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E-Book

Machtfaktor auch ohne Machtbasis?

Die Sudetendeutsche Landsmannschaft und die CSU

AutorGerhard Hopp
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl379 Seiten
ISBN9783531923932
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis49,44 EUR
Der Verfasser dieser Zeilen hatte bei der Erstellung der vorliegenden Untersuchung das Glück, sich mit mehreren seiner bevorzugten Interessengebiete intensiv auseinandersetzen zu können: Von den bayerisch-böhmischen Beziehungen in historischer Perspektive über die deutsche Verbände- und Parteienlandschaft bis hin zur CSU als spezielles Forschun- objekt reicht die Spannbreite dieser Studie, die einen innen- wie außenpolitischen Bezug aufweist. Der Ausgangspunkt und Ursprung, welcher schließlich zu vorliegender D- sertation führte, liegt einige Jahre zurück und lässt sich auf eine einfache Fragestellung reduzieren, die dem Autor bereits während des Studiums ins Auge sprang: Wieso ist das Verhältnis zwischen Deutschland und speziell Bayern sowie dem tschechischen Nachb- land immer wieder Belastungen ausgesetzt, obwohl die Vorgaben eigentlich jeweils etwas anderes erwarten lassen? Die Beantwortung dieser Frage, die eher einem außenpolitischen Blickwinkel des bilateralen Verhältnisses zweier Staaten entsprang, führte im Folgenden zu einem innenpolitischen Fokus und der Beziehung zwischen Vertriebenenverbänden und Unionsparteien. Während die Frage nach den atmosphärischen Störungen vor allem zwischen Bayern und Tschechien mit historisch bedingten Problemlagen und der speziellen Beziehung zwischen Vertriebenen und Unionsparteien bzw. konkret der Sudetendeutschen Landsmannschaft auf die Tschechienpolitik der CSU recht schnell beantwortet werden konnte, warf eben dies aber neue, komplexere Fragestellungen auf.

Dr. Gerhard Hopp ist Politikwissenschaftler an der Universität Regensburg.

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Leseprobe
7 Das Policy-Netz zwischen CSU und Sudetendeutscher Landsmannschaft (S. 137-138)

Nach dem diachronen Überblick rückt im folgenden Abschnitt das konkrete Netzwerk zwischen CSU und Sudetendeutscher Landsmannschaft in den Fokus.469 Auf der Grundlage einer dimensionalen Unterteilung sollen die Eigenschaften und Charakteristika des Policy- Netzwerks, anhand dessen die Koalition zwischen CSU und SL darstell- und messbar gemacht werden kann, erarbeitet werden. Die Einzeldimensionen Akteure, Funktion, Struktur und Institutionalisierung, Verfahrensregeln, Machtverteilung und Machtbeziehungen sowie Strategien sollen hierbei als Werkzeuge der „Analytical Toolbox“470 der Netzwerkanalyse nach Möglichkeit zur Anwendung kommen.

Zur übersichtlichen Gestaltung der Analyse wird zunächst auf die Akteure selbst eingegangen, um im Anschluss die Struktur und Institutionalisierung der Verbindung zwischen den Akteuren als „Herzstück“ der Netzwerkanalyse erarbeiten zu können. Da die weiteren Dimensionen Funktion, Strategien, Verfahrensregeln sowie Machtverteilung große Überschneidungen aufweisen und eine separate Untersuchung viele Dopplungen mit sich bringen würde, werden sie im dritten Abschnitt der Netzwerkanalyse ergänzend im Zusammenhang beleuchtet.

Zudem sollen anhand eines auf den gesamten Untersuchungszeitraum erweiterten Blickwinkels die Ungenauigkeiten und Verfälschungen, welche bei punktuellen Erhebungen auftreten können, vermieden und eine Betrachtung der Entwicklung des Netzwerkes ermöglicht werden. Daraus ergibt sich im Hinblick auf die übergreifende Forschungsfrage der vorliegenden Studie folgender Fragenkomplex: Welche Eigenschaften können dem Netzwerk zugeschrieben werden? Entsprechen die einzelnen Charakteristika und das Gesamtbild der Eigenschaften einem klientelistischen Netzwerk? Haben sich die Eigenschaften des Netzwerkes in den einzelnen Dimensionen sowie das Netzwerk als Ganzes im Zeitverlauf verändert, und wenn ja, wie?

7.1 Die Dimension Akteure


Mit CSU und Sudetendeutscher Landsmannschaft lässt sich die Akteursanzahl im Policy- Netzwerk auf zwei übergeordnete korporative Akteure eingrenzen, die sich in nächsten Schritten nochmals in weitere Subakteure unterteilen lassen. Neben der reinen Anzahl der an den Interaktionen Beteiligten ist jedoch die Analyse ihrer Eigenschaften von besonderem Interesse. Um ein möglichst vollständiges Bild des jeweiligen Akteurtyps zu erarbeiten, sollen sowohl die CSU als auch die Sudetendeutsche Landsmannschaft jeweils hinsichtlich ihrer Interessenlage, Struktur und Ressourcen untersucht werden, um den Handlungskorridor, innerhalb dessen sich beide Akteure bewegen, abzustecken.

Die Schwerpunkte der Analyse werden dabei unterschiedlich gesetzt: Während bei der CSU die verschiedenen Handlungs- und Machtzentren im Politikfeld der deutsch-tschech(oslowak)ischen Beziehungen als Ansatzpunkte für die Einflussnahme der Sudetendeutschen Landsmannschaft im Vordergrund stehen, richtet sich der Fokus bei der SL stärker auf deren Fähigkeiten und Ressourcen zur Einflussnahme auf die Parteienlandschaft im Politikfeld.

7.1.1 Die Christlich-Soziale Union

Die CSU nimmt im deutschen Parteiensystem in mehrerer Hinsicht eine Sonderrolle ein, da sie zwar eine autonome Landespartei ist, die ausschließlich in Bayern zu Wahlen auf allen Ebenen antritt und sich über Jahrzehnte aufgrund ihrer langjährigen absoluten Mehrheit bis 2008 im Bayerischen Landtag den Status einer „Staats- und Hegemonialpartei“ erarbeitet hat.471 In Verbindung mit der CDU, mit der sie 1947 eine Arbeits- und 1949 eine Fraktionsgemeinschaft im Deutschen Bundestag einging, tritt die CSU aber zusätzlich als bundespolitische Kraft auf.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis6
Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen10
Abkürzungsverzeichnis14
Vorwort15
1 Zur Persistenz von Netzwerken zwischen Parteien und Verbänden17
1.1 Problemstellung: Der sudetendeutsche Einfluss auf die Tschechienpolitik der CSU17
1.2 Forschungsstand und Quellenlage20
1.3 Methodisches Vorgehen und Forschungsdesign24
1.4 Einschränkungen und Wertungen28
2 Sozialstrukturelle Theorien29
2.1 Grundaussagen des Theoriestranges zu Parteien-Verbände-Beziehungen29
2.1.1 Cleavage-Theorie29
2.1.2 Milieu-Theorie nach Lepsius31
2.1.3 Zusammenfassung und Schlussfolgerung für die Fragestellung33
2.2 Weiterentwicklung und Abstrahierung in der deutschen Forschungslandschaft35
2.2.1 Enthistorisierung und Abstrahierung: Politisierte Sozialstruktur nach Pappi35
2.2.2 Zweiteiligkeit des Ansatzes: Struktur- und Akteursebene37
2.2.3 Stabilisierungs- und Destabilisierungsmechanismen von Koalitionen40
2.3 Koalitionskontinuität trotz Veräderung der sozialen Basis44
3 Methode der Politischen Netzwerkanalyse47
3.1 Grundaussagen und Anwendungsmöglichkeiten47
3.1.1 Die Netzwerkanalyse im Forschungsfeld der Politikfeldanalyse47
3.1.2 Modelle der Netzwerkanalyse50
3.1.3 Stabilisierungs- und Destabilisierungsmechanismen von Netzwerken55
3.2 Typen politischer Netzwerke58
3.2.1 Dimensionen politischer Netzwerke als Werkzeugkasten zur Analyse58
3.2.2 Vorauswahlverfahren von geeigneten Typen zur Persistenz von Netzwerken64
3.2.3 Klientelismus als Policy-Netzwerktyp69
3.3 Netzwerkpersistenz trotz abnehmender Bedeutung der sozialen Gruppe74
4 Synthese beider Theoriestränge77
4.1 Gemeinsamkeiten und Ansatzpunkte77
4.2 Analyserahmen und Untersuchungsgegenstand78
4.3 Vier-Phasen-Modell zur Entwicklung des Klientelismus-Netzwerkes79
4.4 zentrale These und Variablenset84
5 Entwicklung der sozialen Gruppe der Sudetendeutschen87
5.1 Variablenset zur Einordnung der abnehmenden Bedeutung einer sozialen Gruppe87
5.2 Quantitative Dimension: Die zahlenmäßige Entwicklung der Sudetendeutschen89
5.3 Qualitative Dimension: Integration der Sudetendeutschen93
5.4 Zwischenfazit108
6 Entwicklungslinien der Interessenkoalition zwischen CSU und Sudetendeutscher Landsmannschaft110
6.1 Die Vertriebenenverbände als umworbene Akteure in der Nachkriegszeit110
6.2 Die Neue Ostpolitik als „Motor“ der christsozial-sudetendeutschen Annäherung118
6.3 Persistenz des Netzwerkes im Kontext von Wiedervereinigung und EU-Osterweiterung126
6.4 Zwischenfazit133
7 Das Policy-Netz zwischen CSU und Sudetendeutscher Landsmannschaft136
7.1 Die Dimension Akteure136
7.1.1 Die Christlich-Soziale Union137
7.1.2 Die Sudetendeutsche Landsmannschaft147
7.2 Die Dimension Struktur und personelle Verflechtung155
7.2.1 Vertriebene in den parlamentarischen Arenen der CSU157
7.2.1.1. Die Landesebene: CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag572157
7.2.1.2 Die Bundesebene: CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag165
7.2.1.3 Die europäische Ebene: CSU-Europagruppe180
7.2.2 Vertriebene und Sudetendeutsche in der Parteiorganisation der CSU182
7.2.2.1 CSU-Landesvorstand und CSU-Parteivorstand182
7.2.2.2 Geschäftsführender CSU-Landesvorstand und CSU-Parteipräsidium185
7.2.2.3 Union der Vertriebenen UdV186
7.2.2.4 CSU-Parteivorsitzende und Bayerische Ministerpräsidenten188
7.2.3 CSU-Funktionäre in den Vertriebenenverbänden192
7.3 Weitere Dimensionen: Funktion, Strategien, Verhaltensregeln und Machtverteilung196
7.4 Zwischenfazit201
8 Der Prager Vertrag im Kontext der Ostverträge205
8.1 Der Problemfall der „Nichtigkeit des Münchner Abkommens“ und der Prager Vertrag205
8.1.1 Historischer Kontext: Der Prager Vertrag als Bestandteil der Ostpolitik205
8.1.2 Strittige Punkte und Forderungen der Sudetendeutschen im Hinblick auf das Münchner Abkommen208
8.2 Annäherung und Entspannung im Zeichen des Ost-West-Konfliktes: das Politikfeld der deutsch-tschechoslowakischen Beziehungen210
8.3 Mechanismen des Policy-Netzwerkes214
8.3.1 Vorlauf: von der Aufnahme erster Kontakte 1967 bis zum Beginn der Sondierungsgespräche zwischen Bonn und Prag 1970214
8.3.2 Erste Phase: von der Aufnahme von Sondierungsgesprächen 1970 bis zu deren vorläufigem Abbruch im Juni 1972750217
8.3.3 Zweite Phase: von der Denkpause bis zur Unterzeichnung des Prager Vertrags im Dezember 1973226
8.3.4 Dritte Phase: Ratifizierung des Prager Vertrages236
8.4 Zwischenfazit243
9 Die sudetendeutsche Frage und der Deutsch- Tschechoslowakische Nachbarschaftsvertrag 1992247
9.1 Der Problemfall der Forderung des „Rechts auf Heimat“ der Sudetendeutschen und der deutsch-tschechoslowakische Nachbarschaftsvertrag247
9.1.1 Historischer Kontext: Ungelöste Fragen im Zusammenhang mit der Vertreibung und die Deutsch-Tschechoslowakische Annäherung nach 1989247
9.1.2 Das „Recht auf Heimat“ als Oberbegriff der sudetendeutschen Forderungen in den Vertragsverhandlungen249
9.2 Die deutsch-tschechoslowakischen Beziehungen zwischen Nachholbedarf, Anfangseuphorie und europäischer Wiedervereinigung251
9.3 Die Mechanismen des Policy-Netzwerks254
9.3.1 Vorlauf: Annäherungen und Zeichen der Versöhnung im Kontext von Wende und Wiedervereinigung 1989-1990254
9.3.2 Erste Phase: Vorbereitung des Nachbarschaftsvertrages im Zeichen einer Abkühlung des Verhältnisses von Juni bis Dezember 1990259
9.3.3 Zweite Phase: Verhandlungen zum Nachbarschaftsvertrag bis zur Unterzeichnung im Februar 1992265
9.3.4 Dritte Phase: Ratifizierung des Nachbarschaftsvertrages277
9.4 Zwischenfazit287
10 Die Beneš-Dekrete und der EU-Beitritt der Tschechischen Republik290
10.1 Der Problemfall der „Beneš-Dekrete und der EU-Beitritt Tschechiens290
10.1.1 Historischer Kontext: deutsch-tschechische Problemlagen im Osterweiterungsprozess der EU290
10.1.2 Die Beneš-Dekrete als rechtliche Grundlage für die Vertreibung293
10.2 Kooperation statt Konfrontation: Die Tschechienpolitik der CSU im Politikfeldnetzwerk der „deutsch-tschechischen Beziehungen“294
10.3 Mechanismen des Policy-Netzwerks296
10.3.1 Vorlauf: vom Nachbarschaftsvertrag zur Deutsch-Tschechischen Erklärung296
10.3.2 Erste Phase: Die Beneš-Dekrete kommen auf die europäische Agenda 1998-2001300
10.3.3 Zweite Phase: Eskalation im Wahlkampfjahr 2002308
10.3.4 Dritte Phase: Abstimmungen über den EU-Beitritt Tschechiens317
10.3.5 Aktivitäten der Vertriebenenverbände im Überblick324
10.4 Zwischenfazit325
11 Resumée und theoretische Schlussfolgerungen328
11.1 Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse der Studie329
11.2 Überprüfung der zentralen These und der Hypothesen332
11.3 Überprüfung und Weiterentwicklung des Vier-Phasen-Modells335
11.4 Privilegierte Partnerschaft auf ewig oder Übergang zur Symbolpolitik?340
12 Bibliographie346
12.1 Publizierte Quellen und Materialien346
12.1.1 Regierungserklärungen, Reden und Gesetzestexte346
12.1.2 Anträge, Parlamentsdrucksachen und -veröffentlichungen, Protokolle347
12.1.3 Pressemitteilungen, Partei- und Verbandsveröffentlichungen351
12.1.4 Zeitungen und Zeitschriften353
12.1.5 Internetquellen354
12.1.6 Umfragen355
12.2 Unveröffentlichte Quellen und Materialien355
12.2.1 Hintergrundgespräche355
12.2.2 Schriftliche Mitteilungen356
12.3 Genutzte Archive358
12.4 Literatur358

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