundsätzlich um geschenkten Lebensraum und Lebensgrundlagen von Menschen und Tieren: um Erd-Land als Grundlage für die Möglichkeit, überhaupt zu (über-)leben, von den geschenkten Früchten des Landes zu essen, sie zu genießen und sich an den Wundern der Schöpfung zu freuen.

Sozial und wirtschaftlich ist das „Land“ ein möglicher Lebensund Wirtschaftsraum für Menschen(gruppen) im Gegensatz zu lebensfeindlichen Gebieten wie Meer, Wüste und Steppe – ab der Eisenzeit (ab 1200 v. Chr.) auch im Gegenüber zu den sich bildenden Städten.

„Land“ thematisiert auch ein bestimmtes Gebiet in seiner geographischen Gestalt und unter bestimmten geschichtlichen und geopolitischen Bedingungen.

Wichtig ist, stets im Hinterkopf zu haben, dass viele der biblischen Texte, die im Folgenden genannt werden, in einer Situation geschrieben oder in ihre Endgestalt gebracht wurden, in der das Volk Israel selbst kein Land hatte. Das Land war durch Kriege gegen die Großmächte Assur (8. Jh. v. Chr.), Babylon (6. Jh. v. Chr.) oder auch gegen Rom (1.–2. Jh. n. Chr.) verloren. Jedes Mal wurde auch ein Großteil der Bevölkerung und Eliten außer Landes gebracht. Texte über das Land entstehen in einer Situation, in der das Volk also selbst eigentlich „landlos“ ist. Vielleicht ist das Land auch gerade deswegen Thema, weil im Exil, also „außer Landes“, die Sehnsucht nach der Heimat am größten ist?

Im Grundsatz: Land-Lust, Fülle, Geborgenheit (Gen 1–2)


Gleich die ersten Sätze der Bibel eröffnen das Thema mit einem großen Bekenntnis: Gott ist der Schöpfer von Himmel und Erde (eretz), die ohne Gott nur Tohuwabohu, Chaos wäre (Gen 1,1–2a). Gottes Geist und Gottes Schöpfungswort jedoch verwandeln das Land zu einem wohlgeordneten Lebenshaus, in dem Pflanzen, Tiere und Menschen Platz haben (Gen 1,1–2,3). Die Pflanzen dienen Menschen und Tieren zur Nahrung, alles ist in Harmonie. Jeder Mann und jede Frau trägt Verantwortung für Gottes gute Schöpfung (Gen 1,28) – was sonst im Alten Orient nur den Königen zukommt.

Im zweiten Schöpfungstext (Gen 2,4–25) wird das Land ähnlich wie in Gen 1 als von Gott geschaffener und geordneter Lebensraum beschrieben: Der aus dem Erdboden (adamah) geformte Erdling/Mensch (adam) wird von Gott in den Garten Eden, den „Garten der Wonne“, gesetzt. Das hebräische Wort gan bezeichnet ein durch einen Wall oder Zaun umfriedetes Stück Land, das Geborgenheit und Sicherheit bietet und kultivierbar ist (siehe dazu auch den Beitrag von Eleonore Reuter auf Seite 37). Der besondere Charakter dieses Lebensraumes in Gen 2 ist, dass es sich um einen Baumgarten handelt (Gen 2,9), den Gott für den Erdling angelegt hat. Er übergibt ihn dem Menschen, damit er ihn weiter hege und pflege (Gen 2,15). Auch dies kann als implizite Anspielung auf die Privilegien der Könige der Alten Welt gelesen werden: Baumgärten waren Luxusgärten, in der Regel bei Königspalästen oder an Tempeln angelegt, um in der Hitze des Tages Schatten und Erholung und zu bieten – und im Laufe des Jahres immer wieder herrliche Früchte. In Gen 2 ist dieser königlich-göttliche Baumgarten der Lebensraum für „den“ = alle Menschen.

So werden in den ersten beiden Kapiteln der Bibel im mythologischen Gewand überzeitliche Menschheits-Träume in Sprache gefasst: Alle Menschen leben in und von der Erde; alle Menschen sind wie Könige für sie verantwortlich und dürfen die Früchte der Erde, die einfach für sie da sind, genießen. Sie erleben in ihrem Lebensraum Fülle, Geborgenheit und Gottes fürsorgliches Handeln.

Die Härte des Landes und seine Bedrohung (Gen 3–11)


Doch dabei bleiben die Schreiberinnen und Schreiber der biblischen Texte nicht stehen. Die andere Seite des Landes, die mühsame Arbeit, die das Kultivieren eines Ackerbodens bedeutet, um sich davon ernähren zu können, wird ebenfalls benannt: Nur unter großer Mühsal und Arbeit kann die Erde urbar gemacht und von ihr das nötige Brot gewonnen werden, das der Mensch zum Leben braucht (3,17–19). Dies spiegelt die Realität, dass das Land für Menschen nicht nur ein Garten der Wonne ist (3,23f.), sondern auch schwerste Arbeit bedeutet – ohne Garantie, dass am Ende die Erde Ertrag bietet (4,12).

Vor allem aber brechen die folgenden Kapitel der Genesis bewusst mit der Illusion, mit dem von Gott gut eingerichteten Lebenshaus sei einfach auch alles andere gut. So wird ab Gen 4 das Land, die Grundlage des Lebens, bedroht von Gewalttaten der Menschen. Das erzählt die Geschichte des Brudermordes Kains an Abel: Menschen tränken durch Gewalttaten und Mord an ihren Menschengeschwistern auch das Land mit Blut, das sich daraufhin weigert, Früchte zu tragen (4,10–12). Doch die menschliche Gewalt auf der Erde steigt trotzdem immer weiter, bis das in der Sintfluterzählung in Gen 6–9 zum Untergang fast aller Lebewesen und auch des Landes führt. Alles wird von chaotischen Wassermassen bedeckt – ein Bild fast wie bei der Urflut in Gen 1,2.

Aber nicht nur mörderisches, unsolidarisches Handeln bedroht die Erde, auch ganze Imperien (Gen 11) haben andere Pläne mit ihr: Die Gaben der Erde und die Arbeit der Menschen werden für Großbauprojekte in Städten verwendet. Sie dienen nicht mehr allen Menschen im Lebenshaus Gottes, sondern dazu, dass einzelne Herrscher sich einen Namen machen.

Die ersten Texte der Bibel in Gen 1–11 erzählen zusammenfassend zweierlei:

1.Die Erde/das Land ist Gottes gute Schöpfung – mit allem, was auf ihr lebt.

2.Auf ihr gibt es trotzdem Feindschaft und Gewalt, Mühsal und Tod.

Dabei ist die Reihenfolge des Erzählten wichtig: Zuallererst wird positiv über das Land/die Erde erzählt. Aber Unstimmigkeiten in der Frage, wie die Menschen der Gabe des Landes aus Gottes Hand gerecht werden, werden ebenfalls benannt. So ist Gen 1–11 der Versuch, an der von Gott gut gestalteten Schöpfung grundlegend fest zu halten, das Negative aber nicht auszublenden, sondern als Folge von schuldhaftem Verhalten und Eigenverantwortlichkeit der Menschen zu beschreiben. Und beide Themen ziehen sich von hier aus wie Variationen in Dur- und Molltönen weiter durch die gesamte Bibel.

Das Land: Gabe Gottes – oder verspieltes Geschenk?


Ab Gen 12 beginnen die Gründungserzählungen des Volkes Israel, in dem das Thema Land nun im Sinne von Territorium ebenfalls eine...

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