1 Männer in Kindertagesstätten in Deutschland – die Datenlage
Jorina Senger
Seit Jahren ist in Deutschland ein kontinuierlicher Anstieg des Anteils männlicher Fachkräfte in Kindertagesstätten zu verzeichnen. Seit 2010, mit Beginn der Arbeit der Koordinationsstelle »Männer in Kitas« und durch das im Januar 2011 initiierte ESF-Modellprogramms »MEHR Männer in Kitas« konnte der Anteil der männlichen Fachkräfte um gut 50 Prozent gesteigert werden. 2014 arbeiten somit bundesweit in Kitas immerhin bereits 17.664 männliche Fachkräfte. Das entspricht einem Anteil von 3,78 Prozent: Rechnet man Praktikanten, Zivildienstleistende, Männer im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJler) und Kräfte aus Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) noch hinzu, erhöht sich der Männeranteil auf 4,2 Prozent.
Zu Beginn des ESF-Modellprogramms lag der Anteil männlicher Fachkräfte noch bei 2,4 Prozent, unter Hinzunahme von in Kitas tätigen Praktikanten, Zivildienstleistenden, Männern im Freiwilligen Sozialen Jahr und Kräften aus Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bei drei Prozent.
Vergleicht man diese Zahlen mit denen aus dem Jahr 1998 – hier arbeiteten laut Statistischem Bundesamt 8.665 Männer in Kitas – hat sich die Anzahl der männlichen Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen in absoluten Zahlen fast verdoppelt. Da in diesem Zeitraum aber auch die Anzahl weiblicher Beschäftigter in Kitas stark gestiegen ist, verbesserte sich der relative Anteil der Männer nur geringfügig (vgl. Cremers/Krabel, 2012, S.132).
Mit diesen Zahlen stellt Deutschland im europäischen Ländervergleich keine Ausnahme dar. In den meisten europäischen Ländern liegt der Anteil männlicher Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen bei unter fünf Prozent, in Österreich gar unter ein Prozent. Hervorzuheben ist hier Norwegen, das es durch verschiedene Initiativen geschafft hat, den Anteil männlicher Beschäftigter in Kindertageseinrichtungen auf neun Prozent zu heben. Hierbei sei vor allem auf die Naturkindergärten verwiesen, in denen der Männeranteil besonders hoch ist. Beim pädagogischen Personal findet sich ein Männeranteil von 20 Prozent, in den Leitungsfunktionen liegt er sogar bei 70 Prozent (vgl. Friies, 2006, S. 20). Insgesamt muss bei diesen Vergleichszahlen darauf hingewiesen werden, dass zur Erhebung des Männeranteils in Kindertageseinrichtungen in Europa ganz unterschiedliche Datensätze herangezogen werden, so dass diese Zahlen generell nur eingeschränkt miteinander vergleichbar sind.
In Deutschland variieren die Zahlen, je nach Blickwinkel, den man einnimmt. Werden Praktikanten, FSJler und Personen, die einen Bundesfreiwilligendienst absolvieren (Bufdis), dazu gezählt (Abb. 1) oder beschränkt man sich auf das reine pädagogische Personal (Abb. 2). Der Unterschied kann hier bis zu zwei Prozent ausmachen.
Abb. 1: Anteil aller pädagogisch arbeitenden Männer in Kitas im Jahr 2012 in % (aus: Homepage: Koordinationsstelle »Männer in Kitas«. Quelle: Forschungsdatenzentrum der Länder im Amt für Statistik Berlin-Brandenburg. Statistik der Kinder- und Jugendhilfe Teil. III, Statistik der Kinder und tätigen Personen in Tageseinrichtungen, 2012).
Es zeigt sich ein auffälliger Unterschied zwischen den Bundesländern und den Landkreisen.
Grundsätzlich ist festzustellen, dass der Anteil männlicher Erzieher in Kitas in Städten höher ist als auf dem Land.
Die Stadtstaaten weisen den höchsten Anteil männlicher Beschäftigter auf. In Hamburg, das den ersten Platz belegt, liegt der Anteil männlicher Beschäftigter
Abb. 2: Anteil männlicher pädagogischer Fachkräfte in Kitas im Jahr 2012 in % (aus: Homepage: Koordinationsstelle »Männer in Kitas«. Quelle: Forschungsdatenzentrum der Länder im Amt für Statistik Berlin-Brandenburg. Statistik der Kinder- und Jugendhilfe Teil. III, Statistik der Kinder und tätigen Personen in Tageseinrichtungen, 2012).
inklusive Praktikanten, Zivildienstleistenden, FSJlern und ABM-Kräften bei immerhin 9,9 Prozent. Bremen liegt mit 7,9 Prozent auf dem zweiten Platz, Berlin mit 7,4 Prozent auf dem dritten Platz. Ein möglicher Erklärungsansatz hierfür ist das vergleichsweise hohe Gehalt bei den Leitungskräften zum Beispiel in Hamburg (vgl. Cremers/Krabel, 2012, S. 135). Zusätzlich finden sich in den drei Stadtstaaten, in Schleswig-Holstein und Hessen sowie generell in Großstädten überdurchschnittlich viele Elterninitiativen, die im Bundesdurchschnitt einen fast doppelt so hohen Männeranteil aufweisen wie andere Kindertageseinrichtungen (vgl. ebd.). Eine mögliche Erklärung hierfür ist ein häufig nicht so starres Konzept und viele Freiräume in der Arbeit mit den Kindern. Weiterhin finden sich dort, wo bereits ein Mann arbeitet, gerne auch andere Männer ein.
Der relativ hohe Männeranteil von 5,6 Prozent in hessischen Kindertageseinrichtungen und vor allem in Frankfurt erklärt sich möglicherweise durch relativ viele Initiativen und Studien zum Thema »Männer in Kitas«, die im Frankfurter Raum durchgeführt wurden. Das zeigt, dass sich Initiativen insgesamt tatsächlich auszahlen können.
Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein können seit Jahren ebenfalls einen stetigen Anstieg von männlichen Beschäftigten in Kitas verzeichnen.
Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarland vermelden hingegen den geringsten Anstieg. Dazu muss gesagt werden, dass in NRW durch die Ausgliederung des Hortbereiches im Jahr 2009 an die Schulen die männlichen Horterzieher nicht mehr in der Statistik »Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen« berücksichtigt wurden (vgl. Homepage »Koordinationsstelle Männer in Kitas, Zugriff: 5.11.2013).
Der insgesamt eher niedrige Männeranteil in den Kindertagesstätten der neuen Bundesländer (Brandenburg 3,3 Prozent, Mecklenburg-Vorpommern 2,4 Prozent, Sachsen 3 Prozent, Sachsen-Anhalt 1,5 Prozent, Thüringen 2,5 Prozent) lässt sich mit dem starken Rückgang der Geburtenrate nach der Wiedervereinigung und dem infolgedessen stattfindenden Abbau von Betreuungsplätzen und Stellen erklären. Zudem war der Anteil männlicher Erzieher in der DDR noch geringer als in der Bundesrepublik (Cremers/Krabel, 2012, S. 136).
Der insgesamt eher niedrige Anteil männlicher Fachkräfte in deutschen Kindertagesstätten lässt sich vor allem mit der traditionelle Geschlechterordnung in den Kitas, der schlechten Entlohnung, der niedrigen sozialen Anerkennung und den geringen Aufstiegschancen erklären. Hier bedarf es einer Veränderung, um mehr Männer für den Erzieherberuf begeistern zu können. Insbesondere bei der häufig noch sehr traditionellen Geschlechterordnung in den Kitateams ist ein Umdenken erforderlich, damit sich die Männer in den Teams willkommen fühlen und nicht nur die vermeintlich »männertypischen Aufgaben« zugesprochen bekommen und in der Kita nur für das Fußballspielen, das Reparieren von defekten Gegenständen und den Computer zuständig sind. Darüber hinaus ist bei Männern und Frauen in den Kitateams eine Auseinandersetzung mit der eigenen Geschlechterrolle wichtig, um sich stereotype Rollenbilder bewusst zu machen und somit auch den Kindern reflektierter und gendersensibler gegenübertreten zu können.
Nicht zuletzt stellt die jahrelange, unbezahlte Ausbildung einen Hinderungsgrund für die Männer dar, die Ausbildung zum Erzieher zu beginnen, der zurzeit nur mit familiärer finanzieller Unterstützung oder staatlicher Hilfe gelöst werden kann. Inzwischen werden alternative Modelle erprobt und die Forderung erhoben, die Ausbildung »grundsätzlich tätigkeitsbegleitend« zu gestalten (vgl. Diskowski, 2013, S.147 ff.). In Brandenburg, Berlin und auch Hamburg ist es beispielsweise möglich, sich berufsbegleitend zum Erzieher oder zur Erzieherin ausbilden zu lassen. Baden-Württemberg rief im Schuljahr 2012/2013 die praxisintegrierte Erzieherausbildung ins Leben (PiA). Bis heute steigt die Zahl der Ausbildungsplätze. So begannen im Schuljahr 2014/2015 bereits 1416 Schülerinnen und Schüler die Ausbildung. Die enge Verzahnung von Theorie und Praxis sowie eine Vergütung der Ausbildung hat dazu geführt, dass insgesamt das Berufsbild attraktiver wahrgenommen wird und sich mehr Männer für den Erzieherberuf entscheiden. In Stuttgart wurde, ebenfalls im Schuljahr 2012/2013 eine »Freie Duale Fachschule für...